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WERT sachen: Musizieren

Von Christoph Markschies, Präsident der Humboldt-Universität

Die Festveranstaltung, die die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, die Deutsche Physikalische Gesellschaft, die Humboldt-Universität und die Max-Planck-Gesellschaft vor einer reichlichen Woche anlässlich des 150. Geburtstages des großen Physikers im Konzerthaus am Gendarmenmarkt veranstalteten, begann zur Überraschung vieler Besucher nicht mit der angekündigten Musik, sondern mit einer Lesung.

Nachdem die Lichter verloschen waren, wurde ein Bericht über den letzten Leibniztag der preußischen Akademie vor Kriegsende am 29. Juni 1944 gelesen. Die Festversammlung war damals dem 50. Jahrestag der Zuwahl Plancks in die Akademie gewidmet; Werner Heisenberg hielt den Festvortrag über das „Plancksche Wirkungsquantum“. Als zu Beginn der Veranstaltung im schwer zerstörten Berlin ein Streichquartett Schubert musizierte, wurden viele Besucher ein letztes Mal in eine längst untergegangene Welt von Gelehrsamkeit und Kunst versetzt.

Max Planck liebte Schuberts Quartette und in seinem Wohnhaus in der Wangenheimstraße in Grunewald wurde gern und oft musiziert (wie übrigens auch schon bei einem anderen großen Berliner Physiker, bei Helmholtz, und natürlich bei Einstein). Angesichts schwerer familiärer Schicksalsschläge suchte der Physiker, der anfänglich überlegte, Musiker zu werden und vorzüglich Klavier spielte, immer wieder Trost beim Musizieren – fünf Kinder starben unter tragischen Umständen, zuletzt wurde der Sohn Erwin im Januar 1945 wegen seiner Beteiligung am Widerstand gegen Hitler hingerichtet. Am Rande des Berliner Festaktes erzählte eine Großkusine Plancks, wie der greise Physiker nach der Katastrophe in Göttingen eine Aufführung der Oper „Freischütz“ durch die Kinder des Hauses, in dem er untergekommen war, auswendig am Klavier begleitete.

Helmholtz, Planck und Einstein musizierten und in ihrem Hause wurde gemeinsam musiziert – und von daher kann man trefflich darüber grübeln, wie stark die wissenschaftlichen Leistungen dieser drei großen Physiker durch das gemeinsame Musizieren befördert wurden. Plancks Wohnhaus wurde im Januar 1944 zerstört und auch die akademische Kultur des gemeinsamen Musizierens von Akademikern ist im schrecklichen 20. Jahrhundert weitgehend untergegangen. Heute verbringt der deutsche Professor seine Zeit in Gremiensitzungen und beim Schreiben von Drittmittelanträgen, Zeit, die Cello-Stimme bei Schubert zu proben, haben seither nur noch wenige (von seltenen Ausnahmen einmal abgesehen). Ein Fortschritt ist das sicher nicht.

Der Autor ist Kirchenhistoriker und schreibt an dieser Stelle jeden dritten Montag über Werte, Wörter und was uns wichtig sein sollte.

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