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Gutes Wetter – für den Rasen. Immerhin bekommt der viele Regen den Parks in der Stadt viel besser als wochenlanges Hochsommerwetter – zumal sich bei den momentan kühlen Temperaturen kaum jemand freiwillig auf die Wiese legt. Foto: Maja Hitij/dapd

© dapd

Der Regen-Juli: Die Sonne macht Urlaub

Kühl, nass, stürmisch: Der Juli schlägt mit Kälterekorden zu Buche. Abgesehen von der zeitweisen Kombination aus Sturm und Dauerregen ist das Wetter aus Meteorologensicht aber nichts Besonderes. Warum viele Menschen trotzdem unter dem Wetter leiden.

Wäre kein Laub an den Bäumen – manche Tage dieses Sommers fühlten sich arg nach November an. Nachdem schon das erste Ferienwochenende bei lausigen 13 Grad ins Wasser gefallen war, folgte am Freitag der nächste Rekord: 14,6 Grad Höchsttemperatur bedeuten den kältesten 22. Juli seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, berichtet Karsten Kürbis vom Wetterdienst Meteogroup.

Dazu schüttete es im östlichen Umland seit Mittwoch teils mehr als 100 Liter auf den Quadratmeter. In Berlin waren es 35 Liter. Statistisch entsprechen selbst die einem halben Monatssoll. Zwischen den Kälteeinbrüchen dieses Sommers war es oft relativ warm: Meteogroup zählt acht Tage mit mehr als 25 Grad. Weil es dazu oft trübe oder schwül war, macht das Wetter vielen zu schaffen. Aber wie kommt Wetterfühligkeit zustande?

„Auch Großstadtmenschen sind Kinder der Natur“, sagt Peter Walschburger, Biopsychologe an der FU. Es liege nahe, Wehwehchen aufs Wetter zu schieben, sobald das nicht den Erwartungen entspricht. Deshalb seien die meisten mit einem freundlichen Sommertag zufrieden, während ihnen bei einer heraufziehenden Front unwohl werde. Zur psychologischen Komponente komme bei Wetterfühligen die messbare Reaktion des Körpers: Ein ohnehin niedriger Blutdruck sinkt weiter, wenn eine Warmfront die Gefäße weitet. Umgekehrt spüren Menschen mit hohem Blutdruck den Stress, wenn Kälte ihre Gefäße zusammenzieht. Die Grenze zwischen Bauchgefühl und objektivem Befund sei unscharf: Gleiche man das Wohlbefinden von Probanden mit den Wetterdaten ab, „kommt nicht sehr viel raus“. Auffallend sei nur die größere Empfindlichkeit von Älteren, weil die wohl stärker auf ihre Umgebung achteten. Dazu komme das Paradox vieler Depressiver, die sich an einem makellosen Sommertag erst recht schlecht fühlen – wohl auch, weil sie wissen, dass ihre Traurigkeit gerade nicht am Wetter liegen kann.

Der auf Leistungsphysiologie spezialisierte Mediziner Mathias Steinach von der Charité hält eine Überempfindlichkeit mancher Menschen für äußere Reize für möglich – vergleichbar einer Allergie, bei der das Immunsystem harmlose Eindringlinge bekämpft. Nur dass der Wetterfühlige halt nicht auf Pollen, sondern auf Luftdruckschwankungen reagiert.

Klarer ist der Fall bei der Belastung durch feuchte Wärme: Während normalerweise der Schweiß beim Verdunsten den Organismus kühlt, sammelt er sich bei schwülem Wetter auf der Haut.

Als ideales Wohlfühlwetter sehen Walschburger und Steinach einen freundlichen Tag mit trockener Luft und etwa 27 Grad. Auch ihre Rezepte, um Wetterfühligkeit zu lindern, haben den gleichen Hintergrund: Steinach rät zum Saunagang, Walschburger zum Bad im kühlen See. Er nennt es „Anregungen für die innere Betriebsorganisation“.

Die nächste Woche wird zwar kühl, aber recht bekömmlich. Meteorologe Karsten Kürbis prophezeit durchwachsenes, aber nicht allzu unfreundliches Wetter bei knapp über 20 Grad. Da weiter kein Hochsommer in Sicht sei, werde der Juli wohl etwas kühler als im langjährigen Mittel ausfallen – als erster seit mehr als zehn Jahren und im Gegensatz zum Juni, der 1,4 Grad zu warm und mit 40 Litern Regen deutlich zu trocken gewesen sei.

Abgesehen von der zeitweisen Kombination aus Sturm und Dauerregen ist das Wetter aus Meteorologensicht nichts Besonderes. Eher im Gegenteil: Seit mehr als einem Jahr schon haben die Wetterkundler eine ungewöhnliche Häufung stabiler Wetterlagen über der Region beobachtet: wochenlange Eiseskälte in den vergangenen beiden Wintern, Rekordhitze vor einem Jahr und jetzt das viel zu trockene Frühjahr. Das ist vorerst vorbei – zum Verdruss von Ferienkindern, Grillmeistern und (Sonnen-)badefreunden.

Die Betreiber von Freibädern und Ausflugsschiffen spüren das Wetter in der Kasse. Enttäuscht dürften auch Besucher des Tierparks sein, denn das neugeborene Giraffenbaby wird bei nasskaltem Wetter wohl selten den Weg ins Freigehege suchen. „Insgesamt gibt es keine großen Einbrüche bei den Besucherzahlen“, sagt Florian Giese vom Zoo. Schlechte Tage seien stets mit eingeplant.

Die Frei- und Sommerbäder machten daher zwischen Mai und Juli ein Minus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, sagt Matthias Oloew, Sprecher der Berliner Bäderbetriebe. „Wenn der August gut wird, und da sind wir mal optimistisch, kann das die Bilanz wieder ausgleichen.“ Die viel diskutierten verlängerten Öffnungszeiten der Hallenbäder hätten sich angesichts des schlechten Wetters bezahlt gemacht, sagt Oloew. Mehrere Hallen freuten sich im Mai über ein Besucherplus von rund 35 Prozent.

Für den Ernstfall arbeiten die Bäderbetriebe schon an einem Ausweichplan, erklärt Oloew: „Wenn das Wetter wirklich so schlecht bleiben sollte, überlegen wir derzeit, die Hallenbäder wieder früher zu öffnen.“ Zumindest einen Vorteil haben die niedrigen Temperaturen: „Das Wasser wird frischer und die Algenbildung in den Seen geht stark zurück.“

Das trübe Wetter trieb auch die Spreeflotte vorläufig vor Anker. Von einer schlechten Saison möchte Lutz Freise, Geschäftsführer der Reederei Riedel, allerdings noch nicht sprechen: „Bis Juni waren wir sehr verwöhnt, aber der Juli ist schon trostlos.“ Gebuchte Gruppen kämen zwar nach wie vor, zumal die meisten Schiffe auch einen Innenbereich haben. Doch Touristen, die bei gutem Wetter spontan zusteigen, blieben derzeit aus. „Insgesamt ist die Bilanz aber noch besser als im Vorjahr“, sagt Freise. Wie die Bäderbetriebe hofft auch er nun auf den August. „Und wir hatten ja auch schon oft einen goldenen Herbst“, sagt er.

Auch Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes, gibt Entwarnung: „Klar, in den Biergärten war der Umsatz bei dem Wetter gleich null“, sagt er. Dafür seien die Umsätze während der schönen Tage im Mai und April viel besser gewesen als im Vorjahr. „Schlechte Tage gibt es jeden Sommer“, resümiert er.

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