zum Hauptinhalt

Zoologie: Südchinesisches Tigerjunges in Afrika geboren

Tiere, die in halb-natürlicher Umgebung aufgezogen werden, könnten dazu beitragen, die Wildpopulation zu erhalten.

Ein 1 Kilogramm schweres Fellknäuel, das noch keinen Namen trägt, könnte die größte Hoffnung darstellen, den stark gefährdeten Südchinesischen Tiger zu retten. Vorausgesetzt, das männliche Junge, das in einem Wildreservat in Südafrika geboren wurde, wird sich eines Tages an die Bedingungen in den Urwäldern Chinas anpassen können.

Es ist das erste Mal, dass ein Südchinesischer Tiger in einer halb-natürlichen Umgebung geboren wurde - ein Umfeld, von dem manche hoffen, dass es die Chancen der Tiere verbessert, wenn sie eines Tages in die Wildnis entlassen werden. Das Junge erfährt einige zusätzliche Aufmerksamkeit, darunter das Füttern mit der Flasche, es wird ihm jedoch in einigen Monaten auch erlaubt sein, mit seiner Mutter das Reservat zu durchstreifen und zu lernen, Antilopen zu jagen.

Chinesische "Farmen" sind Experten in der Aufzucht von Großkatzen: Sie haben schätzungsweise 5.000 Sibirische Tiger großgezogen. Jedoch nur 63 Südchinesische Tiger sind in den Zoos verblieben, und sie sind durch Paarung untereinander derart fehlgezüchtet, dass selbst Pandas in Gefangenschaft größere Chancen auf Nachwuchs haben. Die letzte Geburt eines Südchinesischen Tigers in Gefangenschaft liegt bereits zwei Jahre zurück. Man geht davon aus, dass weniger als zehn Tiere in der Wildnis leben.

Li Quan, Umweltschützerin, die früher in der Modebranche tätig war, hofft, dieses Junge zusammen mit weiteren Nachkommen ihrer vier erwachsenen Tiger in zwei chinesische Naturreservate auswildern zu können. Ihre Auswilderung könnte im kommenden Sommer stattfinden, zeitgleich mit den Olympischen Spielen in Peking. "Unser Ziel ist es, den Südchinesischen Tiger vor dem Aussterben zu bewahren", sagt Li. "Diese Geburt ist ein großer Schritt nach vorn."

Die meisten Naturschützer sind angesichts der Auswilderungskampagne von Li nicht allzu optimistisch. Einige sind der Ansicht, dass ihre 10 Millionen US-Dollar besser für die Aufwertung der natürlichen Lebensbedingungen der Tiger angelegt worden wären, statt in einem Aufzuchtprogramm. Ein alternatives Projekt plant, den genetisch nahezu identischen Indochinesischen Tiger in Südchina anzusiedeln, wovon sich viele bessere Chancen versprechen, die Zahl der Tiere wieder zu erhöhen.

Wahre Pessimisten sind der Ansicht, dass die Wiederansiedlung einer gesunden Population wilder Tiger in China ein Luftschloss ist. "Sie sind so gut wie ausgestorben" sagt Liu Yutang, Zoologe an der Northeast Forestry University in Harbin. "Es ist bereits zu spät, den Südchinesischen Tiger zu schützen."

Hübsches Bild

Die Geburt in Afrika folgt auf einen Bericht, demzufolge überraschenderweise in der Provinz Shaanxi im vergangenen Monat ein wilder Tiger gesichtet worden ist. Ein Bauer erbrachte ein Foto, das darauf hindeutete, dass isolierte Populationen wilder Tiger immer noch existieren, obwohl sie 2002 für praktisch ausgestorben erklärt worden waren. Die Nachricht schien die chinesische Regierung zu veranlassen, ihre Bemühungen, den Tiger zu retten, zu verdoppeln.

Schnell machten jedoch Gerüchte und Anschuldigungen die Runde, dass das Foto eine Fälschung und der Tiger nie gesichtet worden sei. Schließlich stellte sich heraus, dass der Tiger auf dem Foto des Bauern verblüffende Ähnlichkeit mit einem Poster aufwies, das vor einigen Jahren in der Gegend verkauft wurde. "Das Foto wird von den meisten Chinesen, darunter einige Offizielle, als Fälschung angesehen", sagt Li.

Die Lokalregierung verteidigt jedoch die Echtheit des Fotos und plant eine Begutachtung der Region in diesem Winter, um die Debatte zu beenden.

"Wenn es in der Region noch Tiger gäbe, wäre das großartig", sagt Ron Tilson, Direktor des Zoos von Minnesota in der Nähe von Minneapolis. "Es wäre dann der ideale Ort für ein Ansiedlungsprogramm."

Genaustausch

Tilson betreibt ein anderes Programm, dessen Ziel es ist, eine andere Unterart wieder anzusiedeln - wenngleich eine, die vom Südchinesischen Tiger fast nicht zu unterscheiden ist. Der Indochinesische Tiger stammt aus Südostasien, wo schätzungsweise mehr als 1.000 Tiere leben.

Die Vermischung der Gene sollte kein großes Problem darstellen. Yue Bisong von der Sichuan University in Chengdu sagt, dass von 45 von ihm untersuchten Tigern nur 13 genetisch rein waren, der Rest trug Gene, die mit denen anderer Arten vermischt waren. Tilson plant im Laufe der nächsten zehn Jahre 15 Tiger in drei Naturreservaten anzusiedeln; beide Auswilderungsprogramme könnten zeitgleich stattfinden.

Dieser Artikel wurde erstmals am 27.11.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news.2007.290. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Jerry Guo

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false