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Villa Borsig in Moabit, Blick aus der Bogenhalle. Foto um 1867, F.A. Schwartz. Berlinische Galerie

© F.A. Schwartz. Berlinische Galerie

Die Blüte der Seerose Victoria 1852: Als Friedrich Wilhelm IV zum Staunen nach Moabit kam

In Folge zehn unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte geht es um das Gewächshaus des Industriellen August Borsig.

Eine Kolumne von Beata Gontarczyk-Krampe

Der Name Borsig wird mit Eisen und Rauch, nicht aber mit Blumen in Verbindung gebracht. Und selbst sehr betagte Moabiter würden ihren Stadtteil heute wohl nie als eine „tropische Oase“ bezeichnen. Wenn man aber eine Zeitmaschine in Moabits Essener Park stellen würde, um zurück in die 1850er-Jahre zu reisen, würde man im Borsig‘schen Park landen, zwischen Baumfarn, Seerosen und Palmen!

August Borsig, damals der Berliner Fabrikant par excellence, der vor allem für seine Maschinen und Lokomotiven bekannt war, erfüllte sich in Moabit einen Traum. Für einen der ersten „Fabrikantenpaläste“ Berlins ließ er Joseph Peter Lenné einen herrschaftlichen Park anlegen, während Architekt Heinrich Strack für ihn die Villa samt Gewächshaus und Wintergarten entwarf.

Wintergärten und Treibhäuser waren damals das, was heute eine Penthouse-Zweitwohnung in Berlin ist: ein Status-Symbol. Bei Borsig steckte aber mehr dahinter. Er war Mitglied und Förderer des „Vereins zur Beförderung des Gartenbaus in Preußen“, und dadurch ernsthaft daran interessiert, bei seinen Pflanzen und Blüten mehr als nur Eindruck zu schinden.

Victoria-Regia-Haus im Park der Villa Borsig in Moabit um 1867.

© Berlinische Galerie BG-FS 06980,11

Die künstlichen Weiher in seinem Park beheimateten exotische Lotusblumen aus Indien, Seerosen aus Südamerika und Papyrus aus Sizilien und Afrika. Hier, nördlich der Spree, wo einst die alte Pulvermühle schwarze Wolken in den grauen Himmel spuckte, gediehen sie teils sogar besser als in ihren Heimatländern. Das Geheimnis? Die Weiher wurden mit warmem Kondenswasser aus Borsigs Eisenwerk am Spreeufer gespeist.

Ebenfalls im Park ließ der Fabrikant ein Palmenhaus errichten – kegelförmig, wie das von Schinkel im Königlichen Botanischen Garten in Schöneberg (das Gebiet von und um den heutigen Kleistpark). Jeden Dienstag und Freitag durfte die Öffentlichkeit den Park und das Gewächshaus besuchen.

Das Eintrittsgeld floss übrigens direkt in die Arbeiter-Invalidenkasse bei Borsig. Der Mann wusste sich um seine Leute zu kümmern. Neben Sterbekasse, Sparkasse und Kantine ließ er auf dem Eisenwerksgelände hinter seinem Park ein Badehaus mit Schwimmbecken für sie bauen. Sein Erfolg sollte auch ihrer sein.

In Nachbarschaft zur Baumschule und „Juden Wiese“. Das Borsig-Gelände auf einer Karte aus dem Jahr 1855.

© F. Boehm. Via Národní technická knihovna

Im Jahr 1852, trotz des Kranzes aus Fabrikschloten um seinen Park, war es Borsigs Gärtnern gelungen, ein tropisches Wunder hervorzubringen: Am 19. Juli – drei Tage früher als im Berliner Botanischen Garten – fing die Borsig’sche Victoria regia an zu blühen. Diese Riesenseerose, benannt nach der britischen Königin Victoria, war eine seltene Schönheit in Europa. Ihre runden Blätter, die am Amazonas bis zu drei Meter Durchmesser erreichen, in Europa noch zwei, schweben auf der Wasseroberfläche wie gigantische Teller.

Ihre Blüte beobachten zu können, war damals noch ein seltenes Vergnügen. In Preußen war es überhaupt das erste Mal! Daher setzte sich auch Preußens König Friedrich Wilhelm IV dafür in die Kutsche und fuhr nach Moabit. Bei seinem Besuch sagte er zu dem Fabrikanten: „So wie Sie, mein lieber Borsig, möchte ich auch mal wohnen!“

Leider könnte „sein lieber Borsig“ das schöne Wohnen nicht mehr lange genießen. Er starb zwei Jahre später im Alter von nur 50 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls. Sein Sohn ließ die Treibhäuser und den Wintergarten erweitern und umbauen, jedoch rückte die Stadt immer näher an die Fabriken und das Anwesen. Am Ende 19. Jahrhunderts entschloss man sich, die Fabrik und das Eisenwerk nach Tegel zu verlegen. Die Moabiter Borsig-Villa samt Treibhaus und Wintergarten wurden 1911 abgetragen.

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