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Brandenburg: 15000 oder 9300 Stellen weg? Gutachterstreit um Personalabbau

Ministerium will Verwaltung ausdünnen. Gewerkschafts-Expertise stellt Zahlen in Frage

Potsdam. Um das Milliardendefizit im Brandenburger Haushalt zu schließen, will Finanzministerin Dagmar Ziegler (SPD) bis Januar 2003 die gefürchtete „Giftliste“ vorlegen. Grundlage der Ziegler-Sparvorschläge soll vor allem das Gutachten des Frankfurter Wissenschaftlers Helmut Seitz sein, nach dem sich Brandenburg im Vergleich zu Sachsen überhöhte Ausgaben und eine aufgeblähte Verwaltung leistet. Gestern präsentierte die Gewerkschaft Verdi allerdings ein Gegengutachten, das die Kernthesen von Seitz erschüttern soll. Der Verdi-Landesbeauftragte Werner Ruhnke warf Seitz „außerordentlich fahrlässige und unseriöse Berechnungen“ vor.

Der von Verdi beauftragte Wissenschaftler Frank Berg vom Brandenburg-Berliner Institut für Sozialwissenschaftliche Studien (BISS) kommt in seinem Ländervergleich zu gänzlich anderen Ergebnissen. Danach schneidet Brandenburg nicht schlechter, sondern mit 4669 Verwaltungsstellen je 100000 Einwohner sogar besser ab als Sachsen (4764 Stellen) und ostdeutsche Flächenländer (4884). Der Grund: Berg hat anders als Seitz nicht nur die Kernverwaltungen der Länder verglichen, sondern er hat aus dem Landessäckel finanzierte selbstständige Einrichtungen – wie Krankenhäuser, Universitäten, öffentliche Unternehmen und Stiftungen – einbezogen. Aus Sicht von Berg reicht der von der Landesregierung bislang angepeilte Abbau von 9300 der bisher rund 69000 Stellen aus, während Seitz in seinem Gutachten einen Überhang von 15000 Stellen ausmacht. Die Landesregierung nimmt das Gutachten immerhin so ernst, dass es beide Wissenschaftler zusammenbringen will, um Klarheit zu erhalten.

Seitz wies gegenüber dem Tagesspiegel die Kritik als „kleinkariert“ zurück und sprach von einer „Scheindebatte“: Er habe ganz bewusst Einrichtungen wie Universitätskliniken – Brandenburg hat keine – nicht in den Gesamt-Ländervergleich einbezogen, da sie eine seriöse Analyse der öffentlichen Ausgaben Brandenburgs verzerren würden. „Mein Vergleich hat Probleme“, gab Seitz zu, die habe der von Berg aber auch. Der Blick auf die Personalstatistik reiche nicht, die Ausgaben müssten verglichen werden. Entscheidend bleibe, dass sich Brandenburg höhere Ausgaben als Sachsen leistet – gemessen an seiner Einwohnerzahl rund 1 Milliarde Euro jährlich. „Wo kommen denn diese Mehrausgaben her?“, so Seitz. „Brandenburg leistet sich zu viel, auch zu viel Personal. Das kann nicht wegdiskutiert werden.“

Doch auch Berg geht mit der Landesregierung hart ins Gericht. Zwar bestätigt der Experte, dass die Reform und Modernisierung der Landesverwaltung inzwischen ernsthaft in Angriff genommen wurde. Doch im Detail fällt sein Urteil vernichtend aus: Führungsdefizite, kaum Motivation der Belegschaften, kaum Ressort übergreifendes Denken. „Es zeigt sich vor allem, dass es bislang keine Leitidee, keine Strategie für die Weiterentwicklung des Landes gibt“, so der Wissenschaftler. Brandenburg hinke da anderen Ländern hinterher. So sei das Prinzip der dezentralen Konzentration, der bevorzugten Förderung der Randregionen, von der Realität längst überholt. Trotzdem gebe es kein neues Konzept für die Regionalförderung. Auch sei zum Beispiel fraglich, ob 14 Landkreise Bestand haben können.

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