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''Ethnische Wirtschaf'': Russendisko in der IHK

Die Berliner Wirtschaft wirbt um die Auswanderer aus der ehemaligen Sowjetunion und deren Engagement.

Berlin – Als Dmitri Feldmann ankündigt, seine Rede auf Russisch zu halten, greift nur einer der gut 250 Zuhörer im Publikum zu den Kopfhörern, um die deutsche Übersetzung zu hören. An diesem Abend im Ludwig Erhard Haus der Industrie- und Handelskammer (IHK) ist das russischsprachige Berlin unter sich.

Feldmann ist einer von etwa 200 000 russischsprachigen Bewohnern Berlins – und einer der erfolgreichsten: Seine Medienholding „Rusmedia“ umfasst mehrere russischsprachige Zeitungen wie „Russkaja Germanija“ sowie das Radio „Russkij Berlin“ und hat in ganz Deutschland 200 Beschäftigte. Aus diesem Grund sitzt der 1965 geborene Ukrainer, der vor 17 Jahren nach Berlin kam, auf der Veranstaltung zum Thema „Ethnische Wirtschaft“ auch auf dem Podium neben dem Berliner IHK-Präsident Eric Schweitzer. Die Kammer zählt 2067 Unternehmen, deren Geschäftsführer aus einem Land der früheren Sowjetunion stammt.

Schweitzer macht deutlich, warum sich die IHK die Mühe macht: Einerseits sei die Zahl der Ausbildungsplätze in den russischsprachigen Unternehmen „leider noch überschaubar“, andererseits erinnert er daran, dass die IHK „davon lebt, dass sich Unternehmer engagieren.“

In keinem der IHK-Ausschüsse sind Russen vertreten. Feldmann wird im nächsten Jahr im Ausschuss „Kreative Wirtschaft“ als Pionier vorangehen. Auch soll es einen speziellen Arbeitskreis geben, der sich mit den Problemen ausländischer Unternehmen beschäftigt.

Die Probleme der Russen sind typisch: Zwar zahlen alle brav ihre IHK-Beiträge, - die Mitgliedschaft ist obligatorisch - aber kaum jemand engagiert sich, die wenigsten nehmen die Angebote der IHK wahr, und die Zahl der Ausbildungsplätze in diesen Firmen ist sehr gering.

Für die geringe Beteiligung an der IHK ist vor allem das Misstrauen gegenüber jeder Art von übergeordneten Strukturen verantwortlich, das die ehemaligen Sowjetbürger aus ihrer Heimat mitgebracht haben. „Nach 70 Jahren Sowjetunion hatten wir wohl alle genug vom Kollektivismus und haben uns in kleine Löchlein vergraben“, formuliert es Irina Bernstein vom Bundesverband Deutsch-Russischer Unternehmer und erntet dafür zustimmendes Schmunzeln im Publikum. Bernstein beschwört die Unternehmer: „Die IHK ist keine unnötige Bürokratie, die uns belastet, sondern sie bietet Chancen, die wir bisher nicht mitgenommen haben!“ Sie erzählt von Fördermaßnahmen, von denen viele überhaupt nichts wüssten. „Man muss nicht immer bei Freunden etwas fragen: Man kann auch hierher kommen!“

Es fehlt nicht an Initiative: Viele der Einwanderer haben eine gute Ausbildung, die aber hier nicht anerkannt wurde. Jetzt sind sie zwischen 40 und 50 und voller Erfahrung und Energie. Die russischsprachigen Einwanderer sind laut IHK vor allem im Handel, in der Grundstückswirtschaft und im Gaststättengewerbe aktiv. Aber die fehlende unternehmerische Erfahrung ist der Hauptgrund, warum viele Unternehmer einige Versuche brauchen, bis sie mit ihren Firmen Erfolg haben.

Mariya Düring und Alla Fedorova sind Beispiele. Die 60 Jahre alte Düring kam vor neun Jahren aus dem ukrainischen Charkow und heiratete einen Deutschen. Die gelernte Ingenieurin war „voller Energie“, und nach zwei gescheiterten Versuchen scheint es jetzt mit ihrer Firma „Nature’s Sunshine Products“, in der sie Nahrungszusätze vertreibt, zu klappen. Die studierte Biologin Fedorova ist zwar zwanzig Jahre jünger, aber zusammen mit ihrem Mann hat sie auch schon ein paar Fehlstarts hinter sich: Vor zwei Jahren haben sie nun ein Unternehmen gegründet, das Druckmaschinen in die Ukraine und Russland verkauft – mit Erfolg. Allerdings hat Fedorova heute zum ersten Mal von den Fördermitteln für Firmengründer gehört.

Große Sorgen bereitet der IHK die Ausbildungssituation: Die Ausbildungsplätze in russischen Unternehmen konnte man bisher offenbar an zwei Händen abzählen. Das deutsche Ausbildungssystem ist den meisten unbekannt. Die 43-jährige Russin Dina Kareva informiert sich und will im kommenden Jahr einen Ausbildungsplatz in ihrem Kosmetikstudio anbieten. Die ausgebildete Kosmetikerin Kareva kam vor vier Jahren aus Nischni Nowgorod.

Die Stimmung auf der Veranstaltung ist hervorragend, aber das Ergebnis ist gemischt: Zwölf Mitglieder haben sich immerhin für den Arbeitskreis „Ethnische Wirtschaft“ angemeldet. Viele sind auch gekommen, um „einfach mal zu sehen, wer so alles da ist,“ wie eine junge Ukrainerin sagt. Denn es gibt sonst keinen Zusammenschluss russischsprachiger Unternehmer. Viele haben einen jüdischen Hintergrund, wohnen in Charlottenburg und Spandau und nicht in Marzahn – die Russlanddeutschen fehlen, weil sie einen deutschen Pass besitzen und deshalb nicht als Ausländer erfasst werden. Die IHK ist gut informiert über diese Unterschiede im „Russkij Berlin“, deshalb hat sie sich etwas besonderes ausgedacht: Das Buffet ist an diesem Abend koscher.

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