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Berlin, Bund, Charité: Wer zahlt, schafft an

Kommt jetzt Berlin DC nach dem Vorbild der bundesfinanzierten US-Hauptstadt Washington? Was eine Übernahme der Charité durch den Bund bedeuten kann.

Barmherzigkeit war es vermutlich nicht, die Annette Schavan trieb, als sie in einem Interview mit der „Zeit“ davon sprach, der Bund könne die Berliner Hochschulmedizin, die Charité, in seine Obhut nehmen und damit so etwas wie eine Bundesuniversität gründen. Das Angebot der Bundesbildungsministerin belegt vielmehr drei seit langem absehbare, für die Bundesländer allgemein und für das Land Berlin speziell frustrierende Entwicklungen.

Zum einen wird der gerade durch die Föderalismusreform des Jahres 2006 ausdrücklich gestärkte Gestaltungsdrang der Länder in der Kulturpolitik als Schimäre entlarvt. Denn die Umsetzung dieses Dranges in manifeste Taten scheitert oft am Geldmangel und anderen Prioritätensetzungen. Zum anderen ist das kein Ruhmesblatt für die Berliner Landesregierung. Der verstärkte Einfluss des Bundes in seiner Hauptstadt ist ja nicht etwa der Erfolg einer langfristigen politischen Konzeption des Senats, sondern oftmals die Quittung für dessen Wurstigkeit – man will vieles, kann sich kaum etwas leisten, und wartet einfach ab, bis der Bund zahlt. Und drittens wäre die Bundesuniversität Charité ein weiterer Stein in einer Konstruktion, durch die Berlin wie ein deutscher District Columbia als Bundesland aufgelöst und unter weitgehende Finanzkontrolle des Bundes gestellt würde. Das muss, obwohl es das Ende der Eigenständigkeit wäre, kein Fehler sein.

Annette Schavan hat im Quervergleich deutscher mit weltweit renommierten Hochschulen ihre fehlenden Verbindungen zu außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Spitzenklasse als großes Defizit ausgemacht. In Berlin, so meint sie, sei mit der Charité – ihren 15 000 Mitarbeitern, 3500 Betten und 8000 Medizinstudenten – aber der Ansatzpunkt für eine solche Verknüpfung gegeben. Dass der Senat hingegen die Hochschulmedizin immer wieder unter dem Gesichtspunkt betrachtet, wo man einsparen kann, ist hinlänglich bekannt – die Charité ist schlicht eine Nummer zu groß für Berlin. Nur in der Bildungspolitik überaus ehrgeizige und zudem finanziell potente Länder, etwa Bayern und Baden-Württemberg, sind fähig, im wissenschaftlichen Sinne Elite-Universitäten weiterzuentwickeln. An dieser Erkenntnis führt auch kein störrisches Beharren auf dem Kulturföderalismus vorbei.

In Berlin zahlt der Bund für die Sanierung der Staatsoper. Er finanziert weitgehend den Bau des Humboldtforums, hat die Akademie der Künste übernommen, ist beim Jüdischen Museum wie beim Hamburger Bahnhof mit dabei, entließ das Land Berlin aus seinen Verpflichtungen zur Mitfinanzierung der Bauinvestitionen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, kümmert sich um das Deutsche Historische Museum, das Holocaust-Mahnmal und die Topographie des Terrors.

Die Liste ist damit nicht am Ende, Berlin ist es schon. Und falls jetzt der Finanzsenator jubeln sollte, die bei der Charité eingesparten Gelder könne man dann vielleicht in andere Projekte stecken, wäre das nur ein weiterer Beleg für ein grundlegendes Missverständnis. Annette Schavan hat ausdrücklich gesagt, die durch eine Bundesuniversität gesparten Landesmittel sollten dann gezielt in die anderen Hochschulen investiert werden. Ein „Bundesdistrict Berlin“, wie Washington DC, wäre jedenfalls nach der anstehenden Fusion der Länder Brandenburg und Berlin mit einer Hauptstadt Potsdam keine schlechte Lösung. Berliner Politik könnte sich dann endlich der drängenden kommunalen Fragen annehmen, also kleinere Brötchen backen. Die aber richtig.

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