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Morgen eröffnet der Zoo Palast: Zum Weinen schön

Berlin bekommt nach fast dreijähriger Bauzeit seinen legendären Kinopalast zurück - am 27. November wird er eröffnet. Ein erster Rundgang durch die Säle, ein erstes Probesitzen auf den Sesseln und der erste Genuss eines ganz neuen Kino-Komforts.

Nichts als uneingeschränkte Hingabe an die Traumfabrik Kino erlauben die neuen Sessel im umgebauten Zoo Palast. Der Schultergürtel ruht gerade auf der Rückenlehne, die sanft nach hinten nachgibt, die Beine sind locker hüftbreit ausgestreckt, der Nacken wird vom hohen Polster getragen, der Körper ist mit seiner ganzen Front der Leinwand zugewandt, bereit für Momente der Rührung, Suspense und entgegenschnellende 3-D-Effekte.

Wenn man einen der Logenplätze gebucht hat, geht zudem mit einem eleganten Aufschwung ein kleines Fußbänkchen nach oben. So ähnlich fühlen sich auch Massagesessel in Einkaufszentren an. Fast gut, das hier im Kino aber wenigsten diese Funktion nicht zur Verfügung steht – wenn auch noch der Rücken durchgewalkt würde, bestünde die Gefahr, vor Wohligkeit während des Films einzuschlummern.

Noch wackelt ein Testbild

Aber wofür sind denn bloß die großen Einsparungen in der Armlehne? Cupholder für XXL-Cola-Eimer? „Nein, nein“, sagt Hans-Joachim Flebbe, der neue Betreiber, „das ist für die Sektkühler.“

Das passt. Der neue Zoo Palast setzt ganz auf Komfort. Der Große Saal etwa hatte vor der Schließung 2010 Platz für 1200 Menschen. 350 Sitze sind entfernt worden. Dafür gibt es nun hier und auch in den sechs weiteren Sälen eine Beinfreiheit zwischen 1 Meter 30 und 1 Meter 60. Ähnlich ist Hans-Joachim Flebbe schon in der Astor Film Lounge am Kurfürstendamm vorgegangen, auch dieses Filmtheater hat er bereits 2008 zu einem Wohlfühlkino umgebaut.

Noch wackelt ein Testbild über die Leinwand im so genannten Atelier-Kino. Bunte Kreise und Raster sind zu sehen, das Bild wird eingemessen. Der Saal ist hell erleuchtet, die Handwerker brauchen Arbeitslicht und so fällt der Blick auf alle Details im Raum. Schlichte, schmale Leisten aus Ahornholz laufen die mit cremefarben glänzendem Samt bespannten Wände entlang. „Das sind alte Originalhölzer“, sagt Hans-Joachim Flebbe. Das Ensemble wurde denkmalgerecht saniert.

Die Architektin Anna Maske vom Architektenbüro MASKE + SUHREN, die auch schon für die Sanierung der Astor Film Lounge verantwortlich war, spricht deshalb lieber nicht von Um- sondern von Rückbau des Filmtheaters. 1957, das Jahr der Eröffnung, wurde zum Bezugspunkt der Architekten. So wie damals sollte der Zoo Palast wieder in seinen wichtigsten Gestaltungsmerkmalen aussehen. Dabei mussten die Architekten teilweise wie Archäologen vorgehen. „Wenn man in den vergangenen zehn Jahren in den Zoo Palast kam, der von außen recht imposant war, fand man sich in einem cineastischen Sammelsurium wieder. Alles war irgendwie noch da, aber das Raumkonzept war nicht mehr klar, weil vieles, ja zu viel hinzugefügt wurde.“

Vier Jahre Recherche

Zunächst machten sich die Architekten auf die Suche nach alten Plänen, Fotos, Zeitungsausschnitten und Filmaufnahmen, auf denen das Kino in seinem Ursprungszustand zu sehen waren. „Wir hatten bald sehr viel zusammen getragen und konnten das Gebäude immer genauer verstehen“, sagt Anna Maske. „Uns war schnell klar: Der Zoo Palast musste wieder so pur und in seinen Materialien wieder so ausgewogen werden wie damals. Also haben wir uns für die Rekonstruktion der Räume auf der Grundlage der Fotos entschieden.“

Hinter der Nostalgie steckt High-Tech

Vier Jahre lang hat sie mit ihrem Team recherchiert. „Und eigentlich tun wir es immer noch“, fügt Anna Maske hinzu, „Das, was wir finden, bestätigt uns, ergänzt die Vorinformationen und macht sie immer dichter und detaillierter.“

Weil Fotos nur einen zweidimensionalen Eindruck bieten, verließen sich die Bauplaner auch auf den Befund labortechnischer Untersuchungen. Restauratoren wurden beauftragt, die Materialien und die einzelnen über die Jahre immer wieder übermalten Farbschnitte der Originalbauteile zu untersuchen. So hat etwa die elliptische Bar die überlieferten siegellackroten Wände zurückerhalten, die Aufgänge ihre dynamischen Streifen aus dezentem Beige.

Die Bühne im Großen Saal vor der 22 mal acht Meter großen Leinwand, auf der einst die Filmwelt schillernde Premieren mit Stars wie Liselotte Pulver, Claudia Cardinale und James Stewart feierte, wurde nicht nur beibehalten, gleich zwei Vorhänge aus schwerem roten und goldenen Samt rahmen sie ein. Über allem schwebt ein hübscher Wolkenvorhang. So wie früher. Und wie früher, werden die Vorhänge vor jeder Vorstellung aufgezogen. „Wir zelebrieren das“, sagt Hans-Joachim Flebbe.

Hinter aller Nostalgie steckt High-Tech

Die Architekten mussten nicht nur auf Zeitreise gehen: Sie standen vor der Herausforderung, das größtenteils denkmalgeschützte, historische Ensemble mit Sälen, Gängen und Foyer wieder rauszuputzen und etwa den laxen Brandschutz von früher auszubügeln – aber auch komplett Neues hinzuzufügen. Denn fünf in den 70er und 80er Jahren hinzugekommene Säle wurden abgerissen und durch drei Neubauten mit Platz für 160 bis 180 Zuschauer ersetzt, zwei kleinere bereits vorhandene Schachtelkinos wurden umgestaltet.

Es zeigt sich bei einem ersten Rundgang durch das noch leere Haus: Der Übergang von den Fünfzigern ins Jahr 2013 ist fließend. Denn auch in den neuen Kinos tauchen Zitate der Nierentisch-Ära wieder auf. Die Seitenlinien in diesen Sälen schwingen sich sanft und mit viel Retro-Charme nach unten gen Leinwand. Die Deckenmitte trägt zwei abgesetztes Ovale, einen Kronleuchter oder sogar eine goldene Kuppel. Das Raumgefühl ist ähnlich wie in den historischen Sälen: Der Gast fühlt sich wie in einer Schatulle.

Warum hatte man sich hier nicht für zeitgenössische Architektur entschieden? „Wir haben das lange diskutiert“, sagt Anna Maske. „Wir hatten das Gefühl, dass wir das Haus so besser verständlich machen konnten. Letztendlich war es der Respekt vor der Architektur des Zoo Palastes und vor der Kinozeit der 50er Jahre, der uns bewogen hat, eine moderne, aber gediegene Architektur zu entwerfen, die das Vorgefundene nicht kontrastieren sollte.“

Dafür sind die LED-Leuchten und ein ausgeklügeltes Beleuchtungssystem in allen Kinosälen aus dem Hier und Jetzt. Die Lichttechniker hüllen die Reihen zur Probe in glamouröses Rot, das langsam in ein kühles Blau übergeht und dann in ein unheimliches Grün. Jedes Mal ändert sich die Stimmung im Raum. Alles ist eingetaucht in satte Farben.

Hinter aller Nostalgie steckt High-Tech

Schon Architekt Gerhard Fritsche hatte seinen Zoo Palast im wahrsten Sinne des Wortes als Lichtspielhaus konzipiert, unter anderem mit großen beleuchteten Vouten an den Decken. Doch es sprachen aus Sicht der Architektin nicht nur historische Gründe dafür: „Licht kann ein Denkmal gleichzeitig erhalten und wandeln“, sagt Anna Maske. „Wir können das Haus und die Säle in ihrer originalen ebenso wie in einer inszenierten, dem Zeitgeschmack angepassten Prägung wahrnehmen. Somit kann das Denkmal an sich bleiben, während das Licht sich wandeln und immer wieder neue Nuancen und Sichtweisen hervorbringen kann.“

Gewandelt hat sich mit dem Umbau auch die Technik: Hinter aller Nostalgie steckt High-Tech. Der Große Saal verfügt über das so genannte Dolby-Atmos- Soundsystem. Akustiker haben den Raum vorher genau ausgemessen, die Abstrahlcharakteristika bestimmt und die 58 Lautsprecher teilweise hinter der originalen Holzvertäfelung versteckt. „Wir hatten es mit sehr unterschiedliche Bedingungen in den Sälen zu tun“, sagt Anna Maske, „Das war sehr interessant, weil wir je nach räumlicher Anforderung mit gedämmten Wandaufbauten, mit speziellen Absorbern, aber auch mit elektroakustischen Maßnahmen gearbeitet haben, um die Raumakustik zu korrigieren.“

Der kleinste Saal hat 50 Plätze

Schließlich soll alles gut klingen im Zoo Palast, der nach den Vorstellungen von Hans-Joachim Flebbe vom gehobenen Unterhaltungsfilm bis zur Matinee für Cineasten alles bieten soll: Den 3-D-Film mit Surround-Klang aber auch Filmschätze wie „Ben Hur“ oder „Dr. Schiwago“, bei denen der Ton klassischerweise von vorne kommt.

„Das muss ich Ihnen noch zeigen“, sagt Flebbe und geht ein paar Stufen hinunter. Er führt in einen der beiden kleinsten Sälen des Zoo Palastes mit 50 Plätzen. Der neue Betreiber nennt sie „Bibliotheken“: Bücher stehen in den Regalen aus dunklem Holz an den Seiten. Wer will, kann sich eins rausnehmen und im Tausch gegen ein anderes mit nach Hause nehmen. Ob sich die Kino-Gäste auf diese Spielerei einlassen werden, wird sich zeigen.

Die dunkle Holzvertäfelung und die weinroten Samtsessel verströmen jedenfalls die Atmosphäre eines englischen Herrenzimmers. „Das hat auch etwas mit den 50er Jahren zu tun“, findet Anna Maske. „Da ging man gern ins Kino und machte es zum großen Wohnzimmer, weil es das zuhause einfach noch nicht wieder gab.“ Heute sollen so Zuschauer wieder ins Filmtheater gelockt werden, die normalerweise lieber auf dem heimischen, gemütlichen Sofa lümmeln und sich eine DVD anschauen.

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