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Dieter Kosslick Im Interview: Statement für das Kino

Dieter Kosslick im Gespräch über den Niedergang und die Renaissance der City West – und das Bekenntis zu großer Leinwand.

Herr Kosslick, Sie sind bekennender Fan des Zoo Palastes und haben ihn „das einst schönste Kino im Lande“ genannt. Erobert das Haus jetzt den Spitzenplatz zurück?

Die Goldmedaille zu vergeben, überlasse ich anderen. Auf jeden Fall wird der Zoo Palast ein großartiges, schönes Kino. Was er ja auch immer war. Der lange Kampf um den Denkmalschutz hat sich gelohnt, hier muss man dem Stadtbauamt und nicht zuletzt dem Bauträger, der Bayerischen Hausbau, Respekt zollen. So wie der Raum mit seinen einzelnen Elementen jetzt erhalten bleibt, wird der Zoo Palast ein Edelstein im Westen – und den braucht es dringend. Wir haben uns vonseiten der Berlinale jedenfalls stark für den Zoo Palast eingesetzt.

Warum ist das Kino für die Berlinale so wichtig?
Das ist historisch gewachsen. Der Zoo Palast ist seit 1957 Berlinale-Kino. Mit dem Umzug aus Steglitz nach Charlottenburg hat sich das Festival der Welt geöffnet, die Berlinale wurde ein internationales Festival mit internationaler Jury. Bis einschließlich 1955 hat noch das Publikum abgestimmt. Und was vor allem ältere Berliner noch wissen: der Zoo Palast spielte als Teil der Internationalen Bauausstellung eine wichtige Rolle während des Kalten Krieges. Damals gab es ja auch ein Kino-Wettrüsten, mit dem International auf östlicher Seite, das gerade seinen 50. Geburtstag feiert. Der Zoo Palast war dagegen das Schaufenster des Westens.

Spätestens mit der Wende waren die Glanzzeiten vorbei.

Im Grunde schon früher. Ich bin seit 1983 als Fachbesucher auf der Berlinale, schon zu der Zeit war ein gewisser Niedergang des Westens unübersehbar. Das Bikini- Haus, damals das Festivalzentrum, hatte einen rasanten Abstieg erlebt, die tausendjährigen Eier beim Chinesischen Restaurant im selben Haus waren vermutlich wirklich so alt. Andererseits hatte das gesamte Areal auch einen obskuren Charme, wie der Vorplatz des Zoo Palastes mit seinen künstlichen Palmen, unter denen bayerisches Bier ausgeschenkt wurde.

Jetzt erlebt die City West ihre große Renaissance. Ist die Berlinale Teil der Bewegung?

Wir sind der City West ja nie untreu geworden. Denken Sie an das Kultkino Delphi, in dem noch immer die Sektion Forum beheimatet ist. Dass wir zuletzt das Haus der Berliner Festspiele an der Schaperstraße als Berlinale-Kino erschlossen haben, darf als Schritt zurück zum Zoo betrachtet werden. Natürlich freut es mich, dass der Westen jetzt wieder kommt. Mit dem Zoo Palast, dem Waldorf Astoria, der C/O-Gallerie im Amerika-Haus und der Audi-City von unserem Autopartner. In der City West wird noch viel passieren, da bin ich sicher.

Welche Sektionen der Berlinale werden im Zoo Palast beheimatet sein? Die Reihen Panorama und Generation, wie vor der Umbauzeit?

Die genannten Sektionen haben sicherlich das Recht des ersten Abends. Aber wir haben unsere Programmierung noch nicht abgeschlossen. Man darf nicht vergessen, dass die Berlinale in der Zwischenzeit mit dem Friedrichstadtpalast eines der größten und erfolgreichsten Kinos der Stadt bespielt. Jetzt haben wir drei Paläste. Den Berlinale-Palast mit dem roten Teppich am Potsdamer Platz, den Friedrichstadt-Palast und den Zoo Palast. Da muss man sehr genau schauen, dass man sich selbst keine Konkurrenz macht. Aber natürlich lassen wir uns ein besonderes Programm für die Eröffnung einfallen, die ja auch ein Geschenk an die Berlinale ist.

Welche Erlebnisse verbinden Sie mit dem Zoo Palast?

Viele natürlich. Ich erinnere mich, dass ich als Mitglied der Bundesvereinigung Film Anfang der 80er dort an einer Riesenprotestaktion gegen den damaligen Innenminister Friedrich Zimmermann teilgenommen habe. Weil er Herbert Achternbuschs umstrittenem Film „Das Gespenst“ keine Förderung gewähren wollte. Wir waren rund 500 Leute mit Leintüchern über dem Kopf. Als Zimmermann eine Rede hielt, sind wir gesammelt aufgestanden und haben gespenstisch gebuht. Das war ein großes Statement für die Kunstfreiheit.

Und seit Sie Berlinale-Direktor sind?

Oliver Stone hat „Commandante“ hier uraufgeführt, seine Dokumentation über Fidel Castro, der fast eingeflogen wäre! In letzter Minute wurde sein Besuch abgesagt, weil das am Vorabend des Irakkrieges ein ungeheures Politikum gewesen wäre. Madonna hat ihr Regie-Debüt „Filth & Wisdom“ im Zoo Palast präsentiert, Julie Delpy war hier, Patti Smith, Gus Van Sant, Kevin Spacey und James Franco.

Gab es auch Skandale?

Aber ja, wenn auch nicht zu meiner Zeit. Als ich noch Geschäftsführer der kulturellen Filmförderung Hamburg war, wurde der Goldene Bär an den Film „Stammheim“ von Reinhard Hauff verliehen, den wir gefördert hatten. Ich weiß noch, wie ich im Parkett saß, während die Jury-Präsidentin Gina Lollobrigida ans Mikrofon trat und verkündete: „I was against it“, ich war gegen diesen Film. Damit nicht genug. Lollobrigida wurde dann noch gefragt, welche Erinnerungen sie aus Berlin mitnehme. Sie sagte, sie habe zwei Schäferhunde gekauft. Ich dachte, das glaube ich nicht…

Erinnern Sie sich auch an ganz persönliche Momente?

Mein Sohn ist 2004 geboren worden. Als er gerade ein Jahr alt war, bin ich mit ihm zum Kinderfilmfest im Zoo Palast gefahren. Um den Kindern zu zeigen: Ich war nicht nur selbst mal Kind, ich habe auch eins. Das würde ich heute übrigens nicht mehr machen. Mein Sohn war in der Zwischenzeit eingeschlafen, ich trug ihn auf die Bühne. Plötzlich wurde er wach, blickte in die Gesichter von 1200 Kindern im Saal – und fing an zu schreien.

Sind Sie optimistisch, was die Zukunft des Zoo Palastes angeht?

Auf jeden Fall. Der Zoo Palast ist ja nicht nur ein Kino. Sondern ein Statement für das Kino. Der Trend geht dahin, sich „Ben Hur“ auf der Armbanduhr anzuschauen. Umso wichtiger ist das Bekenntnis zu großer Leinwand und fantastischer Technik.

Das Gespräch führte Patrick Wildermann.

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