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Wohnen in Berlin: Ein Haus für alle

Nur her mit den steuerflüchtigen Franzosen! Auch ein paar russische Oligarchen, die in Berlin ihr Geld ausgeben, können wir gebrauchen.

Nur her mit den steuerflüchtigen Franzosen! Auch ein paar russische Oligarchen, die in Berlin ihr Geld ausgeben, können wir gebrauchen. Bloß keine Angst. Von Londoner Verhältnissen, wo die Stadt mit Strafzahlungen erzwingen will, dass Millionäre ihre Villen zwecks Belebung der Quartiere auch regelmäßig bewohnen, sind wir weit entfernt. Der Normalverdiener mag den Kopf schütteln, dass an der Spree inzwischen Luxus-Eigentumswohnungen für 10 000 Euro pro Quadratmeter zu haben sind. Ein Indiz für eine heißgelaufene Spekulationsblase ist das aber nicht. Berlin, das sich so erfolgreich als trendigste Stadt Europas verkauft, kann kaufkräftige Zuzügler noch reichlich gebrauchen: Nirgendwo in der Republik ist das Armutsrisiko so groß wie in der Hauptstadt.

Trotzdem ist es richtig, jetzt darüber nachzudenken, welches Bild unsere Stadt abgeben soll – damit wir nicht die Fehler anderer Metropolen wiederholen. Niemand will ein unbelebtes Zentrum haben und Straßen, wo sich statt Läden des täglichen Bedarfs nur noch eine Kneipe an die nächste reiht. Auch Billig-Hostels muss es nicht in jedem Kreuzberger Hinterhof geben. Jeder Mieter merkt, dass Berlin mit seiner wachsenden Bevölkerung mitten drin ist in einem Veränderungsprozess – und ja, auch Verdrängungsprozess. Regulierend einzugreifen ist deshalb nicht des Teufels, sondern geboten.

Selbst die Berliner Industrie- und Handelskammer, sozialistischer Umtriebe unverdächtig, fordert einen sozialverträglichen Wohnungsbau – im selben Haus soll es neben teuren Lofts gleichzeitig auch preiswerte Wohnungen geben. Ein richtiger Schritt kann durchaus auch sein, die Umwandlung in Ferienwohnungen zu verbieten und Luxussanierungen zu verhindern, wie es jetzt Pankow als erster Berliner Bezirk beschlossen hat.

Für Berlin, wo vor wenigen Jahren noch zehntausende Wohnungen leer standen, ist das Neuland. Wenn in Schöneberg oder Friedrichshain die Kneipendichte gebremst werden soll, dann kann sich die Verwaltung aber auf andernorts erprobte Verfahren und Gerichtsurteile stützen. Gleiches gilt für den Wohnungsbau. Berlin braucht im Zentrum dringend bezahlbare, größere Wohnungen für Familien mit Kindern und nicht nur Single-Apartments. Bauherren auf Kontingente preiswerter Mietwohnungen auch in exklusiv geplanten Neubauten zu verpflichten – dieses Konzept machen Hamburg, München und Köln längst vor. Es gibt zudem Modelle, um Sozialwohnungsbau zu fördern, ohne dass sich das Land mit Milliarden verschuldet. Auch Baugenossenschaften, bei denen sich Mieter zusammentun, um Wohneigentum zu schaffen, sind ein erfolgreicher Weg.

Trotzdem wird mit den Einschränkungen ein schmaler Grat beschritten – denn eine überregulierte Stadt, in der Eigentumsrechte wenig gelten und es zum Beispiel nicht mehr erlaubt ist, ein zweites Bad in eine Wohnung einzubauen, darf niemand wollen. Es ist nicht nur eine Sache der Bezirke, in denen der Druck am größten ist, sondern auch des Senats, ein Regelwerk zu entwerfen. Das Gleiche gilt für Verbote zur Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder zur Zweckentfremdung. Die Koalition aus SPD und CDU hat bisher kein Konzept für die Mieterstadt Berlin vorgelegt. Wie die Instrumente aussehen, mit denen Berlin eine quirlige Stadt bleibt, die sich jeder leisten kann, ohne dass Investoren das Gruseln bekommen, muss jetzt klar werden.

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