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Studierende stehen vor dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität.

© HU/Heike Zappe

Stellenstopp an der HU: Die Humboldt-Uni greift ihre Substanz an

Wegen der angekündigten Sparmaßnahmen ist der Personalrat der Humboldt-Universität alarmiert, spricht von einer "Sperre für das ganze Jahr". Davon könnte ein Drittel der 1000 haushaltsfinanzierten wissenschaftlichen Mitarbeiter betroffen sein.

Die Humboldt-Universität steht offenbar vor schmerzhafteren Einschnitten bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern als die Leitung der Uni bislang öffentlich zugeben will: „Wenn das Besetzungskontingent bei zwei Dritteln der Bereiche auf Null steht, dann ist das eine Sperre für das ganze Jahr“, sagte der Vorsitzende des Personalrats, Rainer Hansel, am Montag auf Anfrage. Davon könnten bis zu einem Drittel der rund 1000 aus Haushaltsmitteln beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeiter betroffen sein.

Wie berichtet hat die Unileitung kürzlich Fakultäten und Institute über Sparmaßnahmen informiert, die vor allem den akademischen Mittelbau betreffen (Tagesspiegel vom 20. Januar). Existenzängste von Mitarbeitern und Befürchtungen von Instituten, die Qualität der Lehre könnte gefährdet sein, hatte die Vizepräsidentin für Haushalt, Marina Frost, aber zurückgewiesen: Bei den geplanten Sparmaßnahmen handle es sich nicht um eine Stellensperre für den Mittelbau, sondern lediglich darum, befristete oder auslaufende Stellen verzögert zu besetzen.

Die HU hat ein Haushaltsdefizit erwirtschaftet. So veranschlagt sie im neuen Doppelhaushalt für 2014/15 eine „Differenz von errechneten und veranschlagten Personalkosten“ von 15,755 Millionen Euro gegenüber fünf Millionen Euro im Haushalt 2012/13. Der Personalrat hatte die Vizepräsidentin für Haushalt schon im Dezember gefragt, ob dies einen kompletten Einstellungsstopp zu Folge hätte. Jetzt stellt sich die Lage für Personalrat Hansel so dar: „Nach Vorlage des Haushalts sind die Besetzungsmöglichkeiten bei den Haushaltsstellen im Vergleich zum Vorjahr auf ein Drittel geschrumpft. Alle Stellen, sowohl wissenschaftliche als auch nicht wissenschaftliche, die auslaufen oder verlängert werden sollten, sind wesentlich restriktiver besetzbar.“

An TU und HU werden nur auslaufende Stellen verzögert besetzt

Die Uni-Leitung hat ihre Notbremsung mit den Hochschulverträgen für die kommenden vier Jahre begründet. Es gebe einfach zu wenig Geld vom Land. Doch die Hinweise mehren sich, dass die Uni-Leitung die aktuelle Lage durch geschickteres Wirtschaften hätte vermeiden können. Das zeigt auch der Vergleich mit TU und FU.

So sagt Jörg Steinbach, der Präsident der TU Berlin, an der TU würden zwar seit mindestens vier Jahren frei werdende Stellen um drei bis vier Monate verzögert wiederbesetzt. Bei 750 über den Haushalt finanzierten wissenschaftlichen Mitarbeitern, die im Schnitt fünf Jahre lang beschäftigt sind, betreffe das pro Jahr rund 150 Stellen. Eine Stelle koste die Uni rund 60 000 Euro im Jahr, durch eine um vier Monate verzögerte Neubesetzung spare man 1,4 Millionen Euro jährlich. „Doch damit gehen wir nicht an die Substanz des Mittelbaus heran“, betont Steinbach. So würde die Verlängerung von Stellen etwa in der Sechs-Jahres-Frist vor und nach der Promotion nicht in Frage gestellt.

FU-Präsident Peter-André Alt erklärt, auch an der FU würden die Fachbereiche frei werdende Stellen regelmäßig „flexibel später besetzen“. Doch anders als bei der Humboldt-Universität gelte dies nur für solche Stellen, die gerade auslaufen. Ebenfalls anders als die Humboldt-Universität, die den Fakultäten Stellen zentral über Kontingente zuweist, hat die Freie Universität zudem ein dezentrales Haushaltssystem. Die Personalverantwortung für die wissenschaftlichen Mitarbeiter liegt also nicht bei der Unileitung, sondern bei den Fachbereichen.

Mitarbeiter: "Präsidium hat systematisch Töpfe überzogen"

Warum ist also gerade die Humboldt-Universität in die Lage geraten, erstmals auch beim Mittelbau zu sparen – und das entgegen wiederholter Versprechungen ihres Präsidenten Jan-Hendrik Olbertz? An der Humboldt-Universität gehen Mitarbeiter davon aus, das Präsidium habe über Jahre hinweg „systematisch Töpfe überzogen“. Die nicht vom Haushalt gedeckten Mehrkosten seien kumuliert und machten jetzt radikale Sparmaßnahmen notwendig. Unter anderem erhalte die Humboldt-Uni vom Land für die nächsten vier Jahre zehn Millionen Euro für Investitionen, habe aber laufende Bauprojekte für 20 Millionen Euro.

Ein „Rechenfehler“ des Präsidiums bei den Hochschulverträgen verschlimmere die Situation ebenso wie die Kosten für die Fakultätsreform. Gleichzeitig habe die Humboldt-Uni schon vor dem Erfolg in der Exzellenzinitiative überproportional viele „teure Professoren“ aus Drittmittelprojekten berufen: Koryphäen, die auf einem größeren Stab an wissenschaftlichen Mitarbeitern bestehen. Doch die ebenfalls exzellente Nachbaruni der HU in Berlin, die Freie Universität, hat weiter maßvoll gewirtschaftet. Mit Blick auf den Haushalt versuche man, die Ansprüche der neu berufenen Professoren auf Mitarbeiterstellen eher herunterzuhandeln, heißt es von dort.

Billigere Lehrbeauftragte, größere Lerngruppen

Die Leitung der HU verweist unterdessen auf einen Topf von 1,4 Millionen Euro, aus dem sie den Fakultäten und Instituten in diesem Jahr „händisch“ Mittel für dringend benötigte Stellen vor allem in der Lehre zuweisen will. Tatsächlich haben Einzelgespräche mit Institutsleitern und Dekanen in der vergangenen Woche begonnen. Personalrat Hansel bezweifelt, ob das Geld ausreicht, um die Lehre im erforderlichen Umfang zu gewährleisten, zumal zusätzlich Mitarbeiter bevorzugt verlängert werden müssten, die mitten in der Promotion stecken, oder um soziale Härten zu vermeiden. „Man wird die größten Härten in der Lehre wohl bewältigen. Aber sicher wird die HU auf billigere Versionen ausweichen, also beispielsweise zusätzliche Lehrbeauftragte beschäftigen und größere Lehrgruppen bilden“, sagt Hansel. „Die Qualität der Lehre droht zu sinken.“

Präsident Olbertz droht, in die Defensive zu geraten

Ihr Angebot in der Lehre einzuschränken aber kann sich die HU eigentlich nicht erlauben. Denn die Hochschulverträge mit dem Land verpflichten die Hochschulen, die Zahl ihrer Studienanfänger auf hohem Niveau konstant zu halten. Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, TU-Präsident Steinbach, warnt deshalb die HU, in der jetzigen Situation „an den Mittelbau ranzugehen, der einen großen Teil der Lehre trägt“. Wenn deshalb die Aufnahmekapazität der Universität sinke, könne sie ihre Halteverpflichtung nicht erfüllen und bekomme weniger Geld vom Land.

An der HU wird bereits ein Imageschaden befürchtet. Auch drohe Präsident Olbertz „in die Defensive“ zu geraten und den Rückhalt der Professorenmehrheit im Akademischen Senat zu verlieren. Und selbst wenn es gelänge, den Stellenstopp im Mittelbau 2016/17 abzumildern, werde jetzt die „Substanz der Universität beschädigt“.

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