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Volle Bibliothek. Studierende im Foyer des Grimm-Zentrums der Humboldt-Universität.

© Georg Moritz

Volle Berliner Unis: Klausuren in der Mensa

Das Semester läuft ächzend, aber es läuft: Die Mensen sind voll, und Studierende richten sich auf dem Boden der Bibliotheken ein. Wie die Berliner Universitäten mit dem Andrang der Studierenden fertig werden.

Auch wer zu spät kommt, findet noch Platz in der „Einführung in die Elektrotechnik“ im Audimax der TU Berlin – sogar neben seiner Freundin, weshalb ein Student in blauer Sportjacke an jenem Freitagvormittag gleich über drei Reihen klettert. „Am Anfang habe ich Angst gehabt, dass es so voll bleibt“, erzählt die 23-jährige Jenja, die gerade mit Elektrotechnik begonnen hat. Doch nach dem ersten Termin, bei dem die Folie mit den Passwörtern für die Anmeldung und den Terminen gezeigt wurde, seien viele Kommilitonen weggeblieben. Jenjas Informatik-Tutorium ist allerdings bis auf den letzten Platz gefüllt, sagt sie. Da sie dort aber keinen Computerarbeitsplatz brauchen, weil man zuerst mit Stift und Papier programmiert, funktioniert es.

Ähnlich ist es auch in anderen Studiengängen. Nach den überfüllten Hörsälen der ersten Semesterwochen, in denen viele Erstsemester auf dem Boden saßen, haben die Institute Vorlesungen in größere Räume gelegt. Oder sie haben abgewartet, bis sich die Zahl der Studierenden reduziert. So läuft das Semester in Zeiten des Studierendenrekords zwar ächzend. Aber es läuft.

Die Pflichtveranstaltungen für Studienanfänger seien mehr als voll, berichtet Andreas Fijal, Studiendekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft an der Freien Universität. Doch 20 neue Mentoren stehen bereit. Und bei den Prüfungen zum Semesterende sei ausreichender Abstand zwischen den Studierenden garantiert: Um Gruppenarbeit zu verhindern, wurde für die Klausuren wie in den Vorjahren die große Mensa II mit 1800 Plätzen gebucht. Aber auch die Mensen werden immer voller, sagt Fijal.

Das findet auch eine junge Dozentin. Für sie ist die Mittagspause in der Mensa wegen des Lärmpegels nicht mehr erholsam, sagt sie. Die Vegetarische Mensa an der FU ist kleiner. Um Warteschlangen zu vermeiden, öffnet sie fünfzehn Minuten früher, zur Hauptzeit um 13 Uhr ist man ohne längere Verzögerung mit Gericht auf dem Teller wieder an der Kasse vorbei. Wegen fehlender Sitzplätze nehmen allerdings manche Studenten mit Winterjacke und Bommelmütze an den Holztischen im Freien Platz. Sarah Jaspers und Sophia Wittwer zum Beispiel.

Sie studieren Publizistik. Eine Übung für wissenschaftliches Arbeiten sei nach einer halben Stunde abgebrochen worden, weil es mit der großen Gruppe nicht machbar war, erzählen sie. Zum zweiten Termin stand ein größerer Raum zur Verfügung. Weil 30 Studenten keinen Platz in Pflichtkursen bekommen hätten, würden mittlerweile zwei zusätzliche Seminare angeboten. Ob man einen Platz in seinem Wunschkurs bekommt, sei aber „Glückssache“, sagt Sophia. Wer auch unbeliebte Termine zu früher Stunde in Kauf nimmt, hat bessere Chancen.

Auf der Suche nach einem Computer stülpt eine Studentin mit pinken Laufschuhen die Unterlippe weit nach unten. Der PC-Pool „Hurrikan“ der FU mit 30 Plätzen ist zur Mittagszeit voll besetzt. Immerhin findet sie im gegenüberliegenden Raum innerhalb weniger Minuten einen Platz. Vor dem Sportlercafé in der Silberlaube sitzen Anna und Luzie zwar am Boden. Aber nur, weil sie dort eine Steckdose gut erreichen können. In ihrem Fach, dem Master Bildungswissenschaften, gebe es in den Kursen für jeden einen Platz, sagen sie. Auch in der Philologischen Bibliothek der FU sind freie Tische zu sehen.

Anders im Grimm-Zentrum, der Zentralbibliothek der Humboldt-Universität in Mitte, das voll ist. Wer kein Vorhängeschloss mitbringt, steht zuerst in der oberen Garderobe an und wartet auf ein Holzschließfach. Das ist immer so, dauert aber nur sieben Minuten, erklärt ein Herr mit weißen Haaren. Man müsse früh kommen, zu Mittag gebe es auch ein günstiges Fenster. Jetzt sei ja schon nach Mittag. „Jetzt kommen sie wieder“, sagt er.

Mit Entsetzen erinnert sich eine Jura-Studentin im dritten Semester an die Prüfungszeit in ihrem ersten Jahr. „Dann geht der Kampf los“, sagt sie. Schon vor der Öffnung des Lesesaals sei das Foyer voll, dann würden Einzelne hochrasen und gleich mehrere Plätze besetzen, während die Freunde die Taschen einschließen. „Als Einzelner hat man dann keine Chance“, sagt sie. Die 1200 Arbeitsplätze im Grimm-Zentrum sind immer ausgelastet. Auch in den Zweigbibliotheken Rechtswissenschaft und Germanistik der HU sind schon vor der Prüfungszeit in der Regel alle Plätze belegt.

Für wen sich das Warten und Suchen nach einem Sitzplatz im Grimm-Zentrum zwischen zwei Lehrveranstaltungen nicht lohnt, der richtet sich wie Kotryna Slapsinskaite gleich im Foyer am Boden ein. Direkt neben der Drehtür übt die 21-jährige Kulturwissenschaftsstudentin für ihren Italienischkurs. Ob sie das ständige Drehen und die sich vorbeischiebenden Knie nicht kirre mache? „Na ja“, meint sie und lacht. Wenn sie richtig lernen müsse, suche sie sich einen ruhigeren Platz.

Nicht alle Erstsemester können selbstverständlich nach Hause ausweichen, beobachtet Nick Oelrichs. Der 18-Jährige Deutschstudent hat von vielen Nachrückern gehört, dass sie noch bei Freunden auf der Couch schlafen. Diese Leute warten bis später am Abend bis in der Bibliothek etwas frei wird, sagt er. „Die streunen herum.“

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