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Pech gehabt. Nach dem Winter kommen die Schlaglöcher. Auf Schäden am Auto bleiben Halter meist sitzen.

©  Jan-Peter Kasper/dpa

Verkehrsrecht: Holperfahrt mit Hindernissen

Berliner Autofahrer brauchen starke Nerven – Verkehrsrichter auch. Wann sich ein Rechtsstreit lohnt, sagt unser Experte.

„Man sollte sich gut überlegen, ob man gegen Bußgeldbescheide vorgeht oder auf Schadenersatz klagt“, meint Roman Becker. Der Fachanwalt für Verkehrsrecht weiß aus langjähriger Erfahrung, wann ein Rechtsstreit in der Hauptstadt Erfolg verspricht.

FALSCHPARKEN

In Berlin gilt die inoffizielle Regel, dass Falschparker bei 52 Verstößen im Jahr eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) – den sogenannten Idiotentest – absolvieren müssen. Was viele nicht wissen: Wer als Halter eines Wagens immer nur fleißig die Knöllchen bezahlt, ohne selbst zu sündigen, wird auch zur MPU geladen. „Nach Ansicht des Berliner Verwaltungsgerichts ist ein Halter, der duldet, dass vielfach gegen Regeln verstoßen wird, genauso ungeeignet wie derjenige, der die Verstöße begeht“, erklärt Becker.

SCHLAGLÖCHER

Ein ständiges Ärgernis sind die Schlaglöcher auf Berlins Straßen. Eigentlich sind Länder und Gemeinden verpflichtet, Straßen verkehrssicher zu halten. Warum also nicht den Schaden ersetzt verlangen, wenn bei einer Holperfahrt der Reifen platzt oder die Ölwanne reißt? Becker macht Klägern wenig Hoffnung: „Die Streitigkeiten landen in erster Instanz vor dem Landgericht Berlin und dort fallen – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung vieler anderer Gerichte – die Entscheidungen regelmäßig zu Lasten des Autofahrers aus.“

Drei Argumente führt das Gericht an: Erstens verpflichte § 1 Straßenverkehrsordnung (STVO) zum vorausschauenden Fahren. Zweitens müsse man mit dem schlechten Zustand der Berliner Straßen rechnen, weil die Medien so oft darüber berichteten. Und drittens sei es dem Land nicht zuzumuten, 5400 Kilometer lückenlos zu überwachen. Hauptverkehrsstraßen müssen alle zwei Wochen, Nebenverkehrsstraßen alle zwei Monate kontrolliert werden. Kann das Land korrekte „Belaufprotokolle“ vorzeigen, hat es seiner Aufsichtspflicht genügt.

SCHEIBENWISCHER-GRUSS

Im Straßenverkehr reagieren viele besonders sensibel auf Beschimpfungen, den „Vogelgruß“ oder die „Scheibenwischer“-Geste. Sie erstatten Strafanzeige oder fordern Schmerzensgeld: ein wenig erfolgversprechendes Unterfangen. Das musste auch ein Polizist erfahren, der mit seinem Dienstwagen in zweiter Reihe stand, um Falschparker zu ahnden und dadurch den Verkehr behinderte. Ein Autofahrer zeigte ihm angeblich den „Scheibenwischer“. Der beleidigte Beamte zog vor das Amtsgericht Mitte, das die Klage mit nüchternen Worten abwies: Die Geste sei im Straßenverkehr leider allzu häufig und drücke im Grunde nur aus, „dass man den Beleidigten für einen schlechten/bescheuerten Menschen und/oder schlechten Autofahrer hält. Sie ist regelmäßig schnell vergessen und hinterlässt bei durchschnittlichen Menschen keinen bleibenden Eindruck“ (AG Mitte, AZ: 116 C 45/14 ).

AUSSTEIGEN

Auch wenn’s schwerfällt sollte man sich möglichst nicht in Streitereien mit anderen Autofahrern verwickeln lassen. „Wer zuerst aussteigt, hat schon verloren“, sagt Rechtsanwalt Becker. In der Regel beschlagnahmt die Polizei nämlich den Führerschein des zuerst Aussteigenden, und es kann mehrere Monate dauern, bis man ihn wieder in Empfang nehmen kann.

SCHARFES BREMSEN

Tritt der Vordermann scharf auf die Bremse und fährt man auf, verhält es sich in Berlin genau wie im Rest der Republik: Autofahrer müssen so etwas einkalkulieren, aufmerksam sein und genügend Abstand halten. Das machte das Kammergericht Berlin auch einer Dame klar, die nach einem Unfall Schadenersatz und Schmerzensgeld vom Vordermann verlangte – ohne Erfolg (AZ: 22 U 72/13).

WIEDERHOLUNGSTÄTER

Zum Schluss noch eine Warnung des Verwaltungsgerichts Berlin an alle chronischen Sünder: Ist jemand in zwei Jahren mit zwei Fahrzeugen 127 Mal als Falschparker und 17 Mal als Schnellfahrer aufgefallen, darf der Führerschein trotz der jeweils „kleinen“ Verstöße eingezogen werden. Die Häufung offenbare eine „laxe Einstellung und Gleichgültigkeit gegenüber Vorschriften“ ( AZ: 4 L 271/12). In diesem Sinne: Gute und gesetzestreue Fahrt.mit mht

Angelika Sylvia Friedl

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