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Wursttheke

© picture alliance / dpa

Krebsrisiko durch Wurst: WHO: Niemand fordert völligen Verzicht!

Die Wursthysterie sei durch die "Unstatistik des Monats" ausgelöst worden, sagen Forscher. Auch die WHO sah sich zu einer Stellungnahme genötigt.

Wer über Krebs und Ernährung redet, sollte vorsichtig sein. Beide Themen sind emotional aufgeladen. Das weiß auch die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO. Und trotzdem zeigt sie regelmäßig, wie Risikokommunikation nicht funktionieren sollte. So wie am letzten Montag, als die WHO-Agentur verkündete, wer täglich mehr als 50 Gramm Wurst esse, steigere damit sein Darmkrebsrisiko um 18 Prozent.

Das sei die „Unstatistik des Monats“, urteilte nun das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Schließlich seien die 18 Prozent nur das „relative Risiko“, das absolute Risiko steige nur um ein Prozent. Auch der Tagesspiegel und viele andere Medien hatten auf diese Klippe bei der Interpretation aufmerksam gemacht. Der Wursthysterie tat das keinen Abbruch. In Deutschland macht sich nun jeder Fünfte Sorgen über dieses Krebsrisiko, 15 Prozent wollen weniger davon essen. Das erhob das Meinungsforschungsinstitut Yougov für die dpa.  In anderen Ländern sorgte eher die Nachricht, dass rotes Fleisch „wahrscheinlich krebserregend“ sei, für Aufregung.

Die Agentur verlangt nicht, dass man zum Vegetarier wird

Selbst die WHO sah sich genötigt, Stellung zu nehmen. Die Bewertung der Internationalen Agentur für Krebsforschung bestätige die WHO-Empfehlung, verarbeitetes Fleisch nur in moderater Menge zu verzehren. Die WHO werde die neue Publikation prüfen, sie werde in die nächsten Empfehlungen einfließen. Außerdem stellte sie klar, dass die Agentur nicht von den Menschen verlange, gar kein Fleisch mehr zu essen.

Der Medizinnobelpreisträger Harald zur Hausen hatte sich bereits am Montag kritisch geäußert.  Es sei seit langem bekannt, dass zwischen dem erhöhten Konsum von rotem Fleisch und von verarbeiteten Fleischprodukten und dem Risiko, an Darmkrebs zu erkranken ein Zusammenhang bestehe. Hierfür wurde in der Vergangenheit vor allem eine Reihe von chemischen Verbindungen, die im Grill-, Brat- oder Röstprozess entstehen (Nitrosoverbindungen und aromatische Hydrokarbone) verantwortlich gemacht.

Es geht nur um bestimmte Arten von rotem Fleisch

„Es hat sich aber gezeigt, dass die gleichen chemischen Substanzen, die nach Verabreichung an Nagetiere in hoher Dosierung ebenfalls Krebs erzeugen können, auch beim Braten und Grillen von Geflügelfleisch oder Fisch entstehen, ohne dass der Verzehr solcher Fleischarten mit einem höheren Risiko für Dickdarmkrebs bisher in Verbindung gebracht werden konnte“, schreibt er. „Darüber hinaus ist auffallend, dass Bevölkerungsgruppen, die in besonders hohem Umfang rotes Fleisch und verarbeitete Fleischprodukte verzehren, wie etwa in der Mongolei, in Bolivien und in Botswana, ein vergleichsweise sehr niedriges Risiko aufweisen, am Darmkrebs zu erkranken.“

Zunehmend kristallisiere sich heraus, dass Fleischprodukte einer bestimmten Rinderrasse (europäisch-asiatischen Milchkühe) ein erhöhtes Risiko mit sich bringen. Seine Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg suche nach den Ursachen. So gebe es Hinweise darauf, dass die Kühe mit bestimmten Erregern infiziert sind, möglicherweise gebe es ein Zusammenspiel mit Schadstoffen.

„Aus unserer Sicht bedarf die pauschale Aussage, dass rotes Fleisch und davon abgeleitete Fleischprodukte (wie etwa Wurstwaren) für das erhöhte Krebsrisiko verantwortlich sind, einer Revision“, schreibt zur Hausen. „Sie bedarf vor allem eingehender Analysen, inwieweit sich der epidemiologische Zusammenhang, eines artspezifischen Faktors auch in anderen Studien stützen lässt.“ Tsp

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