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Michael Müller und Jan Stöß.

© imago/IPON

Berliner SPD: Einer für alle. Alle für einen?

Nicht nur er macht sich Sorgen um die innere Einheit – auch in der Bundespartei wachsen Zweifel. Der noch amtierende Parteichef Jan Stöß ruft die Partei zur Geschlossenheit auf.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der SPD-Landeschef Jan Stöß kandidiert nicht wieder für den Parteivorsitz. Es wird also zu keiner Kampfabstimmung auf dem Parteitag am 30. April kommen. Einen Tag nach der Ankündigung des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, den SPD-Vorsitz übernehmen zu wollen, teilte Stöß mit: „Keinesfalls will ich unseren Landesverband in eine Zerreißprobe führen, die den Erfolg der SPD bei den Wahlen im September aufs Spiel setzen würde.“ Über seine künftigen Pläne sagte er bisher nur, dass er für diesen Erfolg weiter seinen Beitrag leisten wolle.

In Parteikreisen heißt es, dass Stöß überlege, für einen der vier Stellvertreterposten im SPD-Landesvorstand zu kandidieren. Auf der Liste drängeln sich aber schon fünf andere Genossen. Die beiden „Frauenplätze“ sind tabu, Staatssekretärin Barbara Loth und die SPD-Abgeordnete Iris Spranger bleiben Vize-Landesvorsitzende. Auch der Staatssekretär Mark Rackles gilt als gesetzt. Offen bleibt, ob sich der von Müller ins Rennen geschickte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel auf dem SPD-Parteitag gegen den Bundestagsabgeordneten Fritz Felgentreu durchsetzen kann.

Müller fühlte sich von Stöß nicht genügend unterstützt

Wenn auch noch Stöß antritt, wird die Lage unübersichtlich. Es sei denn, der ebenfalls zur Parteilinken gehörende Rackles gibt seinen Stellvertreterposten auf. In absehbarer Zeit wird die SPD noch über eine andere Personalie entscheiden müssen. Der künftige Parteichef und SPD-Spitzenkandidat Müller wünscht sich einen Generalsekretär, der die Tagesarbeit erledigt und so den Vorsitzenden entlastet, und der schnell und offensiv auf politische Ereignisse reagiert.

Am frühen Donnerstag lud Müller zu einer Pressekonferenz in die Räume des SPD-Kreisverbands Tempelhof-Schöneberg ein. Dort begründete er seine überraschende Kandidatur damit, dass der SPD-Landesverband „klare Struktur und Führung“ brauche, die auch für die Wähler erkennbar sei. Bundesweit zeichneten sich knappe Wahlergebnisse und schwierige Koalitionen ab. Da sei es wichtig, „nicht über drei Pole – den Regierungschef, den Fraktions- und Landesvorsitz – Entscheidungen herbeizuführen“.

Müller ließ auch durchblicken, dass er sich von Stöß nicht genügend unterstützt fühlte, als Vorwürfe der Vetternwirtschaft und des roten Filzes gegen ihn und die SPD laut wurden. Er habe „zuletzt ein selbstständiges, offensives Auftreten vermisst“, sagte der Regierende Bürgermeister. Den Vorwurf eines innerparteilichen „Putsches“ wies er zurück. Müller hat sich wohl auch sehr darüber geärgert, dass Parteichef Stöß seine Personalvorschläge für den künftigen SPD-Landesvorstand nicht unterstützte. Das gilt für Geisel, dem Vernehmen nach aber auch für den Verkehrs-Staatssekretär Christian Gaebler. „Dann ist es vielleicht der ehrlichere Weg, die Personalfrage im Grundsatz zu entscheiden“, sagte Müller.

„Mir geht es um den Erfolg der SPD.“

Ansonsten blieb seine Kritik an Stöß recht milde. In den letzten eineinhalb Jahren habe es „Phasen der Zusammenarbeit gegeben, die sehr gut waren“. Stöß sei ein wichtiger politischer Kopf für die SPD und man werde gemeinsam sehen, welche Möglichkeiten es gebe, „dass er seine Kompetenz in die SPD einbringt“, so Müller. Stöß wiederum sicherte am Donnerstag zu, dass er den Regierungschef und designierten SPD-Spitzenkandidaten weiterhin unterstützen werde. „Mir geht es um den Erfolg der SPD.“

Der noch amtierende Parteichef appellierte an die Genossen, „dass wir schnellstens zur Geschlossenheit finden müssen“, denn Berlin brauche eine motivierte, mobilisierte Sozialdemokratie. Damit spielte er möglicherweise auf die Kritik in den Reihen der Bundes-SPD an. „Es gibt Zweifel, ob es Berlin wieder gelingt, die Partei zu einen“, sagte ein Spitzengenosse. Als Mitglied im SPD-Bundesvorstand und Metropolenbeauftragter gilt Stöß in der Bundespartei, anders als Müller, als strategisch denkender Kopf.

Ein weiterer Grund für Müllers Griff nach dem SPD-Landesvorsitz sind wohl auch jüngste Umfragen. Laut Infratest dimap liegt die Berliner SPD nur noch bei 23 Prozent, im Westen der Stadt liegt sie (mit 22 Prozent) hinter der CDU, die dort auf 25 Prozent kommt. Im Osten Berlins ist die Union mit 16 Prozent allerdings sehr schwach, dort erreicht die SPD 25 Prozent. Und 59 Prozent der Berliner sind mit der Arbeit des Müller-Senats unzufrieden. Leitartikel, Seite 1

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