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Am Weigandufer im Berliner Bezirk Neukölln wurden Sträucher gerodet, in denen bislang viele Spatzen lebten.

© imago images/Klaus Martin Höfer / Klaus Martin Hoefer via www.imago-images.de

„Wollen uns das Vertrauen wieder ergärtnern“: Berliner Bezirk holzt aus Versehen zu viele Hecken ab

Am Weigandufer im Berliner Bezirk Neukölln wurden Sträucher gerodet, in denen Spatzen lebten. Ein derart radikaler Rückschnitt ärgere ihn selbst, sagt der Stadtrat.

Viele Anwohnende in Berlin-Neukölln empören sich aktuell über den starken Rückschnitt der verbliebenen Hecken am Weigandufer. Zwischen Inn- und Roseggerstraße wurden die Büsche von einer Firma radikal abgeschnitten, zurück blieben ein paar kahle Stummel. Das ist einerseits nicht schön für Fußgänger:innen, die nun vom Uferweg direkt auf die Straße blicken – statt wie zuvor auf Grün.

Fatal ist der radikale Rückschnitt aber vor allem auch für die Vogelwelt: In den Büschen lebten laut Anwohnenden und Naturschützer:innen viele Spatzen, darunter auch besonders geschützte Feldsperlinge. Die würden nun scheinbar hilflos herumfliegen und piepen, schreibt eine Anwohnerin.

„Damit wurde der wirklich letzte Lebens-, Ruhe- und Schlafraum der hiesigen Spatzenpopulation mit über 100 Spatzen im Kiez vernichtet“, schreibt der Ökologe Uwe Peña. Dazu kommt, dass der nun freiliegende Boden schneller austrocknet und dadurch schlechter für den kommenden Sommer gewappnet ist.

Wo früher dichte Hecken wuchsen sieht man jetzt den kahlen Boden.

© Uwe Peña

Bereits 2020 hatte der Bezirk am nördlichen Teil des Weigandufers Büsche entfernt, damals hatte der Nabu Leipzig gegen den Bezirk Anzeige eingereicht, das Verfahren wurde damals eingestellt. Auch jetzt hätten Anwohnende Anzeige erstattet wegen des Verstoßes gegen das Naturschutzgesetz, sagt Peña.

Tatsächlich sei ein solch starker Rückschnitt gar nicht beabsichtigt gewesen, sagt der zuständige Stadtrat Jochen Biedermann (Grüne) auf Anfrage: „Das ärgert mich sehr.“ Es sei notwendig gewesen, einige Schnittarbeiten durchzuführen, um die sogenannte Verkehrssicherheit des Weges zu gewährleisten. Aber eben nicht in diesem Ausmaß.

Durch den starken Rückschnitt ist unstrittig Vertrauen verloren gegangen.

Jochen Biedermann, Umweltstadtrat in Neukölln

„Im Frühjahr sehen wir, wie stark die Sträucher wieder austreiben. Aber um erstmal kurzfristig die negativen Folgen abzumildern, haben wir entschieden, den Gehölzschnitt vor Ort zu belassen, was ja auch gefordert wurde. Wir hoffen, dass das respektiert wird und die Äste wie vorgesehen an Ort und Stelle bleiben. Vor Beginn der Brutsaison werden wir sie dann entnehmen und zerkleinern“, sagte Biedermann weiter. Im Frühjahr sollen dann vogelfreundliche Hecken nachgepflanzt werden.

Er wolle außerdem die Abläufe ändern, um ähnliche Vorfälle künftig zu vermeiden. So solle die Pflege des Grünzuges am Weigandufer neu ausgeschrieben werden, um der ökologischen Rolle der dortigen Pflanzen gerecht zu werden.

Die Reste der Hecken türmen sich jetzt am Wegesrand - und sollen erstmal liegen bleiben.

© Uwe Peña

„Klar ist: das wird teurer werden als bisher – und die notwendige Finanzierung dafür müssen wir erst organisieren. Gerade im hochverdichteten Neuköllner Norden müssen wir aber anders mit der Stadtnatur umgehen, egal ob in der Hasenheide oder im Grünzug am Weigandufer“, sagte Biedermann.

Langfristig sollen demnach statt Fremdfirmen bezirkseigene Mitarbeiter:innen die Pflege der Grünstreifen übernehmen. Gleichzeitig appellierte Biedermann auch an die Anwohner:innen, das personell ausgedünnte Grünflächenamt bei der Pflege der Grünanlagen zu unterstützen – etwa durch Hilfe bei der Bewässerung in trockenen Sommern und generelle Rücksicht auf die Stadtnatur.

Durch den starken Rückschnitt sei „unstrittig Vertrauen verloren gegangen. Wir arbeiten hart daran, uns dieses wieder zu ergärtnern“, sagte Biedermann.

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