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Bleiben oder gehen. Die Humboldt-Universität will ihre Entscheidung in der Personalie Andrej Holm am Mittwoch bekannt geben.

© Doris Spiekermann-Klaas/Tsp

Zurückgetretener Berliner Staatssekretär: Was passiert mit Andrej Holms Stelle an der Humboldt-Uni?

Als Staatssekretär ist Andrej Holm zurückgetreten. Entlässt ihn HU-Präsidentin Sabine Kunst, könnte sich Holm womöglich einklagen. Heute tagt ein Gremium.

Verliert der zurückgetretene Staatssekretär Andrej Holm jetzt auch noch seine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität? Am Mittwoch will die HU öffentlich mitteilen, zu welchem Entschluss die Präsidentin Sabine Kunst nach ihren Beratungen mit der Personal- und der Rechtsabteilung gekommen ist. Dafür, dass Holm bleiben darf, hat sich schon vor Wochen die Studierendenvertretung der HU ausgesprochen. João Fidalgo, studentisches Mitglied im Akademischen Senat der Uni, geht davon aus, dass im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Gremiums am heutigen Dienstag über Holms Zukunft debattiert werden wird. „Ich rechne damit, dass Studierende im öffentlichen Teil zur Unterstützung von Holm kommen“, teilt er mit.

Wie Holms Chancen stehen, darüber gehen die Meinungen unter Rechtsexperten weit auseinander. „Ungeschoren kommt er nicht davon. Es wird nicht bei einer Abmahnung bleiben“, sagt ein namhafter Berliner Jura-Professor. Schließlich sei es unstrittig, dass Holm 2005 bei seiner Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter falsche Angaben zu seiner Stasi-Tätigkeit gemacht hat. Und das reiche für eine Kündigung, meint der erfahrene Rechtswissenschaftler.

Ganz anders hat es der bekannte Berliner Straf- und Medienrechtler Johannes „Johnny“ Eisenberg in einem Meinungsbeitrag für die „Tageszeitung“ vom 9. Januar gesehen. Eisenberg ist der Auffassung, dass die Humboldt-Universität den im Jahr 2005 35-jährigen Holm 16 Jahre nach seiner Zeit bei der Staatssicherheit gar nicht mehr danach hätte fragen dürfen: „Es war auszuschließen, dass sich daraus Erkenntnisse zu einer Eignung für den wissenschaftlichen Job bei der HU ergeben könnten – angesichts des Alters des Kandidaten und der seit 1989 vergangenen Zeit.“ Eisenberg kommt sogar zu dem Schluss: „Der Bewerber durfte entsprechend auch lügen.“

"Der Fall ist alles andere als eindeutig"

Das sieht der Jura-Professor anders: Selbstverständlich habe die Universität Holm nach seiner Stasi-Tätigkeit fragen dürfen und die Falschangaben, die dieser dazu machte, seien auch arbeitsrechtlich relevant. Deshalb habe die HU ja auch einen Auflösungsvertrag angestrebt.

Wie berichtet hat Holm am Freitag vergangener Woche erklärt, eine solche einvernehmliche Auflösung seines Arbeitsvertrages mit der HU „erwogen“ zu haben. „In der aktuellen Situation“ halte er aber eine arbeitsrechtliche Klärung „für unerlässlich“. Die HU hatte erklärt, Holm habe die Möglichkeit eines Auflösungsvertrags im letzten Moment vor der Abgabefrist für seine Erklärung gegenüber der HU „verworfen“.

„Der Fall ist alles andere als eindeutig“, sagt ein anderer Jura-Professor, der namentlich ebenfalls nicht genannt werden will. Anders als Eisenberg meine, habe der Arbeitgeber zwar durchaus das Recht, den Arbeitnehmer nach einer früheren Stasitätigkeit zu fragen. Und die falsche Beantwortung der Frage rechtfertige prinzipiell eine verhaltensbedingte Kündigung. „Trotzdem ist aber keineswegs klar, ob die Humboldt-Universität damit vor Gericht durchkommt“, sagt der Arbeitsrechtler. Denn das Gericht werde sehr wohl berücksichtigen, dass Holms Tätigkeit bei der Stasi kurz und eine „Jugendsünde“ eines erst 19-Jährigen war. „Das ist eine andere Situation als Anfang der neunziger Jahre, wo schwer belastete ehemalige Stasimitarbeiter gekündigt wurden.“

Was vor Gericht eine Rolle spielen könnte

So erklärte das Bundesarbeitsgericht 1999 die Kündigung eines nicht-wissenschaftlichen Mitarbeiters einer Universität für unwirksam. Der Mitarbeiter hatte seine Stasi-Verstrickung mit nachgewiesenen Falschangaben bei der Einstellung verdeckt. Bei der Bewertung der Falschangaben müsse aber die weitere Entwicklung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers und sein junges Alter während seiner Mitarbeit bei der Stasi berücksichtigt werden sowie die nur kurze Tätigkeit für die Stasi, erklärte das Gericht (2 AZR 902/98).

Vor Gericht werde weiterhin auch eine Rolle spielen, ob die Fragestellung auf dem von Holm ausgefüllten Bogen so präzise war, dass er sie in jedem Falle korrekt beantworten konnte. Holm hat zu seiner Verteidigung vorgebracht, er habe sich damals nicht in einer hauptamtlicher Stasitätigkeit gewähnt, sondern erst in einer Phase der Vorbereitung auf diese. Das Gericht könnte also prüfen, ob der Fragebogen hier hätte genauer nachhaken müssen, anstatt bloß zu fragen: „Waren Sie bei der Stasi tätig?“

Holm wurde in der Debatte vorgeworfen, er habe als 19-Jähriger ein sehr hohes Gehalt bezogen und schon deshalb wissen müssen, dass er sich nicht im regulären Wehrdienst befand. Der Arbeitsrechtler sagt, das Gericht werde gegebenenfalls prüfen müssen, ob Holms Gehalt tatsächlich so auffällig hoch war, dass er sich tatsächlich nicht im regulären Wehrdienst wähnen konnte.

Wie intensiv würdigte die HU den Fragebogen?

Der Berliner Anwalt Alexander Bredereck erklärt auf seiner Homepage zum Thema „Stasitätigkeit und Kündigung“, eine Rolle spiele vor Gericht auch, ob der Arbeitgeber die Befragung überhaupt „nur routinemäßig“ „ohne echtes Interesse an deren Ergebnis“ durchgeführt habe. Kommt heraus, dass die HU die Antwort auf dem Fragebogen nicht richtig gewürdigt hat, weil sie etwa zu Holms Angaben keine interessierten Rückfragen gestellt hat, könnten ihr hieraus auch Nachteile vor Gericht erwachsen.

Komme es zur Kündigung wegen einer verschwiegenen Stasi-Tätigkeit, solle sich der Arbeitnehmer wehren, rät Anwalt Bredereck: „Zumindest eine satte Abfindung ist in solchen Fällen dann immer drin“, schreibt er.

Holm könnte sich in einem Rechtsstreit trotzdem gegen eine gütliche Einigung sperren, um seine entfristete Stelle wiederzubekommen – angesichts der prekären Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft ist diese schließlich ein hohes Gut.

All diese Aspekte wird sich die Humboldt-Universität gut überlegen, bevor sie Holm tatsächlich kündigt. „Es wird für Holm unterhalb der Kündigung ausgehen“, meint darum ein Insider. „Die Präsidentin Kunst kann sich das leisten. Sie steht ja nicht im Ruf, immer den Weg des geringsten Widerstands zu gehen.“ Mahnt Kunst Holm bloß ab, werde das den Vorteil haben, dass dann schneller wieder Ruhe in die HU einkehrt.

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