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Berlin: Bemme on demand

Stullen machen ist wie Eier kochen oder Beuteltee aufgießen: kann absolut jeder. Denkste, auch diese Dienstleistung ist gefragt Immer mehr Leute lassen sich ihr Pausenbrot herrichten und sogar ins Büro liefern – von den vielen Schmierereien in der Stadt.

Man nehme zwei Scheiben Brot, verstreiche etwas Butter darauf und lege Wurst oder Käse dazwischen. Fertig. Doch so einfach eine Stulle zuzubereiten ist – nicht einmal das muss man in Berlin noch selbst machen. Hungrige Menschen können ihr Pausenbrot auch einfach per Telefon oder im Internet bestellen.

Vor allem Werbeagenturen, Filmcrews und Galerien seien seine Kunden, sagt Wolfgang Huber, der gerade den Lieferservice „Voll Stulle“ am Senefelder Platz gegründet hat. „Es sind Leute, die viel arbeiten und zwischendurch etwas zwischen die Zähne brauchen. Oft sitzen sie bei Arbeitsmeetings und wollen nicht rausgehen.“ Auch ein Fotostudio und eine Pandabären-Konferenz hat er schon beliefert. Sechs Brote hat er im Angebot, etwa „Heiko Käse“ (Bergkäse, Ei, Senf und Gewürzgurke) und „Pastian Sprodieschen“ (Frischkäse, Kresse, Radieschen und Sprossen, eingelegte Tomaten, Olivenscheiben), aber auch Bodenständisches wie Leberwurst- und Bulettenbrote. „Wir machen kein riesiges, aufwendiges Catering mit tausend Platten“, meint Huber, „aber es ist doch mehr als das, was der Praktikant vom Bäcker um die Ecke holt.“

Die Stulle ist wieder an vielen Ecken zu bekommen. Den Trend zurück zu den schlichten Pausenbroten hatten vor ein paar Jahren unter anderem die Joseph-Roth-Diele in der Potsdamer Straße und der Kreuzberger Imbiss „Suppe und Stulle“ ausgelöst. Auch Ralf Rüller serviert in seinem Café „The Barn“ schon lang Sauerteigbrotscheiben mit diversen Käsesorten sowie Körnerschrippen mit Schwarzwälder Schinken, dekoriert mit essbaren Blüten. Doch er scheiterte am Catering. „Da haben Galerien angerufen: Wir hätten gerne vierzig Stullen in einer halben Stunde. Das hat uns total überfordert“, sagt Rüller. Solche großen Aufträge habe er nicht verarbeiten können. Und für einzelne Pausenbrote lohne es sich nicht, mit dem Fahrrad loszufahren.

Huber hingegen hat schon mal 200 belegte Brote ausgeliefert. Seine Kunden sind nicht einzelne Büromitarbeiter, die sich eine Stulle an den Schreibtisch bringen lassen, sondern meistens ordern die Sekretariate, die ihn vom Firmenbudget bezahlen. Weil die Resonanz so positiv war, betreibt Huber seit drei Wochen eine kleines Stullencafé in der Metzer Straße 2. An den Wänden hängen in breiten Goldrahmen Fotos seiner Stullen, dazu gibt’s Kaffee und Limonade. In der Küche steht Anke Gerdes, schneidet Tomaten und schmiert mit flinken Händen die Stullen. „Wir kaufen alle Zutaten eigenhändig im LPG-Markt gegenüber“, sagt die gelernte Sommelière. Derzeit sei das zu schaffen. Später soll auch der Lieferant nur Bio-Zutaten bringen. „Das ist uns ganz wichtig, wir sind beide überzeugte Bio-Esser.“

Mit den natürlichen Zutaten versuchen sie, eine Nische zu besetzen. Denn alleine sind sie auf dem Stullenausliefermarkt nicht. Unweit von „Voll Stulle“ schmiert etwa „Die Stulle“ in der Eberswalder Straße Brote mit Met, Schmalz oder Huhn mit Fruchtchutney. „Die Stullenmacherin“ in der Prenzlauer Allee packt gleich ganze Lunchpakete und Landpartie-Picknicksets. Außerdem catern in Mitte beispielsweise zwanzig Mitarbeiter bei „Butterstulle“ und am Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg sitzt der „Manufactum brot&butter-Laden“.

Zwischen den Dönerbuden, Asia-Imbissen und Schawarma-Läden hat die einfache Hausmannskost offenbar wieder ihren Platz erobert. Huber sieht sogar noch weiteres Kundenpotenzial. „Im Prenzlauer Berg, wo oft beide Eltern arbeiten, haben die Menschen oft keine Zeit, für sich und ihre Kinder eine Stulle zu schmieren.“ Und dass man des Brotes eines Tages überdrüssig werden könne, glaubt selbst er als „Pasta-Freund“ nicht. Auf seinem Frühstückstisch steht noch immer ein Laib. Und wenn in seinem Laden einige Stullen übrig bleiben, nimmt er sie mit nach Hause. Als Hasenbrot für die Kinder. „Die müssen sie dann in die Kita mitnehmen.“

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