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Flieg, Robo, flieg. Die Libellendrohne wurde vom deutschen Unternehmen Festo entwickelt und im Frühjahr auf der Hannovermesse vorgestellt.

© picture alliance / dpa

Unbemannte Fluggeräte: Drohnen beflügeln die Forschung

Sie gelten als Spielzeug von Geheimdiensten und Militärs. Doch längst haben Wissenschaftler Drohnen für sich entdeckt und nutzen sie, um Vulkane zu erkunden und bedrohte Tierarten zu zählen - oder auch die James Bond-Melodie zu spielen.

Rund 300 Euro, ein paar Klicks im Internet für die Bestellung und eine handelsübliche Kamera – mehr braucht es nicht für die private Mini-Drohne. Der Elektronikmarkt Conrad bietet mit seinem Quadrocopter 450 ARF beispielsweise so ein Einsteigermodell an. Die Steuerung solcher Flieger ist denkbar einfach: Standardmäßig werden sie heute über das Tablet oder das iPhone manövriert. Auch rechtlich gibt es kaum Hürden. Genehmigungspflichtig sind die privaten Drohnenflüge nur, wenn das Fluggerät mehr als fünf Kilo wiegt. Allerdings muss der Flug in den meisten Bundesländern unterhalb von 100 Metern und immer innerhalb der Sichtweite der Person am virtuellen Steuerknüppel erfolgen. Auf freier Fläche entspricht das einer Entfernung von maximal 300 Metern.

Auch wenn über Drohnen meist im Zusammenhang mit Militäraktionen und Spähprogrammen diskutiert wird: Die Fluggeräte können weit mehr. Die immer günstigeren Mini-Drohnen haben sich nicht nur als Überwacher von großen Industrieanlagen und Windrädern etabliert. Polizei, Feuerwehr und Bergwacht nutzen sie auch bei der Suche nach Vermissten oder Verschütteten. Und längst hat auch die Wissenschaft den Nutzen der unbemannten Fluggeräte entdeckt.

Zwei Exemplare des riesigen Global Hawk etwa, Grundlage des gescheiterten EuroHawk-Projektes, werden von der Nasa für Forschungszwecke verwendet. Wissenschaftler haben mit ihnen die Ozonschicht vermessen und sie 2010 in den Hurrikan Earl fliegen lassen, um Daten über den Sturm zu sammeln. Andere Forscher nutzen Mini-Drohnen, um Vulkane und Eiswüsten zu erkunden oder zu zählen, wie viele Orang-Utans es noch gibt. „Wir befinden uns gerade im Übergang von militärischen Anwendungen hin zum vermehrten zivilen Gebrauch“, sagt Stephen Prior, Experte für solche unbemannten Mikrofluggeräte an der Universität von Southampton. Wissenschaftler sprächen zwar schon seit mehr als einem Jahrzehnt von der Technik, so der Elektrotechnikingenieur, „doch erst jetzt, wo Mikroprozessoren günstig, klein und leistungsfähig sind und die Steuerungstechnik verlässlicher und anwendungsfreundlicher wird, können die einstigen Visionen der Kleinstfluggeräte auch in der Breite umgesetzt werden.“

Polarforscher setzen Drohnen seit mehr als zehn Jahren ein

Mit den kleinen Selbstbau-Drohnen werden etwa Bestandsaufnahmen von Waldflächen und Vegetation oder das Aufspüren von illegalen Rodungen möglich. Wissenschaftler um Lian Pin Koh, Ökologe an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und Serge Wich, Biologe an der Universität Zürich, setzen auf dieses Verfahren, um schwer zugängliche Waldgebiete im Norden der indonesischen Insel Sumatra zu überwachen. Ihr mit Kameras, Sensoren und GPS ausgestattetes ferngesteuertes Fluggerät haben sie bereits dazu eingesetzt, den Rückgang der Waldgebiete in der Region zu dokumentieren sowie Orang-Utans und andere bedrohte Arten zu zählen. Und der World Wide Fund for Nature (WWF) nutzt in Indien inzwischen Kleinstdrohnen, um Wilderern auf die Spur zu kommen. Trotz ihrer Vorteile werde die Technik für den Naturschutz aber noch kaum eingesetzt, sagt Koh, der hofft, dass sich das bald ändert.

Unter Polarforschern sind die kleinen Drohnen hingegen seit über einem Jahrzehnt im Einsatz. James Maslanik, Luftfahrtingenieur und Experte für Fernerkundung an der Universität von Colorado in Boulder, arbeitete an vielen Studien mit, in denen Drohnen seit dem Jahr 2000 die Beschaffenheit des Meereises in den Polarregionen untersuchten. Die unbemannten Aufklärer drangen dabei in Gebiete vor, die für einen bemannten Flug zu gefährlich wären. Selbst bei starkem Wind und Temperaturen jenseits von minus 40 Grad Celsius sammelten sie im Tiefflug Daten für die Forschung, sagt Maslanik.

Die Mini-Drohnen werden aber nicht nur zur Erkundung ferner Gebiete eingesetzt. In Oberösterreich nutzen Jäger sie zum Schutz von Rehkitzen. Eine Kamera unter dem Fluggerät spürt dort junge Rehe auf, die sich im hohen Gras verstecken. Jedes Jahr fallen Hunderte der scheuen Kitze Mähdreschern zum Opfer, da sich das Jungwild anstatt zu flüchten platt auf den Boden drückt. Damit ist es dem Tode geweiht – der Fahrer hat aus seiner Kanzel kaum eine Chance, die Tiere zu entdecken. Zusammen mit Forschern der Technischen Universität München entwickeln die Jäger nun eine möglichst günstige Kitz-Suchdrohne. Normale Kameratechnik kombiniert mit einer Infrarot-Variante soll die Jungtiere künftig noch schneller aufspüren. Die Fundstelle wird mittels GPS auf einer Karte markiert, woraufhin ein Jäger das Reh aus dem Feld holt – und erst wieder aussetzt, wenn das Feld abgemäht ist.

Derzeit seien kleinste Militär-Drohnen, wie der Black Hornet, entwickelt von dem Drohnenspezialisten Proxdynamics aus Norwegen, noch das Maß der Dinge, sagt Prior. Für den Forschungseinsatz, etwa um die Gase eines Vulkans zu analysieren, sei die Technik mit Kosten von 146 000 Euro pro Stück zwar viel zu teuer, die Wissenschaft profitiere von solchen militärischen Entwicklungen aber dennoch: So stellte Darpa, der Forschungszweig des US-Pentagons, Mitte 2011 eine Kleinstdrohne vor, die einem Kolibri nachgeahmt ist. Im Spionage-Einsatz sei der Nano Hummingbird (engl. für Kolibri) laut den US-Streitkräften noch nicht. Dafür inspiriert er die Drohnen-Entwickler seither zu wendigeren Systemen.

Die Darpa-Drohne - wie Black Hornet

Wie Black Hornet verfügt die Darpa-Drohne über einen Elektroantrieb, einen Akku, ein Kommunikationssystem sowie eine Videokamera. In der Luft hält sich der Roboterkolibri, indem er ultraschnell mit seinen Kunstflügeln schlägt, genau wie sein natürliches Vorbild. Der Nano Hummingbird kann vorwärts- und rückwärtsfliegen, blitzschnell senkrecht auf- oder absteigen, sich drehen oder auf einer Höhe seitwärtsfliegen. Der Haken: Noch muss der Kunst-Kolibri per Hand gesteuert werden.

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Programmierbare Drohnen, die ähnlich wendig sind, wären auch für wissenschaftliche Anwendungen sinnvoll. Etwa zur Beobachtung von Tieren im schwer zugänglichen Geäst des Regenwaldes, sagt Prior.

Von der Natur lassen sich auch andere Forschergruppen zu Mikrodrohnen inspirieren: So haben Wissenschaftler des deutschen Unternehmens Festo zur diesjährigen Hannover Messe eine Roboterlibelle entwickelt. Sie ist mit rund 45 Zentimetern Länge und einer Spannweite von über 60 Zentimetern deutlich größer als ihr Vorbild und laut Festo nur als Showcase gedacht. BionicOpter, so der Projektname der Robo-Libelle, zeigt aber bereits jetzt eine außerordentlich gute Manövrierbarkeit. Deutlich kleiner hingegen ist die Roboterbiene, die US-Wissenschaftler des Microrobotics Laboratory der Harvard-Universität Mitte Mai erstmals haben abheben lassen. Noch allerdings an einem Kabel – die Energieversorgung an Bord sei noch ein ungelöstes Problem, sagen die Entwickler. Bemerkenswert bei diesem Projekt ist vor allem der geplante Einsatzzweck: Die künstlichen Bienen sollen die Folgen des weltweiten Bienensterbens abmildern und eines Tages Obstbäume bestäuben.

Prior zweifelt zwar an der Umsetzbarkeit der künstlichen Bienen, aber das Projekt zeige, wie weit sich die Mikrodrohnen entwickelt hätten. Er selbst forscht an größeren Modellen, die etwa den Schiffsverkehr im Ärmelkanal überwachen sollen. Abgesehen hat es der Forscher vor allem auf Umweltsünder, die ihre Ballasttanks unerlaubterweise auf hoher See spülen oder Öl ablassen. Kleinere Drohnen optimieren Prior und sein Team auf Luftschadstoffmessungen, Katastropheneinsätze oder Grenzüberwachung.

Könnten Drohnen ihren Weg künftig selbst finden?

Auch Hartmut Surmann, Experte für Autonome Systeme am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme in Sankt Augustin setzt auf die kleinen Späher. Er arbeitet an einer Drohne, die vor allem in Katastrophengebieten eingesetzt werden soll. Die Feuerprobe hat das Fluggerät mit acht Rotoren, das innerhalb des noch bis Ende dieses Jahres laufenden EU-Projektes „Natural Human-Robot Communication in Dynamic Environment“, kurz Nifti, entwickelt wurde, bereits mit Bravour bestanden. Im Oktober letzten Jahres, nach einem Erdbeben im italienischen Mirandola nahe der Stadt Modena, erkundete seine Drohne die dort verwüsteten Kirchen. „Für einen Menschen wäre es viel zu gefährlich gewesen, die Kirchen zu betreten“, sagt Surmann. Sein kleiner Flugroboter lieferte hochauflösende Videoaufnahmen der einsturzgefährdeten Räume sowie der darin befindlichen Kunstgegenstände. Die 3-D-Bilder, die ein Laserscanner an Bord der Drohne zusätzlich aufnahm, zeigten nicht nur das Ausmaß der Zerstörung, sondern halfen anschließend auch bei der Rekonstruktion der beiden Kirchen, berichtet der Forscher.

Während viele Drohnen, wie auch die im Nifti-Projekt noch per Hand und auf Sicht gesteuert werden, arbeitet die ETH Zürich daran, dass die kleinen Flieger ihren Weg künftig selbst finden. Dazu berechnen die Mini-Drohnen aus Kameraaufnahmen in Echtzeit ein genaues Bild ihrer Umgebung. Die Methode funktioniert ohne GPS oder Fernsteuerung und ist so exakt, dass die Schweizer Drohnen sogar selbstständig in geschlossenen Räumen navigieren können. GPS wäre hier mit einer Abweichung von rund drei Metern zu ungenau – einem Balken kann nicht ausgewichen werden. Das volle Potenzial werden die unbemannten Forschungshelfer aber erst entwickeln, wenn sie lernen im Schwarm zu kooperieren. Was auf diesem Gebiet möglich ist, haben Forscher um Vijay Kumar von der University of Pennsylvania in Philadelphia in einem Youtube-Video eindrucksvoll gezeigt: Ihr dressierter Drohnenschwarm spielt auf mehreren Instrumenten die James-Bond-Melodie.

Denis Dilba

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