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Bahnunglück: Knapp an einer Katastrophe vorbei

In der Raffinerie Schwedt rollten plötzlich 24 Kesselwagen mit Benzin los. Zwei entgleisten und drohten zu explodieren. Das Grundwasser ist verseucht.

Von Sandra Dassler

Schwedt - Für etwa 80 Einwohner des Schwedter Ortsteils Stendell fand das Osterfest am Montagabend ein jähes Ende. Binnen weniger Minuten mussten sie ihre Häuser verlassen. Grund: Auf dem nahen Betriebsbahnhof der Schwedter PCK Raffinerie hatten sich kurz vor 20.30 Uhr 24 mit Benzin beladene Kesselwagen in Bewegung gesetzt. Zwei entgleisten, einer krachte gegen einen Brückenpfeiler und schlug leck. 80 000 Liter Benzin liefen aus. Wegen der hohen Explosionsgefahr wurde Stendell evakuiert und ein Schaumteppich um die Unfallstelle gelegt. Rund 100 Feuerwehrleute, Polizisten und Betriebsangehörige waren im Einsatz. Auch Rettungswagen und Notärzte wurden vorsorglich angefordert.

„Zum Glück war es am Abend nicht mehr so warm“, sagt Ehrenfried Hartwig, der Leiter des Umweltamtes im Landkreis Uckermark: „Wenn sich das Benzin entzündet hätte und es zur Explosion gekommen wäre – nicht auszudenken.“

Hartwig hat nun ein anderes Problem. Die 80 000 Liter Benzin sind größtenteils im Erdreich versickert. „Ein kleiner Teil des Kraftstoffs ist in einen Wassergraben gelangt, den wir schnell absperren und abschöpfen konnten“, sagt er: „Die restliche Menge ist in einer Art Blase bis auf das Grundwasser gelangt. Experten versuchen, es zu lokalisieren, damit man es von dort wieder abpumpen kann.“

Gestern seien die Einwohner darüber informiert worden, dass sie kein Wasser aus privaten Brunnen nutzen dürften. Das aus der Trinkwasserleitung stammende Wasser sei hingegen unbedenklich. Inzwischen sind fast alle Anwohner in ihre Häuser zurückgekehrt. Sie müssen zwar mit Benzingestank und den Aufräumarbeiten leben, sind aber froh, dass eine Katastrophe verhindert wurde. 1997 war ein Kesselwagenzug aus Schwedt bei der Fahrt durch den Bahnhof Elsterwerda entgleist. Zwei Wagen explodierten, Gebäude wurden zerstört, im Feuerregen starben zwei Menschen, mehrere wurden verletzt.

Warum sich die 24 Kesselwagen plötzlich in Bewegung setzten, das wisse keiner, sagte Raffinerie-Sprecherin Vica Fajnor dem Tagesspiegel: „So etwa ist in unserer 50-jährigen Firmengeschichte noch nie passiert.“Angeblich waren die Wagen zu einem Zug zusammengestellt, als sie losrollten. Dem Personal sei es gelungen, aufzuspringen und 22 Wagen abzubremsen, sagte Fajnor. Zwei seien aber auf dem Gleis weitergerollt, das an einer Straßenbrücke in Stendell endete.

Ermittler gehen hingegen davon aus, dass der ganze Zug weiterrollte. „Und zwar insgesamt fast zwei Kilometer“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder): „Der Zug ist sogar über einen Prellbock gefahren, der erste Wagen ist dann gegen den Pfeiler geknallt, der zweite hat sich hineingeschoben.“ Zur Klärung der offenen Fragen sei eine unabhängige Sachverständigenkommission eingeschaltet worden. Sandra Dassler

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