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Überflutet. In Nordeuropa gibt es infolge der Erderwärmung mehr starke Regenfälle als früher. Diese Vermutung haben jetzt Wissenschaftler erstmals bestätigt.

© REUTERS

Wissen: Wärme bringt Wasser

Klimawandel führt zu mehr heftigem Regen

Elbehochwasser 2002, Pakistan 2010, Australien 2011. Bei vielen Flutkatastrophen heißt es rasch: „Da steckt der Klimawandel dahinter.“ Seriöse Forscher halten dann entgegen, dass es starke Regenfälle schon immer gab. Zwar müsse man im Zuge der Erderwärmung häufiger mit solchen Ereignissen rechnen, doch lasse sich für einzelne Flutkatastrophen kein direkter Zusammenhang herstellen. Genau das tut aber Pardeep Pall von der Universität Oxford. Der vom Menschen verursachte Kohlendioxidausstoß sei mitursächlich für die gravierenden Überschwemmungen in England und Wales im Jahr 2000, schreibt sein Team im Fachblatt „Nature“ (Band 470, Seite 382).

Es war der Herbst mit den meisten Niederschlägen seit 1766. Flüsse traten über die Ufer, tausende Häuser standen unter Wasser, allein die versicherten Schäden lagen bei 1,5 Milliarden Euro. Ursache dafür war ein Tiefdruckgebiet, das sich über den britischen Inseln festgesetzt hatte und die Region regelrecht unter Wasser setzte.

Pall und seine Kollegen wollten herausfinden, welchen Anteil die Erderwärmung an diesem besonderen Zustand der Atmosphäre hatte. Sie starteten Klimamodelle, die das Wettergeschehen im Jahr 2000 simulierten: Einmal mit den realen Klimabedingungen jener Zeit, zum anderen mit hypothetischen Daten, die so tun als gebe es keine Erderwärmung. Temperatur und Eisbedeckung der Meere wurde auf den Stand von 1900 gesetzt und die Modellatmosphäre enthielt weniger Kohlendioxid (CO2). Mehrere tausend Simulationen ließen die Forscher laufen, um den seltenen Wetterzustand statistisch gut erfassen zu können. Diesen Aufwand hatte bisher keiner getrieben. Für diese Aufgabe nutzten die Wissenschaftler freie Rechenzeit auf Privatcomputern von freiwilligen Helfern.

Zu einer Flut gehören neben heftigem Regen auch schlechte Abflussmöglichkeiten. Wenn der Untergrund bereits vollgesogen ist, strömen die Niederschläge rasch zu den Flüssen – die dann umso schneller über die Ufer treten. Auch das berücksichtigten die Wissenschaftler.

Das Ergebnis: In neun von zehn Fällen zeigte sich, dass die menschgemachten CO2-Emissionen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Flut um mindestens 20 Prozent erhöhten. „Sehr wahrscheinlich“ nennen Statistiker den Befund. Eine Steigerung des Risikos um 90 Prozent ist immerhin noch „wahrscheinlich“ (in zwei von drei Fällen).

In einer zweiten „Nature“-Studie untersuchten Seung-Ki Min und Kollegen extreme Regenfälle auf der Nordhalbkugel zwischen 1951 und 1999 (Band 470, Seite 378). Auch sie verglichen reale Messwerte mit Modellergebnissen und stellten fest: Diese Extremereignisse sind stärker geworden und der steigende CO2-Gehalt hat daran nachweislich einen Anteil.

„Dass der steigende Kohlendioxidgehalt die Erde erwärmt, ist sicher. Dass dadurch schon heute die Niederschläge beeinflusst werden, dieser Nachweis fehlte bisher“, sagt Stefan Hagemann vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Der Effekt werde künftig noch deutlicher ausfallen. Warme Luft kann mehr Wasser aufnehmen – und wieder abgeben. „Die steigende Temperatur verändert außerdem die Zirkulation in der Atmosphäre“, sagt der Forscher. Deshalb würden mehr Zyklone vom Atlantik nach Nordeuropa geführt, wo reichlich Regen fallen werde. Der Mittelmeerraum hingegen werde mit weniger Niederschlägen auskommen müssen. Ralf Nestler

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