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Gelesen. Ein Gesetzentwurf sieht Vereinfachungen beim Urheberrecht für wissenschaftliche Einrichtungen vor.

©  Mike Wolff

Reform bei Regeln für die Wissenschaft: Union streitet über Urheberrecht

Das Urheberrecht in der Wissenschaft soll vereinfacht werden. Jetzt streitet die Union über die Reform: Rechtsexperten drängen auf weitere Änderungen zugunsten der Verlage, Wissenschaftsexperten verteidigen den Gesetzentwurf.

Das Urheberrecht soll für die Wissenschaft vereinfacht und etwas gelockert werden – das ist das Ziel eines Gesetzentwurfes, den die Bundesregierung unlängst vorgelegt hat. In erster Lesung ist er bereits im Bundestag behandelt worden. Doch ob das Gesetz wie vorgesehen noch in den letzten Sitzungen dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, ist derzeit völlig unklar. Denn vor allem die Unionsfraktion ist gespalten. Insbesondere die Rechtspolitiker von CDU und CSU drängen auf weitere Änderungen zugunsten der Verlage.

Dass die bislang geltenden Regelungen selbst für Experten verwirrend sind, gestehen sogar Kritiker der Reform zu. Leidtragende sind derzeit etwa Dozenten, die Studierenden Werke in digitalen Semesterapparaten zugänglich machen wollen: Die Rechtslage stellt sie allein wegen der Komplexität immer wieder vor Hürden. Daher sieht der Gesetzentwurf zahlreiche Vereinfachungen und Klarstellungen vor. Hochschulen und wissenschaftliche Bibliotheken sollen künftig bis zu 15 Prozent eines Werkes Studierenden und Forschern zur Verfügung stellen können, ohne Verlage vorher um Erlaubnis fragen zu müssen. Bisher ist der Anteil gesetzlich gar nicht beziffert, laut der gängigen Rechtsprechung liegt er bei 12 Prozent.

Im Kern der Auseinandersetzung geht es jetzt darum, wann diese Ausnahmen im Urheberrecht für die Wissenschaft – im Fachjargon „Wissenschaftsschranke“ genannt – überhaupt gelten sollen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Wissenschaftsschranke prinzipiell immer greift. Dozenten würde das eine Nutzung sehr erleichtern. Die genutzten Werke würden dann pauschal über die Verwertungsgesellschaften abgerechnet. Dass Nutzungen prinzipiell bezahlt werden müssen, stellt in der Wissenschaft niemand in Abrede.

Sollen Verlagsangebote vorgezogen werden?

Die Kritiker in der Union wollen dagegen genauso wie die Verlage diesen prinzipiellen Vorrang kippen. Sie fordern, dass ganz im Gegenteil „angemessene Lizenzangebote“ von Verlagen immer vorgezogen werden. Dozenten müssten dann zunächst prüfen, ob es ein solches Angebot vom Verlag gibt, bevor sie ihren Studierenden Auszüge von Werken zur Verfügung stellen. Nur wenn ein solches Angebot nicht vorliegt, würde die Pauschalvergütung in Kraft treten. „Der Gesetzentwurf ist nur zustimmungsfähig, wenn die Verlage eine faire Chance bekommen, selbst Verträge mit den Bildungseinrichtungen über die Nutzung der Werke zu schließen und dadurch eine Vergütung zu erhalten“, sagt Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU im Bundestag. Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte unlängst, ein fairer Interessenausgleich sei „bisher nicht gelungen“. Die Kritiker setzen sich umso mehr für den Vorrang der Verlagsangebote ein, weil Verlage nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofes nicht mehr automatisch von der Ausschüttung durch die VG Wort profitieren, sondern diese zunächst nur an die Autorinnen und Autoren gehen.

Würden sich die Kritiker durchsetzen, wäre der Charakter des Gesetzes massiv geändert. Aus Sicht der Hochschulen bliebe die Nutzung von Texten etwa in den digitalen Semesterapparaten weiter unzumutbar kompliziert. Sie argumentieren, dass Dozenten in der Praxis gar nicht prüfen können, ob bei jedem Text ein Angebot vorliegt und ob das dann auch noch angemessen ist. Im Endeffekt würde das dazu führen, dass Hochschulen Texte gar nicht mehr einsetzen – wovon auch die Verlage nichts haben.

Die SPD sieht bereits eine Güterabwägung zwischen Wissenschaft und Verlagen

Die Wissenschaftspolitiker in der Union setzen sich daher für den vorliegenden Entwurf ein. Dieser sei bereits ein Kompromiss, sagt Michael Kretschmer, als stellvertretender Fraktionsvorsitzender für Bildung und Forschung zuständig: „Er muss nun zügig umgesetzt werden.“

Die SPD-Fraktion steht ohnehin geschlossen hinter dem Gesetzentwurf, wie Marianne Schieder, Berichterstatterin für die SPD zu dem Thema im Bildungsausschuss, sagt: „Wenn der Lizenzvorrang für Verlage kommt, wird die Situation genauso unübersichtlich sein wie bisher.“ Der vorliegende Entwurf sehe aus Sicht der SPD bereits eine gerechte Güterabwägung zwischen den Bedürfnissen von Wissenschaft und Verlagen vor.

Ähnlich sieht es das unionsgeführte Bildungsministerium: Man setze darauf, dass der im Regierungsentwurf enthaltene Interessensausgleich in den abschließenden Regelungen aufrechterhalten bleibe, heißt es.

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