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© Avatra

Mediation und Schlichtung: Wenn zwei sich streiten, hilft der Dritte

Mediatoren lösen Konflikte zwischen Unternehmen – und verhindern lange und teure Gerichtsverfahren.

Die Abmahnung kam im vorigen Herbst von der „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V.“ und sollte die TC30 Telefonservice GmbH fast 1000 Euro kosten: Das kleine Berliner Unternehmen mit zwölf Mitarbeitern hatte für seinen Dienst „Servicenummer4You“ mit der kostenlosen Schaltung von Firmen-Hotlines geworben, aber nicht erwähnt, dass die Bundesnetzagentur dafür eine Gebühr erhebt. „Auf die Abmahnung haben wir nicht reagiert“, erzählt Geschäftsführer Maik Temme. Die Folge hätte ein Prozess sein können. Doch dann schaltete der abmahnende Verein die „Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten“ ein. Am Ende einer halbstündigen Verhandlung gaben sich Temme und ein Vertreter der Gegenseite die Hand, die Firma zahlte weniger als 300 Euro – und weist auf ihrer Webseite nun auf die Gebühr hin.

„Das hat uns Anwalts- und Gerichtskosten erspart“, lobt Temme, als Aufwandsentschädigung für die anwesenden Experten fielen nur 55 Euro an. Die angenehme Gesprächsatmosphäre sei auch nicht mit einem Gerichtsverfahren vergleichbar gewesen. „Das sollte Schule machen, ich kann es empfehlen“, sagt der Chef. Die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) betreibt die Einigungsstelle im Ludwig-Erhard-Haus im Auftrag des Landes. Das Gremium steht auch Firmen offen, die der Kammer nicht angehören. „Kontrahenten können so viel Zeit und Geld sparen und Geschäftsbeziehungen vor dem Bruch bewahren“, sagt die IHK-Geschäftsführerin für Recht und Fair Play, Melanie Bähr. 2009 gab es 41 Verfahren, von denen 17 zur Einigung führten. Noch werde diese Chance aber zu selten genutzt, urteilt die IHK.

So sieht es auch Rechtsanwalt Martin Jung, der eine Weiterbildung zum „Mediator“ in der Wirtschaft absolviert hat. Heute ist er Vorstand im Verband der Baumediatoren und arbeitet auch beim Europäischen Institut für Conflict Management (Eucon). Laut Studien und eigener Erfahrungen ließen sich 80 Prozent aller Streitfälle in zwei bis drei Sitzungen beilegen, sagte Jung am Montag vor Existenzgründern, die am Businessplan-Wettbewerb Berlin-Brandenburg teilnehmen.

Als Mediator will er „nicht un-, sondern allparteilich“ agieren: Es gehe darum, die Interessen beider Seiten auszuloten und diese zur Einigung zu bewegen. Anders als in Schlichtungsverfahren, die mit Empfehlungen oder verbindlichen Schiedssprüchen enden, mache der Mediator in der Regel nicht einmal eigene Lösungsvorschläge. Trotzdem funktioniere die Methode besser: „Ich kenne keinen Fall, in dem nach der Mediation eine Zwangsvollstreckung nötig wurde.“ Bei Schiedsverfahren habe er dies öfters erlebt. Nur für aggressive Streithähne sei die Mediation ungeeignet: „Ans Schienbein treten geht hier nicht so gut.“

Die Kosten betragen laut Jung rund 800 bis 2500 Euro und werden überwiegend nach Stundensätzen berechnet; manchmal hängt das Honorar zudem von der Bedeutung des Falls ab. Nicht nur Juristen können Mediatoren sein, sondern zum Beispiel auch erfahrene Unternehmer. „Die Berufsbezeichnung ist nicht geschützt“, sagt der Anwalt. Strittig sei auch, wie viele Unterrichtsstunden an einem Fachinstitut ausreichend für die Tätigkeit qualifizieren. Jung hält mindestens 200 Stunden für nötig.

Im Vergleich zu öffentlichen Gerichtsverfahren gilt nicht zuletzt die Vertraulichkeit als Vorteil. In einem Fall vermittelte Jung zwischen dem Lieferanten eines neuen Systems zur Rohrsanierung und einem Tiefbauunternehmen, das Mängel beim Einsatz feststellte. Der Hersteller besserte schließlich nach. Die Marktchancen des Produkts blieben jedoch unbeeinträchtigt, weil sich die Probleme nicht herumsprachen.

Nur wenige Firmen haben eigene „Konfliktmanager“, darunter der Bahnhersteller Bombardier Transportation in Hennigsdorf. Ulrich Hagel leitet die Abteilung „Dispute Resolution“ (Streitbeilegung). Ein typischer Fall seien verspätete Lieferungen von Zulieferbetrieben, sagt Hagel, der sich an einer Fachschule in Konstanz zum Mediator ausbilden ließ. Es gehe um Schadensersatz und andere Kosten, also „rein kommerzielle Fragen“. Die Ursachen der Verzögerungen „möchte keiner wirklich wissen“. Nur bei technischen Problemen sei es sinnvoll, diese per Gutachten zu klären. Hagel vermittelt, wenn normale Verhandlungen zwischen den Geschäftsführungen nicht fruchten. Hat auch er keinen Erfolg, wird ein externer Mediator beauftragt. Hagel selbst kann diese Rolle nicht übernehmen, da er nicht unparteilich ist.

Auch herkömmliche Schlichter tragen dazu bei, Gerichtsverfahren zu vermeiden. So stritten vor kurzem die Cottbusser Firma Zechbau und ein Investor um Verzögerungen beim Bau eines Senioren- und Ärztehauses in Wilmersdorf. „Wir hatten eigentlich eine gute Zusammenarbeit, konnten uns in Nachverhandlungen aber nicht einigen“, sagt Projektleiter Hartmut Dommann von Zechbau. Seiner Firma ging es um die Höhe ihrer Vergütung, „wir hätten klagen müssen“. Dann aber kam es zur Verhandlung bei der „Schlichtungsstelle für kaufmännische Streitigkeiten“ in der IHK Berlin. Diese dauerte knapp drei Stunden, erbrachte einen finanziellen Kompromiss und ließ sogar die Geschäftsbeziehung intakt. Die Firmen arbeiten „weiterhin gut zusammen“, sagt Dommann. Nach einem Prozess wäre das fraglich gewesen. Doch bei der Schlichtung gab es weder Sieger noch Verlierer – alle fühlten sich als Gewinner.

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