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Sputnik: Völker hörten die Signale

Vor 50 Jahren startete die Sowjetunion Sputnik, den ersten Satelliten. Damit begann ein gigantischer Wettlauf mit den USA um die Eroberung des Alls.

Das „Piep, Piep, Piep“ veränderte die Welt. Es war das Signal des ersten künstlichen Erdtrabanten, gestartet am 4. Oktober 1957, heute genau vor 50 Jahren. Und es war ein sowjetischer Satellit, kein amerikanischer. Sein Name „Sputnik" bedeutet „Begleiter“.

Erwartet hatte die internationale Gemeinschaft den ersten Satellitenstart während des „Internationalen Geophysikalischen Jahres" eher von den Amerikanern. Diese hatten eine dreistufige, 22 Meter hohe „Vanguard“-Rakete entwickelt. Doch neun von zwölf Startversuchen blieben erfolglos. Die Russen dagegen rüsteten kurzerhand eine militärische Interkontinentalrakete um.

Ihr Chefkonstrukteur, Sergej Koroljow, wartete auch nicht, bis das vorgesehene wissenschaftliche Labor fertig gestellt war. So flog die R-7-Rakete am 4. Oktober 1957 vom späteren Weltraumbahnhof Baikonur nicht mit einem Gefechtskopf, sondern mit einer Aluminiumkugel, kaum größer als ein Medizinball, ins All. Die Sputnik-Funksignale fingen Forscher, Amateurastronomen und Studenten rund um den Erdball ein.

Die Nachricht, dass ein Fluggerät die Last der Schwerkraft hinter sich gelassen hatte, verlieh der Phantasie neue Flügel. Die Menschheit hatte den Traum vom Aufbruch in den Weltraum schon sehr lange geträumt. Seit vier Jahrhunderten war der Glaube daran, dass die Erde inmitten eines von intelligenten Lebewesen bevölkerten Universums liegt, beharrlich gewachsen. Plötzlich war das Fremde, Außerirdische zum Greifen nah, die Erwartungen daran nahmen teils groteske Züge an.

Umso erstaunlicher ist es, wie schnell sie sich innerhalb weniger Jahrzehnte seit Beginn der Raumfahrt beinahe in Nichts aufgelöst haben. Die tatsächliche Reise zum Mond führte Ende der 1960er Jahre nicht zu einer Begegnung mit Mondlebewesen. Das Außerirdische war gar nicht so fremd. Die Mondlandschaft erinnerte vielmehr an die Wüstenregionen der Erde. Auch die Flüge von Raumsonden zu unseren Nachbarplaneten Mars und Venus, Jupiter und Saturn in den 70er Jahren waren in dieser Hinsicht ernüchternd. Sie brachten die Erkenntnis, dass bewohnte Welten mit intelligenten Lebewesen – wenn überhaupt – Lichtjahre von uns entfernt liegen.

Stattdessen hat die Raumfahrt die Einzigartigkeit der Erde in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Viele künstliche Satelliten drehen sich heute um den Globus. Vielleicht ist es ein Glücksfall, dass die Menschheit gerade in der Hochphase der Industrialisierung, in der sie massiv in den Stoffkreislauf der Erde einzugreifen begann, auch die Mittel ersann, diese Entwicklung mit Satelliten zu verfolgen. Die Raumfahrt hat mehr als alle anderen technischen Hilfsmittel die Möglichkeit eröffnet, globale Veränderungen zu verfolgen und Umweltgefahren auszumachen.

1957 hatte noch niemand das Gefahrenpotenzial vor Augen, das von einem möglichen Schwund der Ozonschicht oder einem Klimawandel ausgehen könnte. Trotzdem hatten zahlreiche Staaten, darunter die USA und die Sowjetunion, für eben dieses Jahr vereinbart, den Globus eingehend zu studieren: Sie hatten das „Internationale Geophysikalische Jahr“ ausgerufen. An dieser Kampagne beteiligten sich – trotz des Kalten Krieges – Wissenschaftler aus 67 Ländern, aus den USA wie aus der Sowjetunion. Sie erforschten den Erdmagnetismus und das Weltraumwetter, die atmosphärischen Verhältnisse, die Meeresströmungen und die Eisbedeckungen der Polargebiete.

Hinter den wissenschaftlichen Zielen verbargen sich auch militärische Interessen. Schon im Sommer 1955 hatte der amerikanische Präsident Dwight Eisenhower angekündigt, „als einen Beitrag der Vereinigten Staaten zum Internationalen Geophysikalischen Jahr kleine, die Erde umkreisende Satelliten zu starten… Dieses Programm wird zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit Wissenschaftler in aller Welt in die Lage versetzen, anhaltende Beobachtungen in den Bereichen jenseits der Erdatmosphäre zu machen“.

Sein Gegenspieler, Nikita Chruschtschow, hielt zunächst wenig von Forschungssatelliten. Doch nach Eisenhowers Erklärung traten die Sowjets umgehend mit einem ähnlichen Plan an die Öffentlichkeit. Sämtliche Details ihres Satellitenprogramms hielten sie jedoch geheim.

Anfang September 1957 trafen in Tjura Tam, dem späteren Baikonur, nordöstlich des Aralsees mitten in der endlosen kasachischen Steppe gelegen, ein kleiner kugelförmiger Satellit und eine R-7-Rakete ein. Die Rakete war eigentlich für den Transport von Wasserstoffbomben bestimmt. Bei der Entwicklung dieser Interkontinentalrakete hatten Sergej Koroljow und sein Team in kürzester Zeit gewaltige Fortschritte erzielt. Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sie die deutsche V2-Rakete nachgebaut, eine stärkere Version war Mitte der 50er Jahre erstmals mit atomarem Sprengkopf geflogen.

Nun wollten die Russen mit einer zivilen Ausführung der Rakete den ersten Satelliten starten. Der runde Aluminiumkörper hatte einen Durchmesser von 58 Zentimetern und wog 83,6 Kilogramm. In die Kugel war ein Radiosender eingebaut, der 0,4 Sekunden lange Signale abstrahlen sollte: abwechselnd bei 20 Megahertz und bei 40 Megahertz.

Für die Weltöffentlichkeit kam das Ereignis überraschend. Wie die Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, war selbst die Sowjetführung wegen ihres Geheimhaltungswahns propagandistisch denkbar schlecht auf den ersten Satellitenflug im Oktober 1957 vorbereitet. „Erst das überwältigende internationale Echo weckte die Politiker auf.“

In Amerika sprach man vom „Sputnik-Schock“. Die lange Zeit als technisch unterlegen geltenden Russen hatten in der Raketentechnik eine Pionierleistung vollbracht. Nur einen Monat später schickten sie den Hund „Laika“ in den Weltraum, dreieinhalb Jahre später schwebte mit Juri Gagarin der erste Mensch in einer Raumkapsel durchs All.

Die Amerikaner hatten sich nach ihrem Fiasko auf Wernher von Brauns Raketenkünste gestützt. Am 1. Februar 1958 brachten sie mit „Explorer 1“ ihren ersten Satelliten in den Weltraum. Allerdings nicht mit einer „Vanguard“-Rakete. Die startete erst zwei Monate später erfolgreich. Mit bescheidener Fracht: Der Satellit war so winzig wie eine Pampelmuse.

Der anschließende Wettlauf zum Mond in einer der spannungsreichsten Phasen des Kalten Krieges ist längst zur Legende geworden. Weniger bekannt sind die wissenschaftlichen Studien, die sich an die Ergebnisse des „Internationalen Geophysikalischen Jahres“ anschlossen. Zu ihnen zählt etwa die Erforschung der Stratosphäre in den 50er und 60er Jahren, die für das Studium des Ozonabbaus wichtig werden sollte.

Die „Alles-im-Griff-Mentalität“ des Industriezeitalters ist damit endgültig obsolet geworden. Mit den vielen Ungewissheiten, die die moderne Technik hervorbringt, muss die Menschheit wohl oder übel leben. Aber die Frage, welche Vorsorge wo getroffen werden soll und kann, wird inzwischen auf allen Ebenen der Gesellschaft diskutiert.

Bei diesem Lernprozess kann die moderne Raumfahrt einen wichtigen Beitrag leisten. Heutige Satelliten liefern nicht nur Bilder von fernen Galaxien, sie sichern nicht bloß die Übertragung von Fernsehprogrammen und die Mobilfunk-Kommunikation. Sie ermöglichen auch den Blick von außen auf die Erde: die Beobachtung globaler und regionaler Entwicklungen.

Die Erde hat sich in ein gigantisches Forschungslabor verwandelt. Umweltsatelliten wie „Envisat“, der derzeit die Erde in 800 Kilometern Höhe umkreist, ermitteln Daten über den Anstieg des Meeresspiegels, das Abschmelzen der Eisflächen in der Arktis oder die Veränderung von Vegetationsperioden. Die Wissenschaft hatte aus der Erde zunächst einen Himmelskörper unter vielen gemacht. Seit dem ersten Weltraumflug wurde diese Konsequenz aus der kopernikanischen Wende zumindest relativiert: Der Globus mit seiner dünnen Schutzhülle gilt wieder als einzigartige Oase des Lebens. Bis auf Weiteres.

Infos im Internet unter:

http://www.sputnik50.de

http://history.nasa.gov/sputnik/sputnik.wav (Tondokument mit dem Original-Piepston des Sputnik)

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