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"Top Girls": Michelle Obama an der Salatschüssel

Die Feministin Angela McRobbie über Frauen in der neoliberalen Welt: Was auf den ersten Blick nach Emanzipation aussieht, ist oft nichts als Scheinemanzipation.

Bestürzte Gesichter bei den jungen Frauen im gut gefüllten Hörsaal der Freien Universität. Gerade hat die bekannte britische Feministin Angela McRobbie mit der erfolgreichen Mittelschichtsfrau abgerechnet, die in den Industrienationen seit einigen Jahren die oberen Etagen der Büros stürmt. Nun fragt sich manche Zuhörerin: „Bin ich nicht selbst ein solches ,top girl’?“

Tatsächlich kann jungen Frauen mit guten Abschlüssen, einem schönen Beruf und Spaß am Konsum die Freude daran im Hals stecken bleiben, wenn sie McRobbie hören. Denn nach Ansicht der Kulturtheoretikerin vom Goldsmith College in London ist, was auf den ersten Blick nach Emanzipation aussieht, nichts als Scheinemanzipation. Ja sicher, die Frauen steigen auf. Aber doch nur, weil die neoliberalen Regierungen das wollen, um ihre Sozialkassen zu entlasten und den Konsum anzukurbeln. So wird dann der berufliche Erfolg zum alleinigen Maßstab für gesellschaftliche Wertschätzung. Alleinerziehenden Müttern, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, gilt der abschätzige Blick vom Treppchen des wohlverdienten Erfolges aus.

Mütter ohne Partner werden verachtet, sagt Angela McRobbie.
Mütter ohne Partner werden verachtet, sagt Angela McRobbie.

© promo

Die erfolgreichen Mittelschichtsfrauen machen sich diesen Blick zu eigen: Wer tüchtig ist, kommt auch oben an, lautet ihr Mantra. Und damit den Männern die neue Konkurrenz am Arbeitsplatz nicht allzu wehtut, spielen sie mit den Tiefen ihres Dekolletés und stellen sich gerne auch mal ein bisschen dümmer, als sie sind. Um so gut auszusehen wie es das Schönheitsdiktat von ihnen verlangt, verbringen sie ihre spärliche Freizeit im Fitnessstudio und in der Shopping Mall. Den „alten Feminismus“ haben die Frauen, die es geschafft haben, nicht mehr nötig. In der neoliberalen Welt gelten sie darum als „neue Feministinnen“.

Eben dieses, die Besetzung eines ehrwürdigen Kampfbegriffes durch Anti-Feministinnen, ist aus McRobbies Sicht perfide und beunruhigend. Für das Top Girl ist die Brustvergrößerung ein emanzipatorischer Akt der Freiheit, den es sich dank seines beruflichen Ehrgeizes leisten kann. In ihrem letzten Buch „Top Girls“ von 2008 bringt McRobbie dies als „Verkomplizierung des Backlashs“ auf den Begriff.

Schon McRobbies Buch konnte, wie ihr Vortrag an der FU, leicht den Eindruck erwecken, sie wolle den Frauen ihre neue Unabhängigkeit madigmachen. War eben das nicht eins der ersten Ziele der Frauenbewegung? Und wie viel Lippenstift ist eigentlich erlaubt, um vor McRobbies Augen gerade noch als Feministin bestehen zu können?

An der FU, wo sie in der Reihe „Die Zukunft von Gender“ sprach, konnte sie manche Unklarheit ein Stück weit beseitigen. McRobbie argumentiert nicht individuell, sondern diskursanalytisch und stützt sich auf das Denken von Foucault, Butler, Fraser. Das „top girl“ ist für sie nicht die konkrete Frau von nebenan, die unfeministisch ist, weil sie sich an ihrem Erfolg freut. Vielmehr handelt es sich um eine Figur, die in der Bildsprache und der Rhetorik von Politik, Werbung und Medien als Leitbild für die Frau entworfen wird.

Wie auf diese Weise die neue Macht der Frauen unterminiert wird, illustrierte McRobbie mit einem Foto von Barack und Michelle Obama beim Barbecue. Er im sportlichen, leicht aufgeknöpften Hemd, das Fleisch auf dem Grill fest im Blick, sie im femininen Kleidchen brav vor der Salatschüssel: Während Michelle Obama sich selbst als Feministin betrachtet und eine eigenständige Karriere gemacht hat, präsentiert sie sich nun als domestizierte Präsidentengattin – und propagiert über ein solches Foto die Rollenverteilung der fünfziger Jahre.

Läuft eine beruflich erfolgreiche Frau also immer Gefahr, ein „top girl“ zu sein? Nein, beruhigt McRobbie ihre Zuhörerinnen: Es seien die soziale Verantwortung und der kritische Kopf, die eine Karrieristin zur Feministin machen.

- Die Reihe „Die Zukunft von Gender“ findet in diesem Semester jeden Donnerstag an der FU statt. Am 8. Dezember spricht Ida Dominijanni (Rom) über das Thema: „Perché la differenza sessuale/Warum sexuelle Differenz“ (Vortrag in italienischer Sprache mit deutscher Übersetzung). Am 15. Dezember spricht Katharina Pühl (Berlin) über "Gender&Diversity". Immer 18.15 Uhr, Hörsaal 2, Habelschwerdter Allee 45. Das gesamte Programm finden Sie hier.

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