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Unschuldsmiene. Trauerdrongos imitieren Warnrufe anderer Tiere, damit beispielsweise Erdhörnchen von ihrem Futter lassen. So erbeuten sie ein Viertel ihrer Nahrung.

© dpa/Flower

Vorsicht, Falle!: Trickdiebe in der Kalahari

Trauerdrongos täuschen im großen Stil: Indem sie die Warnrufe anderer Tiere imitieren, gelangen sie an deren Futter. Auch andere Vögel setzen auf diese Methode.

Auf den Alarmruf des Rotschulterglanzstars reagiert das Erdmännchen sofort, schließlich warnt der quietschende Schrei vor dem Anflug eines gefährlichen Greifvogels. Also lässt es das soeben erbeutete Vogelei im Stich und flitzt in seinen sicheren Bau. Als es ein paar Minuten später wieder herauslugt, ist kein Greifvogel zu sehen. Leider ist auch das leckere Ei weg. Das hat sich nämlich ein hinterlistiger Dieb geschnappt: Ein Trauerdrongo aus der großen Verwandtschaft der Sperlinge hatte den Warnruf gefälscht, um an das Futter des Erdhörnchens zu gelangen.

Ein Viertel der Nahrung durch Trickdiebstahl

Die Vögel sind wahre Serientäter. Etwa ein Viertel ihrer Nahrung besorgen sie sich durch solche Trickdiebstähle, berichten Tom Flower von der Universität Kapstadt und Kollegen in der Fachzeitschrift „Science“. Sie bestätigen damit Beobachtungen anderer Wissenschaftler, die derartige Täuschungen mit falschen Alarmrufen bei anderen Vögeln wie etwa europäischen Kohlmeisen und Blaugrauen Würgerlingen im Amazonasregenwald beschrieben. Die aktuelle Untersuchung sei jedoch in ihrem Umfang beispiellos, wie der Verhaltensforscher Thomas Bugnyar von der Universität Wien erläutert, der nicht an der Studie beteiligt war.

Flowers Team hat 64 Trauerdrongos in der Kalahari – einer Wüste in Südafrika – insgesamt 847,5 Stunden lang beobachtet. Dort verbrachten die Singvögel rund ein Viertel ihrer Zeit in der Nähe von kleineren Tieren wie etwa Erdhörnchen. Die profitieren zunächst von ihren Verfolgern. Sobald die Drongos nämlich einen anfliegenden Greifvogel erspähen, stoßen sie den Alarmruf ihrer eigenen Art aus. Andere Drongos, aber auch Erdmännchen erkennen das Signal und verschwinden. So entsteht eine Art Arbeitsteilung: Weil die Vögel die Wache übernehmen, müssen Erdmännchen weniger aufpassen und haben mehr Zeit für die Futtersuche.

Ein Drongo beherrscht bis zu 32 Alarmrufe

Das nutzen die Vögel aus. Wenn die Erdmännchen viel Futter finden, stoßen die Drongos ihren Alarmruf auch dann aus, wenn gar kein Greifvogel in Sicht ist. Auf diesen Trick fallen die Verfolgten prompt herein, fliehen und überlassen ihre Beute. Übertreiben dürfen die Vögel das Spiel freilich nicht, fanden die Forscher heraus. Wie sich Menschen an häufige Fehlalarme von Alarmanlagen gewöhnen, reagieren auch Erdmännchen bald nicht mehr auf die Warnrufe, wenn sie zu oft hereingelegt werden.

Die Vögel warten deshalb mit einem weiteren Trick auf. Sie können die Warnrufe anderer Tiere imitieren. Ein einzelner Drongo beherrscht zwischen neun und 32 unterschiedliche Alarmrufe, fanden die Biologen heraus. Insgesamt enthielten ihre Aufzeichnungen Plagiate von 45 anderen Arten.

Auch Kolkraben setzen auf raffinierte Täuschungen

Bemerkenswert ist, dass die Drongos die Reaktionen ihrer „Opfer“ genau beobachten – und ihre Strategie anpassen. Versuchen sie mehrmals hintereinander fremdes Futter zu erbeuten, ändern sie in rund drei Viertel der Fälle ihren Alarmruf. Ein solcher Wechsel folgt besonders häufig einem fehlgeschlagenen Diebstahlsversuch. Die Forscher werten das als einen Hinweis dafür, dass sich die Drongos in gewissem Maße gedanklich in ihre Opfer hineinversetzen können.

Dabei handelt es sich um eine Eigenschaft, die lange Zeit nur wenigen Tieren zugetraut wurde. Auch andere Arten sind den Verhaltensforschern bereits mit raffinierten Täuschungsmanövern aufgefallen. Dazu gehören unter anderem Kolkraben – auch sie setzen auf Verfolgungen und Täuschungen, hat der Wiener Biologe Thomas Bugnyar beobachtet. Die Vögel wissen genau, wo sie am einfachsten Futter finden: Fliegt ein anderer Kolkrabe zielstrebig einen bestimmten Ort an, hat er dort vielleicht etwas Fressbares entdeckt oder versteckt. „Merkt ein Kolkrabe, dass er verfolgt wird, bricht er seinen Flug oft ab und täuscht so den plünderwilligen Artgenossen“, berichtet der Verhaltensforscher. Ist der Plünderer dagegen erfolgreich und wird auf frischer Tat ertappt, tut er ganz unschuldig. „Dann beginnt er zum Beispiel, mit einem Tannenzapfen zu spielen oder krächzt ein kleines Lied.“

Zum Nachhören: Der Alarmruf eines Rotschulterglanzstars beim Anblick eines Raubtiers. Und hier die imitierte Warnung eines Drongos.

Der Warnruf eines Erdhörnchens bei Gefahr. Und hier die nachgeahmte Warnung eines Drongos.

Alle Tonaufnahmen wurden von Tom Flower gemacht.

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