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Anfang vom Ärger.

© dpa

BER-Desaster: Was wird da noch alles ausgegraben?

Erst 250 Millionen Euro mehr, dann 500 Millionen: Bund und Länder rechnen mit immer höheren Kosten. Schon jetzt wird darüber diskutiert, wo das Geld für den neuen Flughafen herkommen soll. Anleihen könnten eine Lösung sein.

Nur eines ist beim neuen Flughafen in Schönefeld wirklich sicher: Das Geld wird knapp, und das nicht erst infolge des verschobenen Starttermins. Wie es um die Finanzen der Flughafengesellschaft aber ganz genau steht, will diese am Freitag ihrem Aufsichtsrat mitteilen. „Wasserstandsmeldungen geben wir keine“, heißt es beim Flughafen. Die Sprecherin von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD), Kathrin Bierwirth, sagte, Nußbaum habe im Abgeordnetenhaus Anleihen als „eine mögliche Option“ zu Finanzierung möglicher Zusatzkosten bezeichnet. Es sei Sache des Flughafens zu prüfen, welche Finanzierungsoption die geeignete sei.

Und über dieses Modell wird nun munter gesprochen. Börsianer geben einer möglichen Anleihe der Flughafengesellschaft gute Chancen. Christopher Schütz, zuständig für das Neuemissionsgeschäft an der Börse Stuttgart, sagte: „Eine Anleihe mit einem so prominenten Namen würde sich gut bei Privatanlegern platzieren lassen“. Bereits im Jahr 2009 sei eine Anleihe der Frankfurter Flughafengesellschaft „Fraport“ auf gute Nachfrage gestoßen: Obwohl die Finanzkrise wütete, habe Fraport 800 Millionen Euro bei Anlegern einsammeln können. Zwar sei die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg mit einem Umsatz von 270 Millionen Euro zehn Mal kleiner als ihre Frankfurter Konkurrentin. Sie habe aber eine lange Geschichte, sei sehr bekannt und die drei Gesellschafter – Berlin, Brandenburg, Bund – seien bei der Einschätzung der Bonität von großem Vorteil. Wie viele Zinsen die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg zahlen müsse, hänge von deren Bilanz ab. Grob geschätzt könnte diese bei 3,25 bis 3,75 Prozent liegen. „Dieser Flughafen wird irgendwann eröffnet werden und dann wird er wachsen“, begründete der Börsianer seine Zuversicht.

So entsteht der BER - in Bildern:

Der Flughafen benötigt auch frisches Geld. Zur Verfügung stehen der Gesellschaft 3,4 Milliarden Euro, davon 2,4 Milliarden Euro über Kredite, die die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund zu 100 Prozent verbürgen. Doch die Kosten waren schon bis Dezember 2011 auf 2,99 Milliarden Euro geklettert. Nach den dem Tagesspiegel vorliegenden Protokollen des Aufsichtsrates aus dem Jahr 2011 genehmigte das Kontrollgremium auf jeder Sitzung saftige Nachschläge.

Wie knapp es damals wurde, ist aus dem Protokoll der Sitzung am 9. Dezember 2011 in Motzen ersichtlich: Danach standen vom 2,4-Milliarden-Kredit „noch 111 Millionen Euro als freie Kreditlinie zur Verfügung.“ Und dann findet sich ein Hinweis, dass der Flughafen auf finanziell schwierige Zeiten nach Inbetriebnahme hinsteuert, wenn Zins und Tilgung voll fällig werden. „Für die Jahre 2014 bis 2018 ergebe sich ein geringer Schuldendienstdeckungsgrad.“ Mit der Verschiebung der Eröffnung hat sich dies dramatisch verschärft, zumal neben den monatlichen Zusatzbelastungen – bisher auf 15 Millionen Euro geschätzt – Schadenersatzforderungen von Fluggesellschaften, Händlern, Hotels und der Bahn kommen dürften. Auch beim Thema Schallschutz kommen erhebliche Kosten auf die Gesellschaft zu.

Auf der Aufsichtsratssitzung am Freitag soll Flughafenchef Rainer Schwarz eine Bilanz zur Kostenentwicklung und den Folgebelastungen präsentieren. Allerdings heißt es in Flughafen-, Aufsichtsrats- und Gesellschafterkreisen inzwischen, dass es auf der Sitzung lediglich um „Größenordnungen“, „Eckwerte“ und „Korridore“ gehen wird, da sich Anspruchsteller entweder bedeckt hielten oder offenkundig wirtschaftliche Probleme auf Kosten des Flughafens mit exorbitant hohen Summen zu lösen versuchten. Es laufe auf Gerichtsverfahren hinaus, berichtet ein Insider.

Protest gegen BER in Bildern:

In Bund und Ländern erwartet man aber von der Aufsichtsratssitzung am Freitag und von der Flughafengesellschaft konkrete Zahlen. „Hier muss die Bundesregierung im Aufsichtsrat für Klarheit sorgen. Mehrkosten müssen im ersten Schritt durch die Flughafengesellschaft BER getragen werden.

Erst im zweiten Schritt sind die Gesellschafter Bund und die Länder Berlin und Brandenburg gefragt“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol. Auch die FDP richtet sich auf steigende Kosten ein. „Es spricht einiges dafür, dass es zu einer Mehrbelastung der Gesellschafter kommt. Aber klar ist, dass eventuelle Nachforderungen an den Bund nicht ausschließlich aus dem ohnehin klammen Verkehrshaushalt zu stemmen sind.“

Nur woher soll das Geld kommen?

Der Berliner CDU-Fraktionschef, Florian Graf, warnt: „Sobald Klarheit darüber herrscht, ob und in welchem Umfang eine Beteiligung des Landes Berlins hier notwendig sein wird, werden wir einen Nachtragshaushalt stellen. Ich betone aber auch: neue Schulden dürfen hier nur das letzte aller Mittel sein.“

Wer kein Geld mehr hat, sollte im Prinzip auch keines mehr ausgeben. Allerdings könnte sich manche Sparmaßnahme später als teuer erweisen. So hatte der mittlerweile geschasste Chefplaner Manfred Körtgen im Mai Angebote von Projektplanern eingeholt, die das kniffelige Brandschutzproblem lösen sollen.

Ein Angebot machte etwa das Büro SMV aus Tiergarten, das schon am Hauptbahnhof und beim Neubau des Bundesinnenministeriums involviert gewesen war. Nach Tagesspiegel-Informationen wollte SMV zwei Ingenieure abstellen und drei weitere Experten hinzuziehen, die den Brandschutz beim Münchener Terminal 2 gemeistert hatten. 1,1 Millionen Euro verlangten die Planer für ihre Koordinierungsdienstleistung. Vor einer Woche sagten die Flughäfen ab. Man wolle das Problem intern lösen. Diesen Vorgang mochte Flughafen-Sprecher Leif Erichsen am Montag nicht kommentieren. Er verwies lediglich darauf, dass man beschlossen habe, externe Firmen künftig enger an sich binden zu wollen.

Eine Videoumfrage zum BER:

Auf der Ausgabenseite ist die Last also drückend. Und bei den Einnahmen sieht es kaum besser aus: Mit jedem Tag Nicht-Betrieb entgehen dem Betreiber Gebühreneinnahmen. Am Wochenende machte zudem ein Vorschlag die Runde, wonach der Flughafen in einigen Jahren die Namensrechte verkaufen, und gegen ein paar Millionen den Schriftzug „Willy Brandt“ durch ein Firmenlogo ersetzen könnte – so wie es Fußballklubs mit ihren Stadien machen. „Am Terminal steht der Name Willy Brandt und der bleibt auch da“, wischte Erichsen die Idee weg.

Publikumstag trotz verschobener Eröffnung - Eine Bildergalerie:

Gleichwohl ist der Flughafenbetreiber offen für Werbepartner. So gibt es Verträge mit Konzernen, die am Flughafen optisch präsent sein werden. Insgesamt soll der Flughafen fast die Hälfte seiner Einnahmen mit Geschäftstätigkeiten einspielen, die nicht unmittelbar mit der Fliegerei zu tun haben; sprich Einzelhandel, Dienstleistungen und eben Werbung.

Unterdessen hatten am Montag Abgeordnete der Grünen und der CDU Einsicht in Unterlagen zum BER im Abgeordnetenhaus. Für Jochen Esser, Haushaltsexperte der Grünen, hat die Akteneinsicht „den Eindruck bestätigt, dass die Verantwortlichen den Überblick verloren haben“. Oliver Friederici, verkehrspolitischer Sprecher CDU, sagte nach der Sichtung: „Aus den Akten ergibt sich keine Grundlage für einen Untersuchungsausschuss“, aber man wolle sich dem nicht verschließen.

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