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Touristen stehen vor der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße. Es sind weniger als noch vor drei Jahren.

© imago/Jürgen Ritter

„Uns kommt es darauf an, dass die Richtigen kommen“: Noch immer besuchen weniger Touristen Berlin als vor Corona

Mehr als zehn Millionen Gäste kamen im vergangenen Jahr in die Hauptstadt – das sind 75 Prozent des Vor-Krisen-Niveaus. Doch die Branche rechnete mit Schlimmerem.

Es kommen immer noch weniger Besucherinnen und Besucher nach Berlin als vor Corona. Das zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Auswertung des Landesamts für Statistik Berlin-Brandenburg. 

Demnach verzeichnete die Stadt 2022 nur 78 Prozent der Übernachtungen vor der Pandemie. Auch die Gäste-Zahlen erreichten nur etwa 75 Prozent des Vorkrisenniveaus. Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) sagte dazu: „Das ist noch kein normales Jahr gewesen.“

Der Tenor der Pressekonferenz zur Jahres-Bilanz 2022 des Hauptstadt-Tourismus war trotzdem positiv. Was wohl daran liegt, dass die Branche mit Schlimmerem rechnete. Schließlich war die Reisewirtschaft während der Pandemie quasi komplett lahmgelegt. Gerade einmal 5,19 Millionen Besucherinnen und Besucher zählte Berlin 2021. 2019 waren es 14 Millionen gewesen.

In den ersten Monaten 2022 war die Branche pandemiebedingt noch weitgehend ausgebremst. Die internationale Tourismusmesse ITB fiel aus, ebenso die Grüne Woche und etliche andere Großveranstaltungen, bei denen normalerweise viele Gäste in der Stadt Hotelzimmer buchen.

Gutes zweites Halbjahr

Inzwischen freuen sich Schwarz und Burkhard Kieker, der Geschäftsführer der Marketingagentur Visit Berlin, über die erfolgreiche „recovery“, die tolle Erholung. Nachdem Berlin im vergangenen Sommer wieder bereist und besichtigt werden konnte, weil sämtliche Corona-Maßnahmen gefallen waren, sei es zugegangen wie „beim Schlussverkauf, wenn sich die Türen öffnen“, sagte Kieker.

Womit er übertreibt, denn nach wie vor liegen die Besucherzahlen jeden Monat unter denen von 2019, vermissen viele Hoteldirektoren 20 Prozent ihrer ehemaligen Kundschaft, mussten 80 Beherbergungsbetriebe während der Pandemie aufgeben und verzeichnen die touristischen Attraktionen, Museen und Gedenkstätten noch nicht wieder so viele Gäste wie vor der Pandemie.

„Es geht darum, wie wir uns im Vergleich zu unseren Wettbewerbern erholen“, sagte Schwarz. Und Kieker: „Unter allen Kranken ist Berlin die Stadt, die die größten Fortschritte macht.“ Und habe gemeinsam mit Paris laut dem World Travel Council die beste Erholung hingelegt, was die Bedeutung des Sektors für das Bruttoinlandsprodukt betrifft. 2019 erwirtschaftete die Branche 6,6 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung Berlins. Kieker schätzt, dass dieses Niveau 2025 wieder erreicht werden könnte.

62
Prozent der Besucher kamen au s dem Inland

Im Vergleich zu anderen Metropolen gibt es in Berlin jedoch einen Unterschied: Die Hauptstadt wird hauptsächlich von inländischen Gästen besucht. 2022 kamen 62 Prozent der Besucher aus Deutschland und nur 38 aus dem Ausland. In Rom kamen 80 Prozent aus dem Ausland und nur 20 Prozent aus dem Inland.

Kieker und Schwarz freuen sich über die erfolgreiche „recovery“, die tolle Erholung der Branche.

© Dirk Mathesius

Grund dafür könnten auch fehlende Flugverbindungen zum BER sein, die Kieker und Schwarz während der Pressekonferenz mehrmals monieren. Mittlerweile kämen 46 Prozent der Gäste mit der Bahn angereist, 35 Prozent mit dem Pkw und nur noch zehn Prozent mit dem Flugzeug. Zum Vergleich: 2019 waren es noch 38 Prozent der Besucher.

Doch eigentlich könnten diese Verschiebungen Kieker und Schwarz auch zuversichtlich stimmen, immerhin soll Berlin 2027 die nachhaltigste Reisedestination Europas sein. Zudem zeigt eine Umfrage von „Bahnhit“, dass immer mehr Touristen zu längeren Anreisen bereit sind.

Anlocken will Berlin laut Kieker vor allem Menschen, die sich für die Hauptstadt interessieren. „Uns kommt es darauf an, dass die richtigen Leute kommen“, sagt er und meint damit vermutlich kulturinteressierte Besucher mit ausreichend Geld für hochpreisige Hotels und teure Restaurants. Die Auslastung der Berliner Bühnen zeigt, dass sie das zumindest teilweise schaffen. Die Theater und Varietés der Stadt haben wieder so viele Besucher wie vor Corona.

Für diesen sogenannten Qualitätstourismus warb Visit Berlin 2022 in Baden-Württemberg, Hessen, Bayern und NRW mit Plakaten, auf denen Slogans standen wie „Visit the world of Berlin“. Kieker findet das passend und berichtet weiter, dass es in Hamburg Ärger über ein Plakat mit dem Spruch: „Fast da. Nur noch 280 Kilometer bis nach Berlin“ gegeben haben. Vielleicht ein bisschen frech, meint der Tourismus-Chef. „Aber Berlin muss frech sein.“

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