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Die meisten Zuwanderer in Pankow kommen aus EU-Ländern.

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Zuwanderungsstudie für Pankow: Willkommenskultur mit Defiziten

Jeder zweite Neubürger in Pankow kommt aus dem EU-Ausland. Eine Studie belegt: Die meisten Zuwanderer sind gut ausgebildet und wollen sich schnell integrieren. In Schulen und Kitas werden ihre Kinder aber ignoriert und diskriminiert.

Dass Berlin junge Leute aus den europäischen Krisenstaaten anzieht, ist keine neue Erkenntnis. Eine vom Pankower Bezirksamt in Auftrag gegebene Studie hat nun aber genauer beleuchtet, wie sich der Zuzug der EU-Bürger auf den Bezirk auswirkt und wie die Zuwanderer hier zurechtkommen. Die Autorin der Studie, Jutta Aumüller, hat mit Zuwanderern selbst und mit Migrantenorganisationen gesprochen, die teilweise seit langem im Bezirk etabliert sind. Dabei erfuhr sie von Sprachbarrieren bei der Jobsuche, aber auch von Diskriminierung und Alltagsrassismus bei Behörden und in Schulen und Kitas.

Pankow liegt bei Zuwanderung an dritter Stelle in Berlin

Jede zweite Person, die in den vergangenen Jahren nach Pankow gezogen ist, kam aus dem europäischen Ausland. Laut der gerade veröffentlichten Studie stammen die meisten aus Polen, Frankreich, Spanien und Italien. Hinzu kommen Vietnamesen, Russen und US-Amerikaner, die oft schon sehr viel länger in Pankow leben. Insgesamt lag der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund im Bezirk Ende 2013 bei 15 Prozent. Im Altbezirk Pankow waren es mit rund zehn Prozent deutlich weniger als im Prenzlauer Berg, wo gut 22 Prozent der Migranten leben. Pankow liegt bei der Zuwanderung damit an dritter Stelle hinter Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf.

Jung und motiviert

Schaut man sich die Zahlen an, scheint die Zuwanderung für Pankow vor allem ein Gewinn zu sein. Die meisten Neubürger sind jung, gut ausgebildet und darauf bedacht, dass sich ihre Kinder in Kita und Schule schnell integrieren. Sie kommen hierher, um zu arbeiten, auf Hartz IV ist kaum ein Zuwanderer angewiesen.

Allerdings werden nicht wenige nach einiger Zeit arbeitslos. Die meisten Zuwanderer kämen mit einem befristeten Arbeitsvertrag nach Deutschland, heißt es in der Studie, und da nur wenige von ihnen gut Deutsch sprächen, gestalte sich die Jobsuche schwierig, wenn der ursprüngliche Vertrag nicht verlängert werde.

Lieber Minijob als arbeitslos

Mindestens 21 Prozent der Arbeitslosen in Pankow sind inzwischen Zuwanderer. Tatsächlich liegt die Zahl laut Aumüller sogar noch deutlich höher, denn bei weitem nicht alle Zuwanderer ohne Job meldeten sich arbeitslos. Viele schlagen sich offenbar lieber mit einfachen Jobs durch als Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe zu beantragen. Sogar Ingenieure oder Erzieher, beides gefragte Qualifikationen am deutschen und auch am Berliner Arbeitsmarkt, finden häufig keine Anstellung. Der Grund: Ihre Abschlüsse werden nicht anerkannt.

Hoher Anpassungsdruck

Ganz so rosig ist die Lage der Zuwanderer im Bezirk also nicht. Laut Studie sehen sich viele Migranten, besonders Männer, einem hohen „Anpassungsdruck“ ausgesetzt. Aumüller wurde in diesem Zusammenhang mehrfach von Alkoholismus und häuslicher Gewalt berichtet. Viele Ehen zerbrächen daran. Nicht wenige Zuwanderer, so heißt es in der Studie, reisten irgendwann entnervt wieder ab – auch weil sie oft monatelang bei Freunden wohnen müssten und sich keine eigene Wohnung leisten könnten.

Diskriminierung in Schulen und Kitas

Doch auch um die in Pankow viel gepriesene Willkommenskultur ist es nicht immer zum Besten bestellt. Dass es noch zu wenig bilinguale Kita- oder Schulangebote gibt, ist dabei die eine Seite der Medaille. Der anderen widmet die Studie ein eigenes Kapitel: „Defizite im Umgang mit Interkulturalität in den Kitas und Schulen“. Man hätte es auch mit dem Titel „Diskriminierung von Migranten an Pankower Bildungseinrichtungen“ versehen können. „Dies reicht von Belehrungen darüber, wie ein Pausenbrot auszusehen habe (aus Vollkorn!), bis hin zu einem subtilen Druck einer nationalistischen Homogenisierung, der auf die SchülerInnen mit Migrationshintergrund ausgeübt wird“, heißt es im Text. Kinder mit Migrationshintergrund werden demnach latent diskriminiert und auch von Mitschülern gemobbt. Und über Kitas wird festgestellt: „Vorschulkinder in den Kitas werden von ihren Erzieherinnen ignoriert oder gemaßregelt, wenn sie intuitiv ihre Familiensprache verwenden“. Das ist kein Ruhmesblatt für Pankows Pädagogen.

Alltagsrassismus in Behörden

Die Erfahrungen von Pankowern mit Migrationshintergrund bei Behördenbesuchen sind auch nicht immer gut. Diskriminierung und Alltagsrassismus in Pankower Behörden seien ein „regelmäßiges Thema“ in ihren Gesprächen mit Migrantenorganisationen gewesen, schreibt Aumüller in ihrer Studie. So würden Deutsche anderer Hautfarbe, die eine Eheschließung anmelden wollten, aufgefordert, über die üblichen Personaldokumente hinaus noch zusätzliche Abstammungsnachweise vorzulegen. Caritas-Mitarbeiter berichteten, Migranten würden Sozialleistungen widerrechtlich verweigert. Und auch den Jobcentern wird im Umgang mit Zuwanderern in der Studie kein gutes Zeugnis ausgestellt.

Dringender Handlungsbedarf

Aumüllers Fazit: Eine interkulturelle Öffnung der Behörden „scheint derzeit das dringendste Erfordernis einer kommunalen Integrationspolitik in Pankow“. In Schulen und Kitas sieht sie außerdem einen „deutlichen Handlungsbedarf für einen qualifizierten Umgang mit Mehrsprachigkeit und Interkulturalität bei den Beschäftigten“.

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