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Abgebaut. Bei der CO2-Steuer müssten zum Beispiel die Firmen zahlen, die Braunkohle extrahieren – was den Kreis der Zahler beschränken würde.

© IMAGO

CO2-Steuer: „Am Anfang der Kette ansetzen“

Der Wirtschaftswissenschaftler Robert Schmidt erklärt im Interview, warum er eine CO2-Steuer befürwortet.

Herr Schmidt, Sie sind ein Verfechter der CO2-Steuer als Instrument gegen Kohlendioxidemissionen und Klimawandel. In manchen Ländern gibt es die Steuer schon. Worum geht es dabei?

Aus meiner Sicht ist die CO2-Steuer das effizienteste Instrument, um Kohlendioxid-Emissionen zu verhindern, und sehr viele weitere Ökonomen teilen diese Ansicht. Diese Sichtweise basiert auf einfachen ökonomischen Prinzipien, die seit Jahrzehnten in der Forschung bekannt sind. Dieses Wissen ist leider noch nicht ausreichend in der Öffentlichkeit und der Politik angekommen. Zum Prinzip: Nahezu jede Tonne Kohlenstoff, die in Form von fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl oder Gas aus der Erde geholt wird, wird irgendwann als Kohlendioxid in der Atmosphäre freigesetzt. Die CO2-Steuer ist eine Umweltsteuer auf den Kohlenstoffgehalt der fossilen Brennstoffe. Sie wird am Anfang der Kette erhoben, wenn die Brennstoffe extrahiert oder importiert werden.

Worin liegt der Vorteil, die Brennstoffe zu besteuern und nicht die Emissionen – wie es heutzutage beispielsweise im Emissionsrechtehandel praktiziert wird?

Es ist viel einfacher am Anfang der Kette anzusetzen, denn die Zahl der Akteure ist um ein Tausendfaches geringer. Braunkohle extrahieren oder importieren beispielsweise nur eine Handvoll Firmen, die sie später der gesamten Wirtschaft zur Verfügung stellen. Am Anfang zu besteuern heißt, dass in allen Produkten, Dienstleistungen und allen Bereichen der Wertschöpfungskette der CO2-Preis bereits enthalten ist. Bei der Extraktionssteuer müssen Firmen und Individuen die Höhe ihrer Emissionen nicht einmal kennen.

Und wie sieht es aus, wenn die Emissionen besteuert werden?

Bei der Besteuerung von CO2-Emissionen oder beim Emissionshandel muss jeder Emittent seine Emissionen selbst erfassen. Es handelt sich um Millionen von Menschen, die man nicht alle erfassen kann, weil es nicht praktikabel ist, Einzelne oder kleine Firmen zu berücksichtigen. Das ist auch ein Grund, warum im europäischen Emissionshandel nur 45 Prozent des CO2-Ausstoßes abgedeckt werden.

Wie werden durch eine Kohlendioxid-Steuer die Emissionen gesenkt?

Das Ziel, die Emissionen zu senken, ist gleichbedeutend mit dem Ziel, die Extraktion von Kohlenstoff aus der Erdkruste zu limitieren. Mit der Steuer wird die Wirtschaft stimuliert, verstärkt emissionsarme Technologien zu entwickeln. Wenn der Preis hoch genug ist, dann entstehen neue Industriezweige, die von sich aus Dienstleistungen anbieten, zum Beispiel neue Technologien zur Gebäudesanierung, um CO2 einzusparen. Es gibt sicherlich Zweige, die zusätzliche Maßnahmen rechtfertigen. Ein Beispiel sind Technologien, die von der Marktreife zu weit entfernt sind, aber Potenzial für die Zukunft haben wie zum Beispiel erneuerbare Energien. Wenn die Marktreife erreicht ist, kann man die Subventionen einstellen.

Robert Schmidt.
Robert Schmidt.

© Privat

Das hört sich alles sehr plausibel an, warum konnte sich die CO2-Steuer bislang nicht durchsetzen?

Aufgrund des bereits erwähnten Problems, dass Ökonomen das Wissen noch nicht genügend in die Öffentlichkeit transportiert haben. Deshalb herrscht teilweise die Meinung vor, dass der Zertifikatehandel ökonomisch effizienter sei als die Steuer: Durch den Handel würden die Emissionsminderungen dorthin verschoben, wo sie am günstigsten sind. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass der gleiche Effekt auch unter der Steuer erzielt wird. Neben dem geringen bürokratischen Aufwand und der besseren Abdeckung der Emissionen hat die Steuer gegenüber dem Zertifikatehandel zudem den Vorteil, dass sie ein stabileres Preissignal liefert, was für Investoren in emissionsarme Technologien wichtig ist. So kann die Steuer bei gleichem CO2-Preis zu höheren Emissionsminderungen führen als der Zertifikatehandel.

Es ist auch einfacher, an bekannten Instrumenten festzuhalten?

Ja, die Länder schrecken darüber hinaus auch davor zurück, die Steuer einzuführen, um bestimmte Partikularinteressen nicht zu verletzen, oder weil sie sich dem Druck von Lobbygruppen beugen. Bestimmte Sektoren sagen: Wenn wir CO2-Steuer zahlen müssen, gehen wir einfach, wir sind nicht mehr profitabel. So herrscht in Deutschland ein Wirrwarr an Einzelmaßnahmen zum Klimaschutz. Es ist politisch einfacher Subventionierungsprogramme einzuführen, weil es plötzlich Menschen gibt, die davon profitieren. Ökonomisch ist das aber nicht sinnvoll, da gesamtgesellschaftlich betrachtet jemand die Kosten tragen muss.

Wer würde von dem durch die CO2-Steuer eingenommenen Geld profitieren?

Es gibt sicherlich unterschiedliche Szenarien, wie die Steuer – und es geht hier um Einnahmen in Milliardenhöhe – eingesetzt werden könnte. Man könnte einen Teil in die Weiterentwicklung erneuerbarer Energien einsetzen, sowie für den Schutz der Regenwälder, deren Abholzung global enorme Mengen an CO2 freisetzt. Ich finde es sinnvoll, einen großen Teil dazu zu verwenden, um andere Steuern wie die Lohnsteuer abzusenken. Dadurch würden Arbeitnehmer profitieren. Ein Nebeneffekt wäre, dass der Anreiz in Deutschland zu produzieren, gestärkt würde.

Bislang haben etwa 15 Länder weltweit unterschiedliche Varianten der Steuer eingeführt. Haben diese Länder nicht Nachteile auf dem Weltmarkt, weil ihre Produkte teurer werden?

Der Idealfall wäre ein einheitlicher CO2-Preis in allen Ländern, das ist aber noch Utopie, trotzdem sollte man mittelfristig darauf hinarbeiten. Steuernachteile lassen sich jedoch auch ausgleichen. Als Beispiel ein einfacher Fall: Eine Firma aus einem Land mit CO2-Steuer exportiert in ein Land ohne diese Steuer. Diese Firma müsste die Steuer an der Grenze zurückerhalten. Dazu müsste geschätzt werden, wie viel Kohlenstoff bei der Produktion des Produkts freigesetzt wurde. So entstehen der Firma keine Wettbewerbsnachteile. Genauso müsste eine Firma aus einem Land ohne CO2-Steuer beim Import in ein Steuer-Land eine Abgabe zahlen, damit für sie keine unfairen Wettbewerbsvorteile entstehen. Durch den Steuerausgleich wird das Land, das im Klimaschutz aktiver ist, nicht noch zusätzlich bestraft.

- Robert Schmidt erforscht an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität unter anderem, wie sich Staaten im Klimaschutz strategisch verhalten. Dieser Text erschien in der Beilage "Humboldt-Universität 2015".

Ljiljana Nikolic

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