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Brandenburg: SPD will Dahn doch nicht als oberste Richterin

POTSDAM .Die Berliner Schriftstellerin Daniela Dahn wird heute voraussichtlich doch nicht zur Verfassungsrichterin in Brandenburg gewählt.

POTSDAM .Die Berliner Schriftstellerin Daniela Dahn wird heute voraussichtlich doch nicht zur Verfassungsrichterin in Brandenburg gewählt.Die SPD-Fraktion zog ihre Zustimmung gestern überraschend zurück.Als Grund wurde "das Verhältnis von Dahn zur Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Grundordnung" angegeben.PDS-Fraktionschef Lothar Bisky bezeichnete die Vorwürfe als "abenteuerlich".An der persönlichen Integrität und demokratischen Gesinnung von Dahn könne kein Zweifel bestehen.Auch Dahn selbst reagierte empört.

Noch bis Montag sah es so aus, daß die Wahl der "Stimme des Ostens" zur Verfassungsrichterin glatt über die Bühne gehen würde: Nach zwei Anhörungen hatte sich eine Mehrheit der SPD vor einer Woche für Dahn ausgesprochen, darunter auch Fraktionschef Wolfgang Birthler.Sogar in der CDU gab es eine knappe Mehrheit für die Autorin, die mit umstrittenen Büchern ("Westwärts und nicht vergessen", "Vertreibung ins Paradies") für Aufsehen sorgte.Der Hauptausschuß empfahl dem Landtag trotzdem ohne Gegenstimme ihre Wahl.Den Umschwung in der SPD bewirkte der aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung kommende Abgeordnete Andreas Kuhnert.In einem Brief an seine Kollegen schrieb er: Dahn stelle sich im Waldheim-Kapitel ihres Buches "Vertreibung ins Paradies" "ganz offen und demonstrativ außerhalb von Grundprinzipien des Rechtsstaates", so daß sie als Verfassungsrichterin "gänzlich ungeeignet" sei.Dieser Ansicht schloß sich gestern die Mehrheit der der SPD-Fraktion mit 26 gegen 8 Stimmen bei 3 Enthaltungen an.

Nach Auffassung Kuhnerts distanziert sich Dahn nicht eindeutig vom DDR-Unrecht, wie es sich auch in den Waldheimer Prozessen widerspiegele.Dabei handelt es sich um jene Schnellverfahren, in denen 1950 an die 3500 Personen abgeurteilt wurden, die zuvor in sowjetischen Lagern interniert waren.Wegen Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien werden die Urteile in der Bundesrepublik als nichtig angesehen.Kuhnert wirft Dahn vor, das Unrecht zu relativieren, indem sie darauf verweise, daß auch Schuldige unter den Verurteilten gewesen seien.Sie weise die Forderung nach rechtsstaatlichen Verfahren für die in Waldheim Verurteilten als "unhistorisch, lebensfremd, fanatisch, unmenschlich" zurück.Den Schuldspruch eines ordentlichen Gerichtes, das nach allen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit verfahren sei, gegen eine damalige Richterin habe sie als "Rache" bezeichnet.

PDS-Fraktionschef Lothar Bisky sagte, die Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen.Dahn habe das Unrecht von Waldheim nicht bestritten und nicht verharmlost.Er verwies darauf, daß Dahn, die sich selbst als "vagabundierende Linke" bezeichnet, kein Mitglied der PDS sei und dem von Egon Bahr geleiteten Willy-Brandt-Kreis als stellvertretende Vorsitzende angehöre.Ein Antrag der PDS, die Wahl der acht Verfassungsrichter zu verschieben, wurde gestern nachmittag von SPD und CDU abgelehnt.Bisky will seiner Fraktion heute früh empfehlen, die Richterwahl heute zu boykottieren.Die PDS wird möglicherweise auch keinen Ersatzkandidaten für Dahn benennen.

MICHAEL MARA

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