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Näher an die Praxis. Das neue Studium soll im Herbst starten. Foto: ddp

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Studiumsreform: Überhastete Operation an der Charité

Droht an der Charité zum Wintersemester ein Chaos im Medizin-Studium? Das wird am Universitätsklinikum von FU und HU befürchtet.

Hintergrund ist eine weitreichende Reform des Studiums. Zum Winter will die Charité einen neuen „Modellstudiengang“ anbieten, den alle Studienanfänger belegen sollen. Doch das neue Studium werde überhastet eingeführt, bis zum Wintersemester bleibe kaum Zeit, es vernünftig zu organisieren, sagen Kritiker. „Qualität und Inhalte werden leiden“, heißt es.

Ein neues Studium für alle angehenden Mediziner schwebt der Charité seit langem vor, das Klinikum hat die Pläne aber bisher immer verschoben. Der Fakultätsrat beschloss nun, den neuen Studiengang doch zum Wintersemester einzuführen. Das bestätigte Dekanin Annette Grüters-Kieslich auf Anfrage. In dem Angebot sollen die beiden bisherigen Studiengänge vereint werden: Der eher theorielastige Regelstudiengang, den bislang die meisten der jährlich insgesamt 600 Studienanfänger belegen und der seit zehn Jahren bestehende praxisorientierte Reformstudiengang, der 60 Studienanfänger hat.

Die Fusion ist ein anspruchsvolles Vorhaben: Schließlich sollen jetzt für alle Studierenden sehr viel mehr Praxiselemente angeboten werden. Die alte Fächertrennung und die herkömmliche Spaltung des Studiums in einen vorklinischen (theoretischen) und klinischen Teil soll teilweise überwunden werden, wie bereits im Reformstudiengang üblich. Die Charité will zudem Studierende besser an die medizinische Forschung und damit auch an eine Wissenschaftlerkarriere heranführen.

Der neue Studiengang ist ein Prestigeprojekt, die Charité will europaweit Vorreiterin werden. Wer Kritik übt, begibt sich auf vermintes Gelände: Öffentlich wagen Charité-Mitarbeiter nicht, ihre Bedenken zu äußern. Da lange unklar war, wann der Studiengang startet, sei die konkrete Ausgestaltung verschleppt worden, heißt es intern. Die professionelle Planung des neuen Studiengangs laufe erst seit einigen Wochen. So stehe noch nicht fest, wann die Professoren welche Inhalte unterrichten. Ein völlig neues Curriculum brauche viel mehr Anlaufzeit. Geplant sei gerade einmal das erste Semester, von den vielen Modulen für das Studium seien weniger als eine Handvoll konzipiert. „Das ist ein Himmelfahrtskommando, das auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen wird“, heißt es.

Dekanin Grüters-Kieslich sagt dagegen, sie sei „ganz entspannt“, was die Planung angehe. Die Inhalte der ersten Studienjahre würden zum Semesterstart feststehen. Was darüberhinaus gegen Ende des Studiums stattfinde, müsse jetzt noch nicht „detailgenau“ geplant werden.

Die Einführung des neuen Studiengangs kostet die ohnehin mit finanziellen Problemen kämpfende Charité viel Geld. Auf 2,34 Millionen Euro beziffert das Klinikum in den ersten Jahren den jährlichen Mehrbedarf. Das neue Programm sei zwar nicht teurer als das alte, sagt Grüters-Kieslich. Die Charité muss aber so lange die alten Studiengänge parallel anbieten und finanzieren, bis die höheren Semester dort ihren Abschluss gemacht haben.

Noch Ende März schloss die Wissenschaftsverwaltung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Anja Schillhaneck aus, in diesem Jahr zusätzliche Mittel an die Charité zu zahlen. Offensichtlich konnte Grüters-Kieslich den Wissenschaftssenator jetzt davon überzeugen, zumindest teilweise doch Geld zu geben. Der Senator habe „zusätzliche Mittel für dieses Jahr in Aussicht gestellt“, sagte die Dekanin. Sie habe „keinen Zweifel an der Verbindlichkeit“. Die Wissenschaftsverwaltung bestätigte, man werde „nach einer Lösung suchen, die erforderlichen zusätzlichen Vorlaufkosten abzudecken“. 2010 würden die Mittel aber „sicherlich weniger als zwei Millionen Euro“ betragen. Interne Kritiker an der Charité treibt indes noch etwas anderes um: Die Verwaltung hat bislang die neue Studienordnung nicht genehmigt. Tilmann Warnecke

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