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Marlene von Steenvag mag es, mit ihrer Weiblichkeit zu kokettieren.

© imago/Future Image

Burlesque Festival Berlin: Ausziehen, bitte – aber richtig

50 Künstler aus aller Welt kamen am Wochenende zum Burlesque Festival. Die Berliner Szene ist rasant gewachsen. Zu den Shows kommen vor allem Frauen.

Eine Russin schwebt in einem Ring über dem Boden. Eine Amerikanerin tanzt Ballett. Eine andere Akrobatin spielt mit einem Feuerring. Und alle entkleiden sich dabei.

Das und vieles mehr gab es in der vergangenen Woche beim vierten Berlin Burlesque Festival. Eine von zwei Organisatorinnen ist Marlene von Steenvag, ein Star der deutschen Szene, oft betitelt als „German Queen of Burlesque“. Im Heimathafen Neukölln und im Wintergarten in Schöneberg gab es drei Abendshows, dazu After-Show-Partys und Workshops für Anfänger und Profis.

Ein Erlebnis für alle Sinne, sagt Steenvag. Deshalb haben sie die Veranstaltungsräume mit ätherischen Ölen beduftet. Und für den betörenden Geschmack Cocktails aus den 20er Jahren ausgeschenkt, die mit Branntwein gemischt wurden. „Der war damals wahnsinnig beliebt“, sagt Steenvag.

Burlesque, ein "kunstvolles Entblättern"

Steenvag hat die Berliner Burlesque-Szene mitaufgebaut. Vor sechs Jahren, als sie nach Berlin gezogen ist, habe es hier keine Szene gegeben. „Wir waren insgesamt vielleicht fünf Performer“, sagt sie. „Mittlerweile bekommen wir sehr viele Anfragen für private Partys“, sagt Steenvag, die inzwischen auch eine Agentur für Burlesque-Tänzer leitet. Das Festival habe sich super entwickelt, außerdem gibt es in der Stadt zahlreiche andere tolle Events und Burlesque-Bars.

Für alle, die das Festival verpasst haben oder erst richtig auf den Geschmack gekommen sind, empfiehlt Marlene von Steenvag die Partyreihen „Bohème Sauvage“ im Stil der 20er Jahre und die „Fête Fatale“ mit 70er-Jahre-Charme und viel Burlesque. Außerdem gibt es regelmäßig Burlesque in der Zirkusbar „Zum starken August“ in Prenzlauer Berg (Schönhauser Allee 56) und im „Prinzipal“ in Kreuzberg (Oranienstraße 178). „Mittlerweile hat sich die Aufmerksamkeit international sehr auf Berlin gerichtet“, sagt sie. Doch Burlesque, was ist das eigentlich? Steenvag sagt: „Die Burlesque ist eine Form von Entertainment mit Elementen des Striptease, ein kunstvolles Entblättern als Folie der Unterhaltung.“

Klingt etwas kryptisch, was ist denn anders als beim Striptease? „Der Hauptunterschied ist die Rolle der Frau“, sagt Steenvag. Beim Striptease sei die Frau nur ein schönes Objekt. „Bei der Burlesque ist sie eine Performerin, ein Subjekt“, sagt Steenvag, „das Kraftverhältnis wird umgedreht.“

Außerdem hat das Ausziehen beim Burlesque seine Grenzen. Brustwarzen zum Beispiel werden nie komplett entblößt. „Das hat historische Gründe“, erzählt Steenvag. In den 40er Jahren sei es in den USA verboten gewesen, Brustwarzen zu zeigen. „Die Tänzerinnen haben sich dann überlegt: Wir verdecken einfach nur das, was wir verdecken müssen, nämlich den Nippel“, sagt Steenvag. Damit es trotzdem gut aussah, nahm man dafür funkelnde Steinchen. Heute ist diese Verzierung Tradition.

Anfragen aus aller Welt

Was viele nicht wissen: Auch Männer machen mit. „Dann spricht man aber von Boylesque“, sagt Steenvag. Klassische Burlesque-Tänzer und Tänzerinnen erzählen eine Geschichte und spielen einen Charakter, sagt sie. Und wer ist Marlene von Steenvag? „Ein Glamour-Charakter in einer sehr ästhetischen, klassischen Show, inspiriert von Comedy“, sagt Steenvag. Seit sieben Jahren tritt sie als Burlesque-Tänzerin auf. „Ich komme vom Schauspiel“, sagt sie. Über Chansons von Bertolt Brecht und Kurt Weill aus den 30er Jahren sei sie auf Burlesque aufmerksam geworden. Sie habe ausprobiert und gemerkt: „Ich genieße es, mit meiner Weiblichkeit zu kokettieren.“

Beim Burlesque Festival ist sie mit einer Swing-Band aus sechs Musikern und zwei anderen Tänzerinnen aufgetreten. Das besondere an der Show: Eine 360-Grad-Kamera hat sie aufgenommen. „Auch nach Ende des Festivals können sich Zuschauer zu Hause mit einer passenden Brille den Auftritt in 3 D anschauen“, sagt sie.

Beim Festival waren 50 internationale Künstler zu Gast, beworben hatten sich einige mehr. „Wir haben Anfragen aus aller Welt bekommen und mussten erst einmal sortieren“, sagt Steenvag. Genommen wurde, wer eine originelle Idee hatte oder etwas Neues nach Berlin bringen konnte.

So ist zum Beispiel Lily Verlaine eingeladen worden, eine US-Ballerina, die Burlesque, Ballett und Comedy verbindet. „Das ist sehr ungewöhnlich“, sagt Steenvag. Besonders beeindruckt hat sie auch der Auftritt der Gruppe „The Treatures“. Die Berliner haben, inspiriert vom Film Noir der 20er Jahre, eine Show in Schwarz-Weiß dargestellt. „Das sah unglaublich gut aus“, sagt Steenvag. Das Festival war komplett ausverkauft. „Von 18 bis 80 Jahren war alles dabei“, sagt sie. Und: Mehr als die Hälfte der Karten kauften Frauen. Überraschend? Nein, sagt Steenvag. „Das hat sicher auch mit dem starken Bild der Frau zu tun, das wir darstellen.“

Die Partyreihe „Bohème Sauvage“ gibt es wieder am kommenden Sonnabend, 29. Oktober, im Meistersaal, Köthener Straße 38, Kreuzberg. Die nächste „Fête Fatale“ findet am 12. November im Bassy Club, Schönhauser Allee 176A, Prenzlauer Berg statt. Mehr Infos zur Künstlerin gibt es unter: www.marlene-von-steenvag.de.

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