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Kraftwerk

© dpa

Treibhausgas: Wegsperren, ertränken, verfüttern

Es gibt viele Ideen, um Kohlendioxid loszuwerden. Wie überzeugend sind sie?

Ohne Kohlendioxid (CO2) wäre Leben auf der Erde unmöglich. Doch mit dem Gas ist es auch nicht gerade einfach. Die Moleküle verhindern, dass Wärme von der Erde in den Weltraum abgestrahlt wird, wodurch sich die Atmosphäre aufheizt. Fieberhaft suchen Forscher nach Möglichkeiten, die CO2-Emissionen zu bremsen. Eine Lösung: das Klimagas direkt am Schornstein auffangen und in tiefe Erdschichten pressen.

Wie ein solcher Untergrundspeicher beschaffen sein muss, prüft derzeit das Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) in Zusammenarbeit mit mehreren Energieversorgern westlich von Berlin. Seit Anfang Juli wird Kohlendioxid in poröse Sandsteine unter dem Städtchen Ketzin gepumpt. 60 000 Tonnen des Gases sollen in den nächsten zwei Jahren dorthin gebracht werden. Sobald das Treibhausgas den Untergrundspeicher erreicht, wird es teilweise in dem dort vorhandenen Salzwasser gelöst. „Wie bei einem CO2-Sprudler für Erfrischungsgetränke“, sagt der Projektleiter Frank Schilling vom GFZ. Das übrige Gas verdrängt das Wasser und setzt sich in den Poren des Sandsteins fest.

Neu ist die Idee nicht. In der Erdölindustrie wird bereits seit Jahren CO2 in weitgehend leergeförderte Lagerstätten gepumpt, um noch mehr Öl herauszupressen. Mit dem Experiment in Ketzin wollen die Geoforscher herausfinden, was genau in einem solchen Untergrundspeicher passiert, um künftig große Mengen des Treibhausgases sicher wegzusperren.

Die Zeit drängt. Bereits in sechs Jahren wollen einige Energieversorger die ersten Großkraftwerke mit CO2-Abtrennung in Betrieb nehmen. Die dabei anfallende Menge an Gas ist beträchtlich: Die Energiebranche in Deutschland erzeugt jährlich rund 350 Millionen Tonnen CO2. „Bezogen auf Kohlekraftwerke reichen die potenziellen Speicher hierzulande für 40 bis 80 Jahre“, sagt Schilling.

Die Technologie ist aber nicht billig: Das Kohlendioxid muss aus dem Abgas eines Kraftwerks abgetrennt werden und per Kesselwagen oder Pipeline zum unterirdischen Speicher gelangen, der zuvor eingerichtet und jahrzehntelang überwacht werden muss. Noch stehen die Entwickler am Anfang und es ist unklar, was das alles am Ende kosten wird: 20 bis 35 Euro pro Tonne CO2 schätzen die Energieversorger, bis zu 80 Euro der Weltklimarat. „Andererseits müssen wir im Emissionshandel auch für CO2 aufkommen, gegenwärtig mit 26 Euro pro Tonne“, sagt Damian Müller von Vattenfall. Ab einem bestimmten Preis würde es sich also durchaus lohnen, das Geld in die CO2-Speicherung zu investieren.

Allerdings sinkt durch die zusätzlichen Anlagen zur CO2-Abtrennung die Effizienz der Kohlekraftwerke. Heute liegt sie bei 44 Prozent. „Wir schätzen, dass der Wirkungsgrad CO2-armer Kraftwerke bis zu zehn Prozentpunkte unter dem liegt, was in gut sechs Jahren theoretisch möglich sein wird“, sagt Müller. Das heißt: Um die gleiche Menge Strom zu produzieren, muss etwa ein Zehntel mehr Kohle abgebaut und verbrannt werden.

Dieser Aufwand lohnt sich nur, wenn das Klimagas dauerhaft im Untergrund bleibt. Mindestens 10 000 Jahre sollten die Speicher dicht halten, damit die Atmosphäre langfristig entlastet wird, fordert der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU). „Das bedeutet, dass aus den Lagerstätten jährlich maximal 0,01 Prozent des gespeicherten Kohlendioxids entweichen darf“, sagt Astrid Schulz, Klimareferentin beim WBGU. Ob das möglich ist, muss das aktuelle Forschungsprojekt in Ketzin zeigen – ebenso wie die weiteren Ansätze zur CO2-Speicherung. Eine Idee ist, das Treibhausgas in die Tiefsee zu leiten. „Das kann eine kurzzeitige Entlastung für die Atmosphäre bringen“, sagt Schulz. „Langfristig stellt sich aber ein Gleichgewicht der CO2-Gehalte von Atmosphäre und Ozeanen ein, so dass Teile des Treibhausgases letztlich doch in die Lufthülle gelangen.“

Noch heftiger umstritten ist die Klimarettung mittels Eisendüngung der Meere: Das Metall dient als Nährstoff und soll Algenblüten auslösen. Die Mikroorganismen wiederum würden einen Teil des Kohlendioxids für ihren Stoffwechsel verwenden und damit dem Wasser, und indirekt auch der Atmosphäre, entziehen. „Bei einem derart massiven Eingriff in die Ozeane sind die Folgen für die Ökosysteme kaum abzuschätzen“, warnt Schulz. „Wir raten dringend davon ab.“

Bioreaktoren an Land, die nach einem ähnlichen Prinzip arbeiten, lösen hingegen Begeisterung aus. Es klingt überzeugend: Direkt an der Quelle sollen Einzeller das Klimagas einfach auffressen. Dazu wird das Abgas von Kraftwerken in eine trübe Brühe mit Milliarden von Algen geleitet, die das Treibhausgas zum Überleben brauchen.

Ende August wird in Hamburg neben einem Blockheizkraftwerk des Energieversorgers Eon-Hanse eine Algenfarm eröffnet , die 400 Tonnen CO2 pro Jahr verwerten soll. „Das ist aber nur ein angenehmer Nebeneffekt“, stellt der Projektleiter Martin Kerner von der Firma Strategic Science Consult klar. „Was wir wollen ist: Biomasse, Biomasse, Biomasse.“ 150 Tonnen sollen es jedes Jahr sein, die als Energierohstoff, Futtermittel oder Basis für Kunststoffe verwendet werden können. Algen hätten den Vorteil, dass sie weder Zellulose noch holzige Bestandteile haben, die bei der Nutzung von Biomasse manchmal Probleme verursachen. „Im Vergleich zum Anbau von Energiepflanzen können wir auf der gleichen Fläche zehn Mal so viel Biomasse erzeugen“, behauptet Kerner. Dazu werden Glaskästen aufgestellt, in denen die Algenbrühe zur Sonne hin ausgerichtet wird. Von dort bekommen die Einzeller die nötige Energie, um ihren Stoffwechsel in Schwung zu halten.

Eine langfristige Entsorgung von CO2 gewährleisten die Einzeller allerdings auch nicht: Egal ob Fischfutter, Rohstoff für Biogasanlagen oder Biobaustoff – der in den Algen gebundene Kohlenstoff gelangt früher oder später zurück in die Atmosphäre. Dennoch: „Indem man das CO2 aus Abgasen nutzt, wird der Kohlenstoff quasi doppelt verwendet“, sagt Kerner. „So spart man fossile Rohstoffe, was letztlich auch dem Klima zugutekommt.“

Dafür ist aber viel Platz vonnöten. Der Ozeanograf Laurenz Thomsen von der privaten Jacobs Universität in Bremen arbeitet an einem ähnlichen Projekt. Nach seiner Schätzung kann eine ein Quadratkilometer große Algenfarm 20 000 Tonnen CO2 pro Jahr umsetzen. Für ein normales Kohlekraftwerk wie etwa Schwarze Pumpe in Brandenburg müssten sich die Bioreaktoren auf 500 Quadratkilometer erstrecken, um das anfallende Kohlendioxid zu verwerten. „Solche großen Areale sind in Deutschland kaum zu finden, aber zum Beispiel in Nordafrika“, sagt Thomsen. Das Platzproblem hierzulande mache deutlich, dass es bei der Reduktion der CO2-Emissionen keinen Königsweg gebe. „Letztlich führt nur die Kombination mehrerer Maßnahmen zum Ziel.“

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