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Welt-Aids-Konferenz: HIV-Prävention: In der Hand der Frau

Neue Hoffnung von der Welt-Aids-Konferenz: Ein Gel kann offenbar HIV-Infektionen verhindern. Doch die Schutzwirkung ist begrenzt.

„Es ist Zeit, die Chemikalie aufzugeben, aber nicht die Idee“, hatte Sheena McCormack vom afrikanischen Medical Research Council erst vor einem halben Jahr gesagt. Die Enttäuschung war damals groß, denn wieder hatte ein Gel versagt, das Frauen vor einer Infektion mit dem Aids-Virus schützen sollte.

Nun gibt es neue Hoffnung: Bei der Welt-Aids-Konferenz, die derzeit in Wien stattfindet, wurden gestern Ergebnisse einer Studie vorgestellt, bei der ein Vaginalgel mit einem anderen Wirkprinzip an 889 afrikanischen Frauen getestet worden ist. Es muss vor und nach jedem Geschlechtsverkehr angewandt werden und enthält den Wirkstoff Tenofovir. Dieser wird auch in der Behandlung HIV-Infizierter mit Tabletten eingesetzt.

Tenofovir hält HIV in Schach, indem es ein Enzym blockiert, das das Virus dringend benötigt, um Zellen zu kapern, in denen es sich vermehren kann. Die südafrikanischen Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren wurden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen verteilt, von denen die eine das Gel mit dem Arzneimittel, die andere ein wirkstofffreies Gel erhielt. Alle wurden während der 30-monatigen Studienlaufzeit monatlich auf HIV und eine mögliche Schwangerschaft getestet; alle bekamen Kondome, Beratung und Behandlung anderer sexuell übertragbarer Krankheiten angeboten. Insgesamt infizierten sich von den Frauen aus der Tenofovir-Gruppe 39 Prozent weniger mit HIV. Unter den konsequenten Anwenderinnen des Gels waren es sogar 54 Prozent, wie die Epidemiologen Quarraisha und Salim Abdool Karim vom Center for the Aids Programme of Research in South Africa (kurz: Caprisa) jetzt in Wien berichteten.

71 Prozent aller Neuinfektionen mit HIV ereignen sich heute in einem afrikanischen Land südlich der Sahara. 60 Prozent der Infizierten sind Frauen und Mädchen. Natürlich würden sie Kondome am wirksamsten vor Kontakt mit Sperma und Blut schützen, die das Retrovirus enthalten können. Doch viele von ihnen haben keine realistische Chance, ihre Partner von der Benutzung eines Kondoms zu überzeugen. Gerade hat eine Studie im Medizinerblatt „Lancet“ bewiesen, was niemanden erstaunt: Mädchen und junge Frauen, in deren Beziehung zu Männern Ungleichheit, körperliche Gewalt und erzwungene Sexualkontakte vorherrschen, sind besonders infektionsgefährdet. Ein Durchbruch beim Schutz vor HIV mit Vaginalgels wäre deshalb ein Segen, selbst wenn sie keinesfalls sicheren Schutz bieten. Ein solches Gel können Frauen anwenden, ohne den Mann darum „bitten“ zu müssen.

Und ein Gutes hatte selbst die enttäuschend ausgegangene Studie vom letzten Jahr: Sie hat gezeigt, dass die teilnehmenden Frauen und ihre Sexualpartner das getestete Gel akzeptiert haben. Nur hatte in diesem Fall das Polymer versagt, das zuvor im Zellversuch und bei Versuchstieren zumindest einen Teil der Viren daran gehindert hatte, sich an die Zellen der Schleimhaut der Scheide zu binden.

„Nun wurde zum ersten Mal belegt, dass vorhandene HIV-Medikamente auch in Vaginalgels wirkungsvoll eingesetzt werden können“, sagt Norbert Brockmeyer von der Universität Bochum, Sprecher des Kompetenznetzes HIV/Aids.

Ein Erfolg, der bei der Konferenz in Wien viele euphorisch stimmt, den Brockmeyer jedoch mit Zurückhaltung aufnimmt: Um auf den Markt zu kommen, muss das Präparat zunächst an einer größeren Gruppe von Frauen getestet werden. Selbst wenn es dann erneut positiv abschneidet, bleibt die Frage, ob es sich auch ohne flankierende Aufklärungsgespräche und Kontrolluntersuchungen im Alltag der afrikanischen Frauen bewähren wird. „Zudem kann man erst nach einem längeren Einsatz sehen, ob sich Resistenzen gegen den Wirkstoff bilden“, fügt Brockmeyer hinzu. Für ihn ist klar: „Um HIV in Afrika wirkungsvoll zu bekämpfen, müssen wir viele Schalthebel betätigen.“ Adelheid Müller-Lissner

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