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Telemedizin: Kabelschnur zur Klinik hilft Herzkranken

Telemedizin-Projekt "Partnership of the Heart": Die Zunahme chronischer Altersleiden muss die Medizin nicht automatisch teurer machen. Und auch ältere Menschen können sich mit moderner Technik anfreunden.

Der Ort war passend gewählt: Gestern wurde im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eine Studie vorgestellt, die geeignet ist, gleich zwei Vorurteile ins Wanken zu bringen, ein volkswirtschaftliches und ein technikbezogenes. Die Ergebnisse des Telemedizin-Projekts „Partnership of the Heart“ zeigen nämlich: Erstens muss die Zunahme chronischer Altersleiden die Medizin nicht automatisch teurer machen. Und zweitens können auch ältere Menschen sich mit moderner Technik anfreunden.

Passend war der Ort aber auch, weil das Ministerium die klinische Studie zur telemedizinischen Betreuung von Patienten mit chronischer Herzschwäche („Telemedical Interventional Monitoring in Heart Failure“) mit rund acht Millionen Euro unterstützt hatte. Für Wirtschaftsminister Rainer Brüderle verbinden sich damit auch ökonomische Erwartungen: „Allein die Verringerung von Krankenhausaufenthalten kann den Kostenaufwand für Telemedizin kompensieren und darüber hinaus sogar Einsparungen ermöglichen.“ Für die Behandlung der rund 1,2 Millionen Bundesbürger mit einer Herzinsuffizienz werden derzeit etwa drei Milliarden Euro aufgewandt, der Löwenanteil entfällt auf Behandlungen im Krankenhaus.

Für die Studie waren 710 Patienten mit chronischer Herzschwäche und einer Pumpleistung des Herzens von weniger als der Hälfte des Normalen nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt worden: Die eine erhielt die übliche Betreuung durch Haus- und Fachärzte, die andere wurde zusätzlich „verkabelt“: Diese Herzleidenden aus Berlin-Brandenburg und aus der Region Stuttgart erhielten Geräte, mit denen sie selbst zu Hause zweimal täglich ihren Blutdruck messen, ein EKG aufnehmen und wegen der Wassereinlagerungen auch ihr Gewicht ermitteln sollten. Ergänzend dazu sollten sie ihr aktuelles Befinden selbst einschätzen. Die gewonnenen Daten wurden mithilfe moderner Technologien, die unter anderem die Firmen Bosch und Aipermon entwickelt hatten, per Handy ins Krankenhaus weitergeleitet und dort in eine elektronische Patientenakte übertragen. Außerdem bekam jeder Patient ein Notruf-System für zu Hause. In den telemedizinischen Zentren der Charité und des Stuttgarter Robert-Bosch-Krankenhauses wurden die eingegangenen Messwerte rund um die Uhr kontrolliert, damit bei Bedarf schnell reagiert werden konnte – ob nun vom Hausarzt oder in dramatischeren Fällen per Hubschrauber.

Vorangegangene Studien aus den USA hatten gezeigt, dass sich so viele Todesfälle vermeiden lassen. Die jetzige Studie, die unter Federführung der Charité entstand und wissenschaftlich deutlich strengeren Maßstäben genügt, konnte das allerdings nicht für die gesamte Gruppe der telemedizinisch betreuten Patienten zeigen. Dafür berichteten sie deutlich häufiger als die Herzkranken aus der Kontrollgruppe, ihre Lebensqualität habe sich verbessert. Offensichtlich beruhigt es die Betroffenen, auch in ländlichen Regionen, wo es zum Arzt weit ist, rund um die Uhr medizinisch gut überwacht zu werden. „Und die genaue Auswertung zeigt: Bei einer Kerngruppe von Patienten mit hohem Risiko gab es auch weniger Todesfälle, die sich auf Herz- und Kreislaufprobleme zurückführen ließen“, sagte Karl Max Einhäupl, Vorstandsvorsitzender der Charité. „Wir wissen also jetzt genauer, welche Patienten von solchen Systemen profitieren.“

In einer Folgestudie müsse das noch detaillierter belegt werden. Noch nicht abgeschlossen sind auch die Auswertungen, die sich auf eventuelle Einsparungen beziehen. „Auf jeden Fall geht es nicht darum, alle 1,2 Millionen Bundesbürger zu verkabeln, die unter einer Herzschwäche leiden“, sagte Charité-Herzspezialist Friedrich Köhler, Leiter des Zentrums für kardiovaskuläre Telemedizin. An der Bereitschaft der Betroffenen wird es nicht scheitern, das zeigt die neue Studie zur Alterskrankheit Herzschwäche deutlich: Die im Schnitt 67 Jahre alten Teilnehmer scheuten nach einer einstündigen häuslichen Schulung den Umgang mit der Technik nicht. Der Älteste von ihnen war 90 Jahre alt. Adelheid Müller-Lissner

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