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Blinken im Takt. Glühwürmchen synchronisieren mit der Zeit ihre Leuchtsignale. Diesen Effekt will Caire für die drahtlose Kommunikation nutzen.

© mauritius images

Synchronisieren von Signalen: Von Glühwürmchen lernen

Giuseppe Caire kam von L. A. nach Berlin. Er will die Datenübertragung schneller und effizienter gestalten.

„Ich bin ein altmodischer Mensch“, sagt Giuseppe Caire von sich selbst. Er liebt das persönliche Gespräch und klassische Musik, spielt selbst virtuos Klavier. Und doch arbeitet er als Visionär an einer der wichtigsten Technologien der Zukunft. Er wird dafür sorgen, dass sich 100 Menschen gleichzeitig online miteinander unterhalten können, Musik hören, einkaufen, Bilder oder Filme austauschen können. Giuseppe Caire ist Nachrichtentechniker und Informatiker. Ausgezeichnet mit dem höchsten Forschungspreis, den Deutschland zu vergeben hat, der mit 3,5 Millionen Euro dotierten Alexander-von-Humboldt-Professur, kam er vor einem Jahr aus Kalifornien an die TU Berlin und hat sich darangemacht, die drahtlose Kommunikation zu revolutionieren.

„Die Menschen treten heute am liebsten drahtlos miteinander in Kontakt, telefonieren, senden Bilder und Filme“, sagt der geborene Italiener. „Doch das Handynetz gerät an die Grenzen seiner Belastbarkeit und das sehr bald. Schon 2020 könnte es zusammenbrechen.“ Jeder Mensch verbraucht heute durchschnittlich ein Megabyte pro Sekunde. Bald werden es 100 Megabyte sein. Dafür reiche es nicht aus, die Bandbreiten zu erweitern, erläutert Caire, die gesamte Netzarchitektur müsse verändert werden.

Pionier der mobilen Datenübertragung

Für Mobilfunk, Bluetooth oder W-Lan hat Caire bereits an der University of Southern California die Grundlagen mitentwickelt und gilt als einer der führenden Forscher auf dem Gebiet. Er hat bahnbrechende Codierungsmethoden erfunden und die Standards, Protokolle und Systeme, die derzeit von der Industrie umgesetzt werden, nachhaltig beeinflusst. Er gehört zu den am häufigsten zitierten Wissenschaftlern, wie aus der Thomson-Reuters-Liste „The World’s Most Influential Scientific Minds 2014“ hervorgeht.

Anfang Juni zeichnete Vodafone ihn für seine Spitzenforschung bei der mobilen Datenübertragung mit dem Innovationspreis aus, der mit 25 000 Euro dotiert ist. Insbesondere wurden damit seine Forschungen gewürdigt, die zur Entwicklung einer neuen Antennen-Generation für eine schnellere Datenübertragung zwischen Smartphones und Mobilfunkstationen führten. Videotelefonie im dahinrasenden ICE, die Steuerung von Haushaltsgeräten über Handy oder Tablet oder auch mobil ferngesteuerte Autos sind damit keine Utopie mehr. Aus dem klassischen Handy wird ein „Super-Smartphone“ mit Übertragungsgeschwindigkeiten im Gigabyte-Bereich. Sogenannte „Mimo“-Antennen (Multiple Input, Multiple Output) ermöglichen mit bis zu fünf Gigabyte pro Sekunde eine viel schnellere Kommunikation der mobilen Endgeräte mit dem Netz.

Um das rasant steigende Datenvolumen übertragen zu können, kommen immer höhere Frequenzen zum Einsatz. Sie haben zwar eine höhere Bandbreite, doch Sender und Empfänger müssen möglichst nahe beieinander liegen, das heißt es werden viele Sendeantennen benötigt. Mehrere Basisstationen werden dafür miteinander gekoppelt, ihre verschiedenen Signale zu einem gemeinsamen Mischsignal verbunden und beim Empfänger wieder decodiert. Dieses Synchronisieren von Signalen ist jedoch eine große Herausforderung für Nachrichtentechniker. Giuseppe Caire hat sie den Glühwürmchen abgeschaut: „In einem Schwarm von Glühwürmchen blinkt erst jedes Glühwürmchen für sich. Wenn sie sich sehen, beginnen sie ihre Blinksignale zu synchronisieren. Und bald blinken alle Glühwürmchen im gleichen Rhythmus. Das ist der ,Glühwürmcheneffekt’, der unserem Schema zugrunde liegt.“

Der Dual Career Service der TU Berlin hilft den Partnern

An der universitären Forschung reizt Caire vor allem die Verbindung mit der Lehre. „Es macht mir großen Spaß mit intelligenten, aufgeweckten Studierenden zu arbeiten, die Fragen stellen, die neugierig sind und mit frischen Ideen herangehen und sich anstrengen“, sagt er. „Sie sind stolz auf ihre Arbeit und ich bin stolz auf sie. Es ist der Teil der Arbeit, den ich am meisten liebe.“

Bei Kollegen ist er anerkannt, denn der neue Professor bringt sich auch in den universitären Alltag ein. Adam Wolisz, der das Fachgebiet Telecommunications Networks an der TU Berlin leitet und eine Gastprofessur an der Universität in Berkeley (Kalifornien) innehat, sagt: „Die Klarheit, mit der er formuliert, die Präzision, mit der er seine Ideen präsentiert, sind beeindruckend. Kaum in Berlin angekommen, begann er sofort, seine Vorlesungen zu planen und beteiligt sich nun sehr aktiv an der Planung der Curricula für einen neuen Masterstudiengang.“

Einen solchen Mann von Los Angeles nach Berlin zu holen, war für die TU eine Herausforderung. Für seine experimentellen Ambitionen konnte die TU Berlin Giuseppe Caire zwar ein ideales Umfeld bieten. Doch es gab noch ein weiteres Plus. Der 50-Jährige ist verheiratet mit Isabella Fassola, Fachärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie. „Es war mir von Anfang an wichtig, dass meine Frau mich begleiten kann, und zwar nicht nur als Partnerin, sondern so, dass sie auch ihren eigenen Ambitionen folgen und glücklich und erfolgreich auf ihrem eigenen Gebiet sein kann.“ Nun kam der Dual Career Service der TU Berlin ins Spiel. Längst hat man erkannt, dass die „klugen Köpfe der Welt“ heute nicht mehr alles der Karriere unterordnen, sondern auch Ansprüche für Partnerschaft und Familie haben.

Der Dual Career Service unterstützt unter anderem die berufliche Neuorientierung des Partners neu berufener Professoren und vermittelt Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern der Region. Er konnte Isabella Fassola mit Handchirurgen an der Charité und am St.-Marien-Krankenhaus in Kontakt bringen und Hospitationsverträge abschließen. Der Weg für einen ersten Berufseinstieg in Deutschland war geebnet. Sobald sie ausreichend Deutsch gelernt hat, kann die Ärztin eine Approbation erwerben.

So kann Giuseppe Caire in Berlin, das er als viel ruhiger empfindet als Los Angeles, den Wechsel nach Deutschland genießen. „Zwar ist das Wetter nicht so schön wie in Kalifornien“, sagt er, „aber man muss hier keine Erdbeben und Dürren fürchten. Außerdem gibt es mehr Seen in der Umgebung.“

Patricia Pätzold

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