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TURNERS Thesen: Bachelor auch für Juristen

Das gestufte Studiensystem mit dem Bachelor als erstem berufsqualifizierendem Abschluss gilt nicht für Juristen. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Jahr 2005 wurde sogar festgehalten, dass für Juristen die Regelung nicht erforderlich sei.

Das gestufte Studiensystem mit dem Bachelor als erstem berufsqualifizierendem Abschluss gilt nicht für Juristen. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition aus dem Jahr 2005 wurde sogar festgehalten, dass für Juristen die Regelung nicht erforderlich sei. Nach dem Studium und dem ersten Staatsexamen schließt sich die Referendarzeit an. Den Abschluss bildet dann das Assessor-Examen.

Spitzenabsolventen werden ihren Weg gehen. Anders ist es bei denen, die sich unterhalb des Durchschnitts bewegen. Da freie Stellen in Justiz, Verwaltung oder Wirtschaft nur begrenzt zur Verfügung stehen, kommt es zu einem dramatischen Anstieg der Zulassungen als Rechtsanwalt. Welche Folgen es für das Rechtssystem hat, wenn Vertreter der Zunft krampfhaft bemüht sein müssen, Fälle „an Land zu ziehen“, ist klar. Nur wenn man zynisch ist, kann man einer solchen Entwicklung etwas abgewinnen: Je mehr Rechtsanwälte ihre Klienten zu Klagen raten, desto größer ist der Bedarf an Richtern – somit ein mittelbares Arbeitsbeschaffungsprogramm. Versuche einiger Justizminister der Länder oder auch einzelner Rechtsfakultäten, den Bachelor als Regelabschluss nach sechs bis acht Semestern einzuführen und eine deutliche Hürde vor einem weiterführenden Studium aufzubauen, werden von der Mehrzahl der Fakultäten abgelehnt. Man würde dann nur Billigjuristen produzieren, die schlecht bezahlt werden.

Als wenn das jetzt anders wäre. Nur haben die schlecht bezahlten Juristen derzeitig eine mindestens doppelt so lange Ausbildung hinter sich und sind in vielen Tätigkeitsbereichen, auf die sie ausweichen müssen, überqualifiziert.

Auch wenn man skeptisch gegenüber Bedarfsprognosen ist: Es werden zu viele Juristen ausgebildet, die später in keine ihrer Qualifikation entsprechenden Position gelangen. Ist es dann nicht besser, wenn ein Berufsabschluss zu einem früheren Zeitpunkt auf einer geringeren Qualifikationsstufe erfolgt und so auch die Vorstellungen und Einsatzfelder und Einkommen eher der Realität entsprechen?

Die Gralshüter der klassischen Juristenausbildung haben offenbar immer noch nicht begriffen, dass für Studierende in sogenannten Massenfächern ein anderes Studiensystem angebracht ist als es für kleine Kohorten angemessen war.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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