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Görlitzer Park, Schild, Drogenumschlagplatz, Dealer, Kriminalität, Berlin Görlitzer Park, Schild, Drogenumschlagplatz, Dealer, Kriminalität, Berlin

© IMAGO/Jürgen Held

Update

„Erst einmal anhalten“: Obdachlosenunterkunft am Görlitzer Park in Berlin fraglich

Neben dem Zaun sollen auch soziale Maßnahmen die Lage um den Park beruhigen. Doch Gelder für eine geplante Obdachlosenunterkunft wurden gesperrt. Das Projekt sei aber nicht gestrichen, sagt der Sozialstaatssekretär.

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Sie ist Teil des Pakets, das der Senat nach dem Sicherheitsgipfel zur Verbesserung der Lage rund um den Görlitzer Park vorstellte: die ganzjährige Notübernachtungsstelle für obdachlose Menschen „Ohlauer 365“. Denn neben dem Zaun, der nach Wunsch des Senats um den Park gebaut werden soll, soll auch eine Reihe sozialpolitischer Maßnahmen die Situation an dem Ort beruhigen. Erst Ende Januar hat der Senat dieses Ziel bei seinem Besuch im Bezirk bekräftigt.

Doch nun ist die Zukunft der geplanten Notübernachtungsstelle ungewiss. Der Senat hat die finanziellen Mittel dafür gesperrt, wie Sozialstaatssekretär Aziz Bozkurt (SPD) am Freitag bestätigte. Hintergrund sind die angespannte Haushaltslage und Sparmaßnahmen, die von den Senatsverwaltungen erbracht werden müssen.

„Die Mittel für das Projekt Ohlauer 365 sind noch nicht freigegeben“, sagte Staatssekretär Bozkurt dem Tagesspiegel. „Das heißt, erst einmal anhalten. Und das bedeutet auf keinen Fall gestrichen.“ Zuvor hatte er von einer „technischen Sperre“ gesprochen, ohne weiter auszuführen, was damit gemeint ist.

Bozkurt erklärte weiter, dass die Entscheidung für das Projekt vertagt worden sei, um Klarheit über den Einsparbedarf, der durch die Senatsfinanzverwaltung benannt wird, zu erlangen, um anschließend eine politische Priorisierung durchführen zu können. „Wir warten auf das Konzept aus dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Hätten wir hier schon Fortschritte, dann wären wir weiter“, sagte er und widersprach sich damit doppelt. Erstens wird die Sperre in einer Zusammenstellung der Finanzverwaltung mit nicht aufgelösten Sparmaßnahmen begründet. Ein fehlendes Konzept wird darin nicht aufgeführt. Zweitens erklärt die Sozialverwaltung selbst, ein ihr vorliegendes Konzept werde „zurzeit geprüft“.

Oliver Nöll (Linke), Sozialstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, zeigte sich überrascht: „Ein Konzept ist von uns nicht angefordert worden, aber mündlich habe ich das Konzept im Rahmen des Senatsbesuchs beim Bezirk vorgestellt“, sagte er. Die Aussage des Staatssekretärs höre sich für ihn weiterhin so an, als sei nicht sicher, ob man das Geld zur Verfügung stelle. „Wir werden in der kommenden Woche alle Daten übermitteln, die gewünscht werden. Und dann erwarte ich weiter, dass wir die Zusage bekommen, dass wir diese Gelder zur Verfügung stellen können.“

Wie der Tagesspiegel berichtete, hat der Bezirk mit der Johanniter-Unfall-Hilfe und dem Verein Fixpunkt bereits im September einen Umsetzungsplan für die Unterkunft vorgestellt. Nöll hatte in der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwoch darauf verwiesen, dass bereits alles geplant sei und der Träger für die Umsetzung des Projekts jetzt den Finanzantrag stellen und unverzüglich genehmigt bekommen müsse, damit das dringend benötigte Projekt wie geplant im Mai starten könne. Denn die sozialen Träger beantragen die Projektgelder beim Bezirk, der die Mittel dafür wiederum vom Land bekommt.

Erst Ende Januar hatte der Senat mit dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) den Bezirk und auch den Görlitzer Park besucht. Dabei war es auch um die geplante ganzjährige Notunterkunft in der Ohlauer Straße gegangen, die der Regierende vor Ort gelobt hatte. Auch hatte er angekündigt, nach dem Start eine ehrenamtliche Schicht in der Unterkunft zu übernehmen. Am Freitag erklärte Wegners Sprecher Michael Ginsburg auf Nachfrage zum Projekt lapidar: „Die Berliner Landesregierung führt derzeit intensive Gespräche im Hinblick auf die Auflösung der pauschalen Minderausgaben (PMA).“ Auflösung pauschaler Minderausgaben bedeutet in diesem Fall die Entscheidung, an welcher Stelle genau erforderliche Sparvorgaben umgesetzt werden.

Der Grund für die notwendigen Einsparungen ist der überzeichnete Doppelhaushalt, den CDU und SPD im Dezember beschlossen haben. Demnach sind im aktuellen Jahr 1,75 Milliarden Euro eingeplant, die am Ende nicht ausgegeben werden können. Wo genau gespart werden soll, will die Koalition erst Mitte des Jahres endgültig festlegen. Um den Regeln der Haushaltswirtschaftsführung Rechnung zu tragen, müssen die Verwaltungen aber einzelne Vorhaben schon jetzt mit sogenannten Sperren belegen. Diese können – in der Regel durch die Senatsfinanzverwaltung – auf Antrag wieder freigegeben werden.

Der Innenexperte der SPD-Fraktion Martin Matz kritisierte am Freitag das Vorgehen der SPD-geführten Sozialverwaltung: „Schon der Eindruck, dass dieses Projekt ein Fragezeichen haben könnte, ist sehr misslich“, sagte er. Der Sicherheitsgipfel müsse mit allen Einzelheiten, wie sie verabredet wurden, umgesetzt werden.

„Ich glaube, dass es nicht sinnvoll ist, die Stadt in den nächsten Monaten mit solchen Spekulationen zu beschäftigen. Deswegen halte ich es nach wie vor richtig, nicht die Steuerschätzung im Mai abzuwarten, sondern die Entscheidung der PMA-Auflösung so schnell wie möglich zu treffen“, sagte er weiter.

Schon am Donnerstag hatte die Berliner SPD-Abgeordnete Sevim Aydin bekräftigt: „Wir stehen zu unserem Wort, aktiv etwas gegen die Verelendung im Umkreis der Görlitzer Parks zu tun“, schrieb sie. Die in der Bezirksverordnetenversammlung geäußerten Zweifel seien nicht zutreffend.

Der Senat muss zu seinem Versprechen stehen und die Mittel freigeben.

Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus

Am Donnerstag kritisierte der für den Bezirk zuständige Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser (Linke) die Sperrung: „Wochenlang über einen schweineteuren Zaun fabulieren, der die Probleme nur verschärfen würde, aber dann da, wo ganz dringend was passieren muss, bei der Schaffung von Angeboten für Obdachlose und Suchtkranke, nichts auf die Kette kriegen: Dieser Senat hat echt sowas von fertig“, schrieb der Abgeordnete, der bald den Bundestag verlassen muss, auf „X“.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Vasili Franco, forderte: „Der Senat muss zu seinem Versprechen stehen und die Mittel freigeben, anstatt mit dem Finger auf den Bezirk zu zeigen.“

Das Projekt Ohlauer365 hilft den bedürftigsten Menschen, an einem der angespanntesten Orte im Bezirk.

Magnus Heise (Grüne) möchte die Obdachlosenunterkunft am „Görli“ gerne umsetzen.

Von den Einsparvorgaben des Senats sind auch sogenannte „Mittel in auftragsweiser Bewirtschaftung“ betroffen. Dabei nehmen die Bezirke mit diesen Geldern aus dem Landeshaushalt wichtige Leistungen für die Berliner:innen wahr, die nicht über die Bezirkshaushalte finanziert werden können.

So sind zum Beispiel auch Mittel für die Park- und Spielplatzreinigung, Berufsorientierung für Jugendliche, unabhängige Sozialberatung, Bau von Fußgängerüberwegen, Projekte des Rad- und Fußverkehrs wie Gehwegvorstreckungen, und Bürger:innenbeteiligung bei Bauprojekten von den Einsparungen betroffen.

„Das Projekt Ohlauer365 hilft den bedürftigsten Menschen an einem der angespanntesten Orte im Bezirk“, sagt der Vorsitzende des Sozialausschusses, Magnus Heise (Grüne). Wegner habe seine Unterstützung zugesichert. „Dass die Senatsverwaltung dann aber hinterrücks die Finanzierung wegen der unseriösen Sparvorgaben wieder streicht, ist nicht nur enttäuschend, sondern lässt die Menschen des Bezirks im Stich, die Anwohner:innen der Kieze um den Görlitzer Park und vor allem die obdachlosen und suchterkrankten Menschen.“

Soziale Lösungen für soziale Probleme

Die Grünen fordern soziale Lösungen für soziale Probleme. Auch der Senat hat die vom Bezirk erarbeiteten Konzepte übernommen, die nun, nach der Kürzung, allerdings infrage stehen. Weiterhin im Raum steht die Umzäunung sowie nächtliche Schließung des Parks. Wegner hatte sich immer wieder hierfür ausgesprochen, um den zahlreichen Straftaten im und um den „Görli“ entgegenzutreten. Doch der Vorschlag ist umstritten, Anwohnende demonstrierten gegen einen Zaun und auch der von den Grünen regierte Bezirk ist dagegen.


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