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Vergleich der Bildungssysteme: Bildung ist gesund

Wer studiert hat, dem geht es nicht nur finanziell, sondern auch sozial besser, heißt in der Studie der OECD "Bildung auf einen Blick", die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Bildung mehrt den privaten und den öffentlichen Wohlstand. Sie wirft aber weit mehr ab als wirtschaftliche Rendite: Menschen mit einem höheren Bildungsabschluss sind im Schnitt politisch interessierter, gesünder und vertrauen eher ihren Mitmenschen als es auf mittlerem Niveau Qualifizierte tun. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Studie „Bildung auf einen Blick“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Es ist das erste Mal, dass die Bildungsforscher der OECD für ihre jährlich erscheinende Studie auch die sozialen Erträge von Bildungsinvestitionen untersucht haben.

Zum ersten Mal hat die OECD auch genau berechnet, welche finanzielle Rendite ein Studium über das gesamte Berufsleben bringt. Männer in Deutschland, die direkt nach der Schule studieren, können demnach mit einem „Einkommensbonus“ von im Schnitt 150 000 Euro (175 000 US-Dollar) rechnen. Frauen, die weniger Lohn bekommen und häufiger nur Teilzeit arbeiten, erhalten im Schnitt einen Einkommensbonus von 95 000 Euro (110 000 US-Dollar). Damit liegen deutsche Akademiker unter dem OECD-Schnitt von 186 000 US-Dollar für Männer und 134 000 US-Dollar für Frauen. In den USA, Italien und Ungarn ist der Einkommensvorsprung für Akademiker hingegen besonders hoch, in den nordischen Ländern niedriger.

Für Einkommensausfälle während des Studiums und direkte Ausbildungskosten werden Akademiker von der späteren Bildungsrendite reich entschädigt, geht aus der Studie hervor. In Deutschland profitieren die Akademiker besonders von ihrer geringen Arbeitslosigkeit – für Männer ergibt sich demnach ein weiterer Einkommensvorteil von 32 000 Euro. Das ist nach Polen der höchste Wert in der OECD: Ein deutscher Akademiker liegt damit viermal über dem OECD-Schnitt. „Ein Studium ist langfristig ein guter Schutz gegen Arbeitslosigkeit“, erklärte Barbara Ischinger, OECD-Direktorin für Bildung, am Dienstag in Berlin.

Aus Sicht der OECD verweisen die Einkommensvorsprünge der Studierten sowie ihre deutlich geringere Arbeitslosenquote in Deutschland sogar darauf, „dass der Bedarf der Wirtschaft an Hochqualifizierten durch das deutsche Bildungssystem nicht ausreichend gedeckt wird“. Das entspricht der Beobachtung, dass sogar in den 30 OECD-Ländern mit der größten Hochschulexpansion in den letzten Jahrzehnten Akademiker nicht notwendigerweise immer weniger verdienen – während das Einkommen vieler Beschäftigter mit niedrigeren Abschlüssen schmolz.

Auch für das Gemeinwesen führen Investitionen in Bildung zu Gewinnen: Akademiker zahlen höhere Steuern und Sozialbeiträge, im internationalen Schnitt bekommt ein Land doppelt so viel von einem Akademiker zurück wie es in ihn investiert hat – „ein starker Anreiz, mehr in tertiäre Bildung zu investieren, seien diese Investitionen privat oder öffentlich“, wie Ischinger erklärte.

In Studiengebühren sieht die OECD kein Hindernis für den Ausbau der Unis, solange der Staat Unterstützungssysteme für die Studierenden aufgebaut hat. So hätten Australien mit 86 Prozent und Neuseeland mit 76 Prozent die höchste Studienanfängerquote. Allerdings sei die Zahl der ausländischen Studierenden hier auch besonders groß. Ein Drittel der OECD-Staaten nimmt jährlich über 1500 US-Dollar von ihren Studierenden.

Wie weit teilt Deutschland die Überzeugung der OECD, dass Investitionen in Bildung sich lohnen? Der internationale Zahlenvergleich spricht auch in diesem Jahr nicht dafür, dass die Deutschen in der Bildung klare Prioritäten setzen. Die öffentlichen und privaten Ausgaben lagen 2006 bei 4,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts (Bip), „mit in den letzten Jahren rückläufiger Tendenz“, wie die OECD formuliert. Deutschland liegt damit deutlich unter dem OECD-Schnitt (siehe Grafik). Nur die Türkei, die Slowakei, Spanien und Irland haben einen noch geringeren Anteil für Bildung ausgegeben. An der Spitze liegen Island, die USA, Korea und Dänemark, die über sieben Prozent des Bip in Bildung investieren.

Blickt man nur auf die Ausgaben pro Schüler beziehungsweise pro Studierendem liegt Deutschland zwar nur leicht unter beziehungsweise sogar etwas über dem OECD-Schnitt. Doch anders als in Deutschland haben die Ausgaben in diesen Bereichen zwischen 2000 und 2006 in den anderen Ländern teilweise deutlich zugenommen, während sie sich in Deutschland nicht verändert haben.

Langsamer als viele andere Länder kommt Deutschland auch bei der Bildungsbeteiligung voran. Zwar stieg die Zahl der Hochschulabsolventen zwischen 1995 und 2007 von 14 Prozent eines Jahrgangs auf 23 Prozent. Doch im gleichen Zeitraum entwickelte sich die Absolventenquote in den übrigen betrachteten OECD-Ländern im Schnitt von 18 auf 36 Prozent.

Der Anteil der Studienanfänger ist in Deutschland im Jahr 2007 mit 34 Prozent eines Jahrgangs das dritte Jahr in Folge weiter gesunken, bevor er im vergangenen Jahr leicht auf 36 Prozent stieg (siehe Grafik). Sieht man von der Türkei, von Belgien und von Mexiko ab, hat kein OECD-Land eine so geringe Zahl von Studienanfängern. Belgien und die Türkei könnten aber deutlich höhere Anfängerquoten in der höheren beruflichen Bildung aufweisen als Deutschland, erklärt die OECD. Im OECD-Schnitt liegt die Studienanfängerquote bei 56 Prozent.

Die OECD betont, dass gerade die Wirtschaftskrise und „der sich abzeichnende Strukturwandel“ Anlass sein sollten, mehr auf Weiterbildung zu setzen. Doch während in Australien, Finnland und Schweden 13 Prozent oder mehr der 30- bis 39-Jährigen für ein Vollzeit- oder Teilzeitstudium eingeschrieben sind, sind es in Deutschland nur 2,5 Prozent – abgesehen von der Türkei und Korea ist das der geringste Wert in der OECD. Bei den über 40-Jährigen erreichen Belgien, Finnland oder Australien noch Quoten von drei bis sechs Prozent. In Deutschland hingegen kann die OECD die Studienteilnahme dieser Altersgruppe kaum noch messen. Allerdings fällt international auf, dass Weiterbildung besonders von hoch Qualifizierten in Anspruch genommen wird – so dass sie oft an denen vorbeigeht, die sie am meisten brauchen, wie die OECD-Forscher schreiben.

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