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Ein Lehrer steht gestikulierend und lachend vor einer Schulklasse, die Schüler melden sich.

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Traumjob Schule: Lehrer – ein unverschämt attraktiver Beruf!

Häufig klagen Lehrkräfte, wie belastet sie sind. Sie sollten lieber die schönen Seiten ihres Berufs sehen, argumentiert unser Gastautor - selbst Lehrer und Buchautor. Und er macht ein paar Vorschläge, wie Lehrerkarrieren noch attraktiver werden können.

So, so: Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft stellt in seinem aktuellen Hochschulreport fest, dass der Lehrerberuf vor allem auf Abiturienten mit sehr gutem Abitur nicht besonders attraktiv wirkt. Dieses Ergebnis ist leider alles andere als eine Überraschung; schließlich bietet der Beruf kaum Aufstiegschancen. Und Aufstiegschancen beziehungsweise reale Karriereaussichten sind für ehrgeizige Abiturienten und Hochschulabsolventen wahrscheinlich deutlich wichtiger als ein 110-prozentig sicherer Arbeitsplatz, den in den meisten Bundesländern die Verbeamtung verspricht.

Die Lehrer selbst tragen bedauerlicherweise einen Teil der Verantwortung dafür, dass dieser verheerende Eindruck entstanden ist. Denn sie reden selten über etwas anderes als über ihre Arbeitsbelastung. Deshalb merkt niemand, dass der Lehrerberuf schon jetzt geradezu unverschämt attraktiv ist!

Nachmittage im Freibad verbringen - und dabei korrigieren

Fangen wir an: Lehrer können sich einen Großteil ihrer Arbeit selbst einteilen. Das ist in den wenigsten Berufen möglich. Es ist doch ein großer Luxus, während eines Championsleague-Viertelfinalhinspiels schnell einen Test zu korrigieren oder für den nächsten Tag Unterricht vorzubereiten. Vieles lässt sich durch geschickte Zweitzeitverwertung bestens organisieren. Das führt dazu, dass man seine Nachmittage durchaus im Freibad verbringen kann – und selbst dort ist es möglich zu korrigieren. Fünfzigstundenwochen lassen sich so bequem auf sechs oder sieben Tage verteilen (und Zeit für die Kinder bleibt auch).

Lehrer sind in der Zeit, die sie nicht selbst einteilen können, fast immer der Chef! Während ihrer Unterrichtszeit sind sie so eine Art Abteilungsleiter mit besonderen Vollmachten. Die Abteilungen heißen nur nicht Abteilung, sondern Klassenverband. Einen solchen Klassenverband führt ein Lehrer manchmal mehrere Jahre lang. Er trifft allein Entscheidungen. Er ist derjenige, der die Zügel in der Hand hält. Deshalb sind Führungsqualitäten und die Fähigkeit, selbstbewusst Entscheidungen zu treffen, für einen Lehrer so ungeheuer wichtig.

Der Lehrer und Buchautor Arne Ulbricht.
Der Lehrer und Buchautor Arne Ulbricht.

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Lehrer können ihr Hobby zum Beruf machen. Derjenige, der die französische Sprache liebt und Französisch unterrichtet, der verzweifelt vielleicht manchmal an Schülern, die die Nasallaute einfach nicht aussprechen können, aber dafür beschäftigt sich ein Lehrer durchgehend mit seinem Hobby. Wie ein Profifußballer, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat. (Ja, der Fußballer verdient mehr.) Wenn es diesem Französischlehrer gelingt, einen Schüler für Paris oder – das ist schwieriger – für Sartre und Camus zu begeistern und seine Leidenschaft weiterzugeben, gibt es kaum etwas Befriedigenderes.

Jung bleiben und von Schülern lernen, wie Whatsapp funktioniert

Das Großartigste: Als Lehrer begleitet man Kinder und Jugendliche in der wichtigsten Phase ihres Lebens. Man begleitet sie nicht nur, man nimmt direkten Einfluss auf sie! Wenn man sich nicht frustrieren lässt und in der Lage ist, das eigene Altern mit Humor zu nehmen, bietet der Beruf viel Verjüngungspotenzial. Und von neuen technischen Errungenschaften wird man sich nie schrecken lassen. Denn die eigenen Schüler sind diejenigen, die einem am geduldigsten und liebevollsten erklären, wie Whatsapp genau funktioniert.

Last but not least: Als Lehrer ist man frei! Im Sommer kann man eine kurze Hose anziehen, im Winter seinen Lieblingsfleece, und einen lästigen Schlips trägt nicht mal der Direktor. Als Lehrer muss man sich nicht verkleiden – man bleibt ein Individuum. Man bleibt schlicht und ergreifend man selbst. Zehn Banker kann man doch aus zehn Metern Entfernung nicht mehr voneinander unterscheiden. Selbst Bankerinnen kleiden sich meistens wie Banker.

Helfen würden Bonunszahlungen etwa für Organisatorisches

Aus diesen Gründen ist der Lehrerberuf schon jetzt äußerst attraktiv. Aber selbstverständlich ließe sich die Attraktivität steigern. Hier ein paar Vorschläge:

Das Problem ist nicht das Gehalt. Das Einstiegsgehalt ist vergleichsweise hoch, und mit vierzig verdient man ordentlich, aber im Vergleich zu leitenden Angestellten in Unternehmen oder Ärzten (die auch ständig jammern) sind die Lehrergehälter mit Sicherheit kein Grund für Spitzenabiturienten, Lehrer zu werden. Deshalb müssen die Gehälter unbedingt flexibel gestaltet werden. Schulen müssen ein Budget bekommen und dann die Gehälter selbst bestimmen. Bonuszahlungen für Lehrer mit besonders hohem Klausuraufkommen oder für besondere Leistungen – etwa die Organisation einer Schulpartnerschaft – wären gewiss ein Mittel, um die Attraktivität des Berufs zu erhöhen.

Ein gesunder Wettbewerb und die besten Lehrkräfte

Es muss ein Wettbewerb stattfinden! Dieser Wettbewerb ist quasi unmöglich, weil Lehrer sich nicht einfach „wegbewerben“ können. Sie müssen einen Versetzungsantrag stellen, und dieser Antrag muss vom Direktor und anschließend von der zuständigen Behörde genehmigt werden. Das ist doch absurd! Sollte ein Lehrer sich auf eine Stellenausschreibung an einer anderen Schule bewerben wollen – in welchem Bundesland sie auch immer liegt –, dann sollten einem solchen Lehrer keine Steine in den Weg gelegt werden. Denn nur so entsteht ein gesunder Wettbewerb einzelner Schulen um bestimmte Lehrkräfte.

Warum eine Schule einen Lehrer nicht mit der Aussicht auf besondere Bonusmöglichkeiten oder einem perfekten Arbeitsumfeld locken darf, ist vollkommen rätselhaft. In der Wirtschaft wird doch auch um die besten Kräfte geworben. Momentan wird mit der Aussicht auf Verbeamtung geworben. Mit der Aussicht auf Sicherheit. Mit solchen Aussichten holt man Spitzenabiturienten, die ehrgeizig sind und sich Herausforderungen stellen wollen, aber nicht ins Boot.

Der Autor unterrichtet an einem Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen die Fächer Französisch und Geschichte. Er ist Autor des Buchs „Lehrer, Traumberuf oder Horrorjob?“, das im Vandenhoeck & Ruprecht-Verlag erschienen ist.

Arne Ulbricht

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