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Turners Thesen: Netzwerke haben ein Geschmäckle

Es ist noch nicht lange her, da waren Netzwerke suspekt. Man sprach von Vetternwirtschaft. Das dies nicht mehr so ist, macht es nicht besser.

Wer rühmt sich nicht alles, über exzellente Netzwerke zu verfügen! Gemeint ist, dass durch eine Mitgliedschaft oder Nähe zu der werbenden Institution beste Kontakte entwickelt werden können oder sich automatisch ergeben. Mit solchen Möglichkeiten wollen Vereine, wirtschaftliche oder gemeinnützige Organisationen, private Zusammenschlüsse usw. usw. auf sich aufmerksam machen.

Es ist noch nicht lange her, da waren entsprechende Bevorzugungen suspekt. Man sprach von Vetternwirtschaft, Protektion oder Schiebung, wenn sich auf einer entsprechenden Basis Chancen oder sogar Vorteile ergaben. Mit der Wende 1989/90 kam der Begriff Seilschaft in Mode.

Inzwischen scheinen Netzwerke und die sich daraus ergebenden Konsequenzen hoffähig zu sein; selbst ein „Geschmäckle“ wird nicht mehr registriert. Das mag daran liegen, dass es nicht mehr das Privileg einer bestimmten Schicht ist, über Drähte zu verfügen, die den persönlichen Kontakt ermöglichen und so das Erreichen von Zielen erleichtern. Mit dem allgemeinen Zugang zu Netzwerken unterschiedlicher Art und auf verschiedenen Ebenen ist eine Inflationierung eingetreten und der Makel verschwunden, der ursprünglich allem anhaftete, was auf Grund von „Beziehungen“ zustande gekommen war.

Damit sind die Gefahren und Verwerfungen, die auf solche Weise entstehen können, nicht harmloser geworden. Das gilt auch für den Bereich der Wissenschaft und der Institutionen, die über ihre Förderung entscheiden. Da wird ein Universitätspräsident schon mal als begnadeter Netzwerker tituliert, Wissenschaftler wegen ihrer Zugehörigkeit zu überregionalen Gremien der Forschungsförderung als unverzichtbare direkte Ansprechpartner im Geflecht der Wissenschaftsorganisationen gepriesen. Wenn lange „Schulen“ und ihren Anhängern Einfluss auf Berufungen und damit Einseitigkeit in der Ausrichtung von Fächern vorgeworfen wurde, ist es heute die Sorge, Orts- oder Fach“kartelle“ könnten dominieren.

Während man im Kaiserreich und zum Teil noch später „Truppenteil oder Korporationszugehörigkeit“ kennen musste, um Beziehungsgeflechte auszumachen, sind es heute Partei- oder Gewerkschaftsmitgliedschaft, die nicht selten das überraschende Zustandekommen von Ergebnissen, vor allem Personalentscheidungen erklären.

Ungefährlicher sind sie darum nicht.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-mail schicken: g.turner@tagesspiegel.de

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