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CDU: Ein Haufen Union

Der eine will bei der Bildung kürzen. Der andere fordert den eigenen Minister zum Rücktritt auf. Was ist los in der CDU?

Von Robert Birnbaum

Angela Merkel fand Madrid für diesen Dienstag schlicht den falschen Ort. Wer sich am Montag erkundigte, wieso die Kanzlerin ihre Teilnahme am EU-Südamerikagipfel in Spaniens Hauptstadt auf ein Abendessen beschränkte, hörte etwas von der Aschewolke murmeln und dass Merkel keine Lust habe, noch einmal durch halb Europa nach Hause zu kutschieren. Aber die dunkle Wolke, die Merkel zur Umkehr bewog, stammt nicht aus isländischen Vulkanen. Sie hängt seit dem Wahl-Wochenende in NRW über der CDU-Chefin. Ihre Anwesenheit schien am Dienstag früh, als über das Euro-Rettungspaket in der Koalition und in der Unionsfraktion beraten wurde, vorsichtig formuliert, geboten.

Merkel sieht sich im Moment an so vielen Fronten gefordert wie lange nicht mehr. Außenpolitisch hat sie alle Hände voll zu tun, an der Euro-Rettung mitzuwirken und zugleich darauf zu achten, dass EU-Partner nicht die Gunst der Stunde nutzen und das vereinte Europa zur Transfer-Union mit einem Zahlmeister Deutschland umbauen. Innenpolitisch bocken die beiden kleinen Koalitionspartner. Und in der CDU wirkt der Schock der NRW-Niederlage nach; ein Schock, der überdies manchen lange aufgestauten Unmut in der Partei freisetzt. Und all das verdichtet sich zu der Frage, was diese schwarz-gelbe Koalition noch kann und will – und was die Kanzlerin.

Dabei könnte Merkel eigentlich ganz gut mal etwas Auszeit brauchen. Aber es gehört zu den besonderen Kennzeichen ihrer Amtszeit, dass in Phasen echter oder vermuteter Schwäche die eigenen Truppen am härtesten austeilen. Dabei geht es längst nicht mehr darum, dass sich die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende einer ernsthaften Konkurrenz ausgesetzt sähe. In gewisser Weise ist die Herausforderung umso größer: Es geht um ihre Autorität und Legitimation, es geht um kaum wirklich offen ausgesprochene Richtungsfragen.

Es geht aber auch um eine tief verunsicherte CDU. Zum wiederholten Mal stoßen Abgeordnete daheim im Wahlkreis auf etwas, was ein Parlamentarier „eine Mauer aus Unverständnis“ nennt. Dass erst die Banken gerettet werden mussten, dann die Griechen, jetzt der Euro – schon in der Sache begreifen die meisten Bürger nicht, was da passiert. Sie verstehen immer nur „Milliarden“. Bereits der Hinweis, dass es sich um Bürgschaften handelt und vorerst nicht um Bares, dringt kaum durch. Massiv verstärkt wird die Skepsis dadurch, dass die Politik den Eindruck der Getriebenen bietet. „Die Leute stehen vor mir und wollen eigentlich hören: Wir haben das alles im Griff“, sagt ein hessischer CDU-Abgeordneter. „Aber das kann ich doch guten Gewissens nicht behaupten!“

Dass aus den eigenen Reihen Zweifel am Krisenmanagement noch verstärkt werden, verdoppelt die Schwierigkeiten. Am Montag hat in München eine CSU- Spitzenrunde bei Parteichef Horst Seehofer zusammengesessen und sich über die da in Berlin echauffiert. Seehofer hatte schon öffentlich Beschwerde eingelegt, dass am 9. Mai in der Euro-Krisenrunde im Kanzleramt keiner von der CSU dabei war. Die Montagsrunde grummelte auf dieser Linie weiter. Dass drei Beamte im Kanzleramt über Milliarden entschieden, murrte ein Teilnehmer, das gehe so nicht weiter. Ein anderer meldete aus einer Blitzumfrage bei den CSU-Geschäftsstellen, die Stimmung an der Basis sei mies. Ein Dritter warf ein, ob das Euro-Rettungspaket diese Woche durch den Bundestag gehe, das werde man mal sehen. Zuletzt verkündete die Truppe, die CSU werde die Berliner auf Trab bringen bei der Regulierung der Finanzmärkte.

Das wäre für sich allein kein Problem, gäbe es nicht derzeit viele, die Merkel nur zu gerne in ihre Richtung traben lassen würden. Der Hesse Roland Koch ist vorgeprescht mit der Forderung, auf die geplante Aufstockung der Mittel für Bildung und Forschung zu verzichten. Dem Ministerpräsidenten ist es dabei wohl auch um die eigene Landesschatulle gegangen. Doch der Hesse nimmt gerne in Kauf, dass sein Vorstoß zugleich Merkel in die Enge treibt. Dass Koch das Stichwort „Steuererhöhungen“ fallen ließ, gehört zu den speziellen taktischen Bosheiten. Merkel hat sich erst mal nicht treiben lassen – Koch steht mit seiner Forderung öffentlich alleine. Aber der Ausgang dieses Gefechts ist offen.

Ganz und gar nicht alleine steht der Parteivize mit dem Ruf, die Kanzlerin müsse jetzt Richtungen vorgeben. Schrillster Rufer war bisher Baden-Württembergs neuer Regierungschef Stefan Mappus, der kurzerhand dem Parteifreund und Umweltminister Norbert Röttgen den Rücktritt nahelegte: Der Mann halte sich im Atomstreit weder an den Koalitionsvertrag noch an Vorgaben des Kanzleramts. Formal hat die Koalitionsrunde am Dienstag früh Mappus unterstützt. Eine Verlängerung der Atomlaufzeiten, befanden die Koalitionäre, kann die Regierung beschließen, ohne dass der nicht mehr schwarz-gelb dominierte Bundesrat ein Vetorecht hat. Merkel hat die Gefahr in dieser Sache erkannt und erste Handlungsstricke eingezogen. „Wir werden unsere politische Forderung durchsetzen“, sagte sie vor der Unionsfraktion. Eine Arbeitsgruppe mit Ländervertretern sowie Gesandten des Umwelt-, Justiz- und Innenministeriums sollen die strittigen Fragen bis 4. Juni klären. Mappus’ Hintergrund ist klar: Er muss sich in zehn Monaten als Nächster den Wählern stellen. Wie sehr unklare Botschaften eine bürgerliche Wählerschaft in die Enthaltung treiben, hat er in NRW sehen können. Der Ruf nach Richtung auf allen Politik-Gebieten wird eher lauter werden. Für Merkel steckt darin ein Langzeitgift: Der Ruf kann den ihren auf Dauer ziemlich ruinieren.

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