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Das Praktikum in einem Fleischereibetrieb ist für Studierende der Veterinärmedizin in Deutschland verpflichtend. Für viele eine grauenvolle Vorstellung.

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Tiermedizin-Studium: Kritik am Pflichtpraktikum in der Schlachterei

Das Praktikum in einem Fleischereibetrieb ist für Studierende der Veterinärmedizin in Deutschland verpflichtend. Studierende der FU Berlin wollen diese Regel ändern, andere halten sie für sinnvoll.

Von Elias Reuter

Angehende Tierärzt:innen müssen ein dreiwöchiges Praktikum in einer Schlachterei absolvieren – auf den ersten Blick erscheint das paradox. Was hat das Schlachten von Tieren schon mit dem Erhalt ihrer Gesundheit zu tun? Doch wer in Deutschland ein Studium der Veterinärmedizin antritt, muss damit rechnen, früher oder später in einem solchen Betrieb zu arbeiten, denn der Lehrinhalt ist seit 1938 gesetzlich verordnet.

In diesen Praktika gehe es weniger um Tierwohl, sondern vielmehr um die Gesundheit von Menschen, die Fleisch von gesunden Tieren essen wollten, kritisiert Jasmin Weiler, die eigentlich anders heißt. Sie studiert Veterinärmedizin an der Freien Universität. Gemeinsam mit Kommiliton:innen macht sie sich dafür stark, das Schlachtereipraktikum aus dem verpflichtenden Lehrplan zu streichen.

Die Aufgabe der Tiermediziner:innen in einer Schlachterei umfasse vor allem zwei Schritte, sagt Weiler: „Die Tiere werden vor der Schlachtung untersucht, um zu sehen, ob sie gesund sind.“ Hinterher erfolgt die Fleischbeschau. „Dabei geht es in der Hauptsache darum, ob die Tiere essbar sind.“ Viele Studierende würden jedoch weder Fleisch essen noch hätten sie vor, später in der Tierproduktion zu arbeiten. Der Alltag in einer Schlachterei sei für einige deshalb eine psychische Belastung.

Wenn wir uns nicht in Schlachtereien für den Tierschutz einsetzen, tut es dort niemand.

Ein amtlicher Veterinärmediziner in der Tierschutzüberwachung

Auch Sascha Bergfeldt erinnert sich, dass er das Praktikum nur ungern gemacht hatte. Er ist amtlicher Veterinärmediziner in der Tierschutzüberwachung und trägt eigentlich einen anderen Namen. „Trotzdem betrachte ich es heute als äußerst sinnvoll“, sagt er. In den Schlachtbetrieben seien Tierärzte für die Umsetzung der Tierschutzgesetze zuständig. „Damit sind wir die einzigen und die letzten aufseiten der Tiere – wenn wir es nicht tun, tut es niemand“.

Mehr Tierschutz schon vor dem Schlachten

Machen die Tiere einen ungesunden Eindruck, kann das auf schlechte Haltungsbedingungen und Hygieneverstöße hinweisen. Obwohl dann schwere rechtliche Konsequenzen drohen, ist das Problem in der Praxis häufig. Für eine Studie der Tiermedizinischen Fakultät der Universität Leipzig aus dem Jahr 2016 wurden Studierende mehrerer Jahrgänge zu ihren Erfahrungen während der Schlachthofpraktika befragt. In etwa 85 Prozent der insgesamt 90 besuchten Betriebe stellten die Studierenden mehrere Tierschutzprobleme fest.

Die Kontrolle von Fleisch und das Verzeichnen bereits begangener Verstöße – für Jasmin Weiler ist das kein Tierschutz. Vor der Schlachtung sei das Thema dagegen viel wichtiger. Doch dass die Nachfrage nach Fleisch in Deutschland hoch ist, weiß auch Weiler: „Am Konsum wird sich so bald nicht viel ändern“. Bergfeldt sieht das genauso. Auch er benennt die Wirtschaftsinteressen der Betriebe als großes Problem. Wenn die Veterinärbehörden keine externen Tierärzte in die Betriebe schicken, würden nur die dort Beschäftigten die Untersuchungen vornehmen und diese hätten als Teil der Firma wohl nicht nur Tierschutz im Sinn.

Psychische Belastungen seien zudem Teil des tierärztlichen Alltags: „Es gehört zu dem Berufsfeld dazu, sehr emotionale Zustände auszuhalten“, meint Bergfeldt. Für ihn sei das Praktikum eine gute Vorbereitung gewesen. Kein Bereich der Tiermedizin komme ganz ohne diese Art von Belastung aus: „Die Tierschutzüberwachung muss im Lehrplan bleiben“.

Ähnlich sehen es auch die Dozent:innen von Jasmin Weiler. Das Anliegen, das Pflichtpraktikum aufzuheben, sei auch keine alleinige Sache der Hochschulen, sondern man müsste es auf die Bundesebene tragen – „aussichtslos“ meint der Tiermediziner. Eine frühere Spezialisierung im Studium werde aber durchaus diskutiert. Unter dem jetzigen Zustand leiden vor allem die Tiere. Dass sich daran etwas ändern muss, darin sind sich Studentin und Tierarzt einig.

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