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Kampf gegen die Zeit. Dilek Kolat (47) ist seit 2011 Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen – und sucht seit sieben Wochen nach einer Lösung für den Oranienplatz.

© dpa

Verhandlungen über Flüchtlingscamp am Oranienplatz: Integrationssenatorin Kolat läuft die Zeit davon

Die Zukunft der Flüchtlinge vom Oranienplatz bleibt weiter unsicher. Die CDU ist nach wie vor willig, das Camp polizeilich zu räumen, während die SPD auf eine "humanitäre Lösung" drängt. Die zähen Verhandlungen verdecken auch das drohende Scheitern der Senatorin Dilek Kolat.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Also, das sei nur ein Missverständnis. Die Senatorin Dilek Kolat werde im SPD-Ortsverband Schöneberg-City nicht über den Stand der Verhandlungen über das Schicksal der Flüchtlinge am Oranienplatz berichten. Auch wenn die Einladung zur Mitgliederversammlung am Dienstagabend im Rathaus Schöneberg genau dies suggeriert: „Flüchtlinge auf dem Oranienplatz – Möglichkeiten im Senat“. Kolat werde, so versicherte ein Sprecher ihrer Verwaltung, nur ganz allgemein über die Flüchtlingspolitik in Berlin und im Bund referieren. Ansonsten bleibt es bei der Geheimdiplomatie, die seit Anfang Januar praktiziert wird, als es wegen der Zustände im Kreuzberger Flüchtlingscamp in der rot-schwarzen Koalition krachte.

Die Integrationssenatorin Kolat und die frühere Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), sprechen seitdem in unregelmäßigen Abständen mit Flüchtlingen, deren Anwälten und Unterstützern. Zwar hatte Kolat damals zugesagt, dass „selbstverständlich auch die Öffentlichkeit über den Fortgang informiert“ werde. Dieses Versprechen hielt die SPD-Politikerin aber nicht ein. Angeblich um den Erfolg der Verhandlungen nicht zu gefährden.

Keine schnelle Einigung

Eine Intransparenz, die Kolat nicht allein zu verantworten hat. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU), die nach der Senatssitzung am Dienstag mit der Amtskollegin über die – sich wieder zuspitzende – Lage am Oranienplatz sprachen, verwiesen anschließend auf die Vertraulichkeit des Treffens.

Trotzdem blieb nicht verborgen, das sich das Trio nicht auf eine Linie einigen konnte, die einen schnellen Erfolg verspricht. Die handelnden Personen haben sich im Thema und in sich selbst zunehmend verhakt. Und eine pauschale Lösung zugunsten der gesamten Flüchtlingsgruppe, die mit dem Oranienplatz in Verbindung gebracht wird, ist rechtlich nicht haltbar. Zumal sich andere Flüchtlinge in Berlin zu Recht darüber beschweren könnten, dass sie weniger kulant behandelt werden, nur weil sie nicht lauthals und teilweise aggressiv auf öffentlichen Plätzen ihr Schicksal beklagen.

Für den Innen-Experten der CDU-Fraktion, Robbin Juhnke, ist die Sache klar: „Wir braten keine Extrawürste für Menschen, die sich gegen das Gesetz stellen.“ Und die Befestigung des Camps mit Holzbaracken sei eine „weitere Stufe der Eskalation“. Aus Sicht der Union, so Juhnke, müssen die Flüchtlinge am Oranienplatz ihre Forderung nach einer generellen Duldung und nach Aufhebung der Residenzpflicht fallen lassen. Es gehe jedenfalls nicht, dass der Senat für einige hundert Flüchtlinge „in massiver Weise Ausnahmetatbestände vom bundesweit geltenden Aufenthaltsrecht schafft“.

Ein Ergebnis bis Ostern wäre gut

Genau das ist aber die Linie, die Kolat mit Rückendeckung der eigenen Partei seit Wochen verfolgt. „Eine humanitäre Lösung steht für uns ganz oben an“, bestätigte SPD-Integrationsexperte Rainer-Michael Lehmann. Jeder Einzelfall müsse entsprechend geprüft werden. Ein Ergebnis bis Ostern wäre gut. Aber Kolat läuft die Zeit davon. Denn die CDU ist nach wie vor willig, das Camp polizeilich zu räumen, aber nicht erst in sechs Wochen, wenn der krawallempfindliche 1. Mai vor der Tür steht. Und so wächst der Druck auf die ehrgeizige Sozialdemokratin von Tag zu Tag. Zunehmend dient die Vertraulichkeit der Verhandlungen mit den Flüchtlingen auch ihrem eigenen Schutz, denn die Geheimnistuerei verdeckt auch das drohende Scheitern der Gespräche. Noch.

Zu Jahresbeginn hatte sich Kolat mit großem Geschick in die Rolle der Verhandlungsführerin hineingeschmuggelt. Geht die Sache schief, wird auch das mit ihr verbunden. Keine einfache Lage für eine SPD-Politikerin, die noch immer damit liebäugelt, Spitzenkandidatin der Sozialdemokraten bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 zu werden. Wobei sie im April erst einmal darum kämpfen muss, den wichtigen Job als SPD-Kreischefin in Tempelhof-Schöneberg zu behalten. Wer Kolat kennt, weiß zwar, dass sie niemals kampflos aufgibt. Aber er weiß auch, dass die ebenso schlaue wie impulsive Frau im Eifer des innerparteilichen Gefechts manchmal die falsche Waffe wählt.

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