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Besser informiert. Mit der Herzstromkurve (EKG), bei deren Messung Elektroden auf der Brustwand platziert werden, kann man sich einen Überblick über den Gesundheitszustand des Herzens verschaffen. Hier untersucht der Arzt Amin Ballouz in seiner Praxis in Schwedt einen Patienten mit dem EKG und einem Blutdruck-Messgerät. Foto: dapd

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Wissen: Stützen und schützen

Stent oder Bypass? In schweren Fällen sollten Herzkranke besser operiert werden

Was ein Stent ist, das weiß heute eigentlich jeder, der ein paar Verwandte und Bekannte in etwas fortgeschrittenerem Lebensalter hat: Mit großer Wahrscheinlichkeit ist jemand dabei, der ein oder mehrere solcher Metallröhrchen in seinem Brustraum trägt. 325 872 davon wurden in Deutschland allein im Jahr 2010 in Äste der Herzkranzgefäße eingeschleust, so ist im kürzlich veröffentlichten Herzbericht zu lesen. Das sind fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Seit dem Jahr 2004 ist sogar eine Zunahme von fast 30 Prozent zu verzeichnen. Die Gefäßstützen, bei einer Herzkatheter-Untersuchung mit einem biegsamen Schlauch ins Herz vorgeschoben, sollen verstopfte Blutgefäße wieder durchlässig machen. So können sie Herzinfarkten vorbeugen.

Tatsächlich hat nicht nur die Anzahl der perkutanen Koronarinterventionen, wie Herzspezialisten die Katheter-Eingriffe nennen, in den letzten Jahren immer weiter zugenommen. Der Herzbericht dokumentiert zudem, dass in Deutschland inzwischen auch immer weniger Menschen an den Folgen einer Verengung der Herzkranzgefäße sterben (siehe Infokasten). Leben die Deutschen also herzgesünder, mit weniger Zigaretten, mehr Bewegung und gesünderer Ernährung? Oder werden Infarktgefährdete heute besser behandelt als noch vor zehn Jahren?

Mittlerweile komme es vor, dass Menschen mehr als 20 metallene Gefäßstützen in der Brust tragen, berichtet Roland Hetzer, Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin, der vor einigen Jahren dafür den Begriff des „Full Metall Jacket“ geprägt hat. Im Rahmen einer Herzkatheter-Untersuchung sind die Stents relativ problemlos „in einem Aufwasch“ einsetzbar. Ein Rundum-sorglos-Paket stellen sie trotzdem nicht dar. Denn sie können sich verschließen, was zum Infarkt führen kann. Um dem vorzubeugen, sollten Menschen, denen Gefäßstützen implantiert wurden, Medikamente nehmen, die die Bildung von Blutplättchen hemmen und damit die Gefahr einer Verstopfung des Stents verringern.

Trotzdem ist häufig ein erneuter Eingriff an derselben Stelle nötig – doppelt so oft wie nach einer Bypass-Operation. Das zeigt die neueste Auswertung einer Studie namens „Syntax“, für die unter Federführung von Patrick Serruys von der Erasmus-Universität Rotterdam 1800 Patienten mit vergleichbar gravierenden Verengungen von Herzkranzgefäßen mit einer der beiden Methoden behandelt wurden. Beide Verfahren im Kampf gegen die Verengung der lebenswichtigen Gefäße sind damit erstmals im großen Stil und unter fairen Bedingungen gegeneinander angetreten.

Ein Bypass ist eine Umleitung des Blutflusses vom verengten auf ein durchlässiges, zu diesem Zweck an einer anderen Körperstelle entnommenes Gefäß und setzt damit einen chirurgischen Eingriff voraus. Für Patienten, bei denen drei Gefäße verengt sind, lohnt er sich, wie die Langzeitbeobachtung der „Syntax“-Patienten nun zeigt: Vier Jahre nach dem jeweiligen Eingriff hatten 8,3 Prozent der Stent-Träger einen Herzinfarkt erlitten, aber nur 3,8 Prozent der Patienten, die einen Bypass bekommen hatten. Fast zwölf Prozent der Stent-Patienten, aber nur knapp neun Prozent der Bypass-Operierten waren verstorben.

Die Unterschiede zeigen sich allerdings nicht bei den vergleichsweise leichten und unkomplizierten Verengungen. Für Hetzer war es zudem eine Überraschung, dass die als gefährlich geltende Verengung des linken Hauptstamms in vielen Fällen mit einem Stent genauso effektiv behandelt werden konnte. Dagegen schneidet die Operation bei der gefürchteten Drei-Gefäß-Erkrankung, bei der alle Hauptäste der Herzschlagadern betroffen sind, deutlich besser ab. „Sind alle drei großen Koronararterien höhergradig verengt, dann geht die Schere des Behandlungserfolgs im Lauf der Jahre deutlich auseinander“, erläutert Hetzer.

Ergebnisse, die zur 2006 verabschiedeten und in Aktualisierung begriffenen „Nationalen Leitlinie chronische Koronare Herzkrankheit“ passen, für die Herzchirurgen und Kardiologen sich zusammengetan haben. Denn hier hat man sich schon geeinigt, Patienten mit Drei-Gefäß-Erkrankung den Chirurgen anzuvertrauen und die Stents nur da einzupflanzen, wo wenige Gebiete betroffen sind.

Und das, obwohl ein Stent den meisten Betroffenen spontan viel lieber sein dürfte als eine Operation. „Wir müssen unsere Patienten ehrlich über die Langzeitergebnisse aufklären“, fordert Hetzer. In vielen Fällen geben die Leitlinien vor, welches Verfahren die behandelnden Ärzte ihnen vorschlagen sollten. Über Grenzfälle sollte im Herz-Team gesprochen werden, zu dem sich Herzchirurgen und internistische Herzspezialisten regelmäßig treffen, empfehlen die Leitlinien der europäischen Fachgesellschaft.

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