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Brandenburg: Arbeitslosen-Rap für den Herrn Minister

Auf der Suche nach Jobs für junge Leute kam Wolfgang Clement nach Frankfurt Die sind dort Mangelware, immerhin gibt es ein paar Hoffnungsschimmer

Von Sandra Dassler

Frankfurt (Oder) – Gleich zweimal fährt der Bus mit Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) an der grauen Ruine der Chipfabrik vorbei. Gleich zweimal aber vermeiden die Veranstalter jeglichen Hinweis auf das traurige Schicksal der einst so großen Hoffnung für Frankfurt. Erst später, als der Minister mit Unternehmern der Region über Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsplätze diskutiert, spricht ein Vertreter der örtlichen Bauwirtschaft aus, was viele hier denken: „Diese Bundesregierung hat uns doch im Stich gelassen. Immer wieder haben ihre Vertreter – auch Herr Clement – versprochen, dass die Chipfabrik kommt. Und dann gab es keine Unterstützung.“

Clement kontert: „Ich habe das nie versprochen. Das Scheitern der Chipfabrik war unweigerlich, weil kein industrieller Träger an dem Projekt beteiligt war.“ Allerdings habe man den Frankfurtern Hilfe versprochen, wenn sie konkrete Projekte für Unternehmensansiedlungen vorlegen würden. Das sei bislang nicht geschehen.

Eigentlich ist der Minister gestern nach Frankfurt gekommen, um für Ausbildungsplätze zu werben und für den bundesweiten Wettbewerb „Deutscher Förderpreis Jugend in Arbeit“, den das Wirtschaftsministerium und die Bundesagentur für Arbeit gestartet haben. Mit ihm sollen bundesweit Aktivitäten gegen Jugendarbeitslosigkeit mobilisiert und innovative Lösungen gefördert werden. In Frankfurt wären solche Initiativen bitter nötig: Sichtlich geschockt muss Wolfgang Clement zur Kenntnis nehmen, dass im Bereich der Arbeitsagentur Frankfurt für 3000 Jugendliche kein Ausbildungsplatz zur Verfügung steht. 5000 junge Menschen unter 25 Jahren sind ohne Arbeit – 999 allein in Frankfurt.

Da freut sich Wolfgang Clement über jeden Hoffnungsschimmer. So unterstützt das von EU, Land und Stadt finanzierte Projekt „young companies“ jungeMenschen, die eine eigene Firma gründen wollen. „Eine sehr gute Sache“, sagt der 27- jährige Felix Seliger aus Strausberg. Er hat ein eigenes Musik-Label für HipHop gegründet, nachdem er vier Jahre lang arbeitslos war. „Ich habe hier alles gelernt, was ich für eine Firmengründung brauche", erzählt er. Etwas Geld verdient Felix Seliger inzwischen auch. Er findet es gut, dass sich ein Bundesminister den Problemen am Ort stellt. Und wenn ein Wettbewerb dazu beiträgt, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, könne das nur gut sein, meint er und singt dem Minister einen Rap vor, in dem er seine Erfahrungen vertont hat – nach dem Motto: „Wartet nicht, dass euch von außen jemand hilft. Nehmt euer Schicksal selbst in die Hand.“ Clement kann dem nur zustimmen: „Solche mutigen jungen Leute brauchen wir“, sagt er später den Unternehmern, die artig applaudieren.

Wolfgang Clement scheut sich nicht zuzugeben, dass er ein wenig ratlos ist. „Wir geben so viel Geld für die Förderung von Arbeitsplätzen aus, und das Ergebnis ist gleich Null“, sagt er und nennt die Jugendarbeitslosigkeit ein „schreckliches Problem“, um dessen Lösung keine Bundesregierung herumkomme. Aber es gehe ihm hier nicht um Wahlkampf: „Die Preisträger im bundesweiten Wettbewerb Jugend in Arbeit werden erst lange nach dem 18. September geehrt“, sagt er: „Ich werde aber auf jeden Fall dabei sein - egal, wer dann Wirtschaftsminister ist.“

Zum Abschluss seines Besuchs lässt es sich Wolfgang Clement nicht nehmen, die kürzlich von Russland zurückgegebenen historischen Glasfenster der Marienkirche zu bestaunen. „Wir brauchen noch 70 000 Euro für die Sanierung“, sagt Restauratorin Sandra Meining. „Vielleicht können Sie ja ein paar Spendenaufrufe mitnehmen und verteilen?“ Clement kann es nicht fassen: Ehrlich erstaunt fragt er: „Sie brauchen nur 70 000 Euro? Aber das kann doch kein Problem sein. Das müssen doch die Frankfurter alleine schaffen.“ Deshalb will er auch selbst nichts beisteuern. „Was nutzt es, wenn ich Ihnen jetzt zehn Euro gebe?“ Die Frankfurter Gastgeber schauen ein wenig betreten und bemühen sich vergeblich, dem Wirtschaftsminister klarzumachen, dass 70 000 Euro für die Menschen hier viel Geld sind. „Na gut“, verspricht der Minister: „Wenn Sie bis zum 1.Januar 2006 das Geld nicht zusammen haben, rufen Sie mich an.“ Dann fährt er zurück nach Berlin.

Der Sprecher der Stadt Frankfurt eilt sogleich zum PDS-Wahlstand. Lothar Bisky, Bundesvorsitzender der Linkspartei, hat in Frankfurt sein Wahlkampfbüro. Eigentlich wollte auch er an seinem gestrigen 64. Geburtstag die Marienkirche besichtigen. Wegen Clement hat er den Besuch verschoben. Aber wenn er kommt, lässt er ausrichten, werde er selbstverständlich auch eine Spende für die Fenster mitbringen. Es ist eben Wahlkampf.

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