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Ein Hinweisschild weist ein Hochschulgebäude als Fakultät für Elektrotechnik und Informatik aus, auf dem Gehweg davor ist eine Passantin zu sehen.

© Imago/Eckhard Stengel

Streit um Zivilklauseln: Wehrtechnikerinnen an der zivilen Fachhochschule

Die Bundeswehr reserviert sich Informatik-Studienplätze an Fachhochschulen - trotz Zivilklausel. In Bremen regt sich Protest.

In der Hochschule Bremen tanzten kürzlich Studierende während einer Gremiumssitzung auf den Tischen – nicht vor Freude, sondern aus Protest: Sie kritisieren, dass ihre Fachhochschule zum Wintersemester 2016/17 eine Kooperation mit der Bundeswehr eingeht. Im „Internationalen Frauenstudiengang Informatik“ werden bis zu zehn der 38 Studienplätze für angehende Wehrtechnikerinnen reserviert. Für jeden genutzten Platz zahlt die Bundeswehr einen Betrag in unbekannter Höhe an die Hochschule.

Ein Verstoß gegen die "friedliche" Selbstverpflichtung?

Bremen ist kein Einzelfall. In fast allen Bundesländern lässt das Militär seine Zivilbeschäftigten oder Offiziere auch an öffentlichen Hochschulen ausbilden, wie jetzt ein Bundeswehrsprecher auf Nachfrage erläuterte. Wer bisher dachte, nur die beiden Bundeswehr-Universitäten in Hamburg und München seien dafür zuständig, liegt also falsch.

Dass auch die Hochschule Bremen mitmacht, stört nicht nur die tanzenden Studenten, sondern auch die Linke, die Gewerkschaft GEW und die Jungsozialisten. Sie werfen der Hochschulleitung einen Verstoß gegen ihre eigene „Zivilklausel“ vor. Darin heißt es: „Studium, Lehre und Forschung an der Hochschule Bremen dienen ausschließlich friedlichen Zwecken.“ Auch im Bremer Landeshochschulgesetz steht seit 2015: „Die Hochschulen verfolgen in Forschung, Lehre und Studium ausschließlich friedliche Zwecke.“

"Es kommen keine Soldatinnen, sondern angehende Beamtinnen"

Rektorin Karin Luckey sieht die Zivilklausel nicht verletzt. Die Bundeswehr könne keinerlei Einfluss auf die Inhalte nehmen. „Wir machen weiterhin das, was wir in diesem Frauenstudiengang schon seit 16 Jahren machen.“ Die Bundeswehr werde also genauso behandelt wie Privatfirmen, die in solchen dualen Studiengängen Plätze für ihre Beschäftigten reservieren und für den organisatorischen Mehraufwand einen finanziellen Beitrag leisteten.

Ein weiteres Argument von Luckey: Es kämen ja keine Soldatinnen, sondern nur angehende Beamtinnen der Bundeswehrverwaltung. Zu der zählt allerdings auch das „Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung“, und genau dort können die Informatikerinnen später als verbeamtete Ingenieurinnen in der Wehrtechnik arbeiten. Ihr Berufsbild ist laut Bundeswehr: „Lenken Sie die Entwicklung des Wehrmaterials, erproben Sie Prototypen und überwachen Sie die Realisierung!“ Vorausgesetzt wird „die Bereitschaft zur freiwilligen Teilnahme an Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ – wenn auch nicht an der Waffe.

75 Studienplätze an der Dualen Hochschule Baden-Württenberg

Neben der Informatik in Bremen nutzt die Bundeswehr noch drei Fachrichtungen in ihrer Münchener Universität und zehn Studiengänge an zivilen Fachhochschulen für ihre Wehrtechnikerausbildung, sei es Elektrotechnik, Maschinenbau oder Luft- und Raumfahrttechnik. Insgesamt machen fünf zivile Bildungseinrichtungen mit sechs Standorten bei diesem „Bachelor-Studium im technischen Bereich“ mit: neben der Bremer die Duale Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim und Ravensburg, die Hochschulen Mannheim und Koblenz sowie die Jade-Hochschule in Wilhelmshaven. Allein an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg hat sich die Bundeswehr 75 Studienplätze reservieren lassen. Wer einen der Plätze ergattert, erhält als Beamtenanwärter jeden Monat ein Salär von 1539 Euro brutto.

"Kein Zusammenhang" mit der neuen Cyber-Abteilung

Mit der soeben angekündigten neuen Cyber-Abteilung der Bundeswehr habe das Wehrtechniker-Studium nichts zu tun, sagt ein Bundeswehrsprecher. Allerdings will er „nicht ausschließen“, dass die Absolventen irgendwann auch in diesem Bereich arbeiten. Für die Ausbildung von Soldaten bedient sich der Bund schon länger ziviler Hochschulen, zum Beispiel in den Fächern Medizin oder Zahnmedizin.
Nehmen die Bundeswehrangehörigen nicht anderen Bewerbern die Studienplätze weg? Nein, sagt der Bundeswehrsprecher. Denn entweder gebe es für sie ein eigenes, zusätzliches Kontingent „on top“, oder sie müssten sich dem Leistungsvergleich mit Abiturnoten stellen. Und am Bremer Studiengang, sagt Rektorin Luckey, gebe es ohnehin genug freie Kapazitäten.
Ihr einziges Zugeständnis an ihre Kritiker: „Wenn man Informatik studiert, kommt in jedem Fall irgendwann die Frage des Dual Use“ – also der Nutzbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke.

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