zum Hauptinhalt
Carsten Schneider (SPD), Staatsminister und Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, während einer Pressekonferenz.

© dpa/Martin Schutt

Exklusiv

Die DDR als kommunistische Diktatur: Ost-Beauftragter begrüßt Namensdebatte für Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur

Die Direktorin der Stiftung will ihr einen neuen Namen geben. Der Ost-Beauftragte Carsten Schneider befürwortet die Debatte auch wegen des Kriegs gegen die Ukraine.

Der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), begrüßt die Debatte um einen neuen Namen für die in Berlin ansässige „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Stiftungsdirektorin Anna Kaminsky hatte zuvor eine Diskussion um den Begriff „kommunistische Diktatur“ im Namen der Stiftung gefordert. Schneider sagte dem Tagesspiegel am Montag dazu: „Der Vorschlag ist ein Beitrag für eine Diskussion, die breit geführt werden müsste. Es ist wichtig, über die deutsche Erfahrung hinauszublicken.“

Seit dem Umbruch toben Debatten um die richtigen Begriffe zur Erinnerungskultur an die DDR. War die Deutsche Demokratische Republik ein Unrechtsstaat oder wird damit auch das Leben aller Bürger ins Unrecht gesetzt? Inwiefern war das Regime eine Diktatur und wenn ja, was für eine?

Neue Nahrung gaben der Debatte um das Erinnern und die Aufarbeitung der Wende- und Vorwendezeit zuletzt die Bücher der Historikerin Katja Hoyer („Diesseits der Mauer“) und des Literaturwissenschaftlers Dirk Oschmann („Der Osten: eine westdeutsche Erfindung“). Zu ihrem 25-jährigen Jubiläum stellt sich nun auch eine der wichtigsten Institutionen zur Aufarbeitung der Diktatur diese Frage: Bildet der Name Geschichte treffend ab?

Auch Schneider will an Diktaturerfahrung durch Kommunismus erinnern

Der Ost-Beauftragte Carsten Schneider hält die Debatte um den Begriff „kommunistische Diktatur“ für wichtig: „In wenigen Wochen jährt sich die Niederschlagung des Volksaufstands in der DDR am 17. Juni 1953 zum 70. Mal. Das erinnert uns daran, dass die Diktatur in der DDR, wie in anderen Staaten im kommunistischen Herrschaftsraum, von Beginn an nur im Schutz sowjetischer Panzer bestehen konnte“, sagte Schneider dem Tagesspiegel.

Russland beanspruche heute wieder mit militärischer Gewalt einen eigenen Herrschaftsraum. Gerade in mittel- und osteuropäischen Staaten sei es deshalb wichtig, an die „gemeinsame Diktaturerfahrung“ und an Solidarität unter Demokratien zu erinnern. Schneider sitzt auch im Stiftungsrat der Institution.

Prägte zuletzt eine neue, wütende Art der Aufarbeitung von DDR- und vor allem Wendezeit: Der Literaturwissenschaftler Dirk Oschmann sieht Ostdeutsche bis heute benachteiligt.

© Ullstein Verlag/Jakob Weber

Zuvor hatte Anna Kaminsky, Direktorin der Stiftung, im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint eine Debatte dazu angeregt. Der bisherige Name „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ reduziere die kommunistische Herrschaft in Ostdeutschland auf die SED und löse sie aus der Geschichte des Kommunismus. „Die DDR war immer Teil des kommunistischen Weltsystems und des sowjetischen Herrschaftsbereichs“, sagte Kaminsky. In Polen oder Tschechien sei der Begriff „kommunistische Diktatur“ selbstverständlich.

In Deutschland dagegen sei Ende der Neunziger Jahre zur Gründung der Stiftung selbst um den Begriff Diktatur für die DDR gestritten worden. „Es war die Zeit der DDR-Nostalgie, als vor dem Hintergrund der Belastungen und Traumatisierungen, die die Transformation mit sich brachte, der Diktaturaspekt hinter der schönen Erinnerung an ein eben auch gutes Leben zurücktrat“, erinnert sich Kaminsky.

Auch an aktuellen Debatten, wie um den Bestseller „Der Osten – eine westdeutsche Erfindung“, stößt sich Stiftungsdirektorin Kaminsky: „Man bekommt zuweilen den Eindruck, der Westen habe den Osten kaputt gemacht und die ‚blühenden Landschaften‘ zerstört. Dass das Erbe der kommunistischen Herrschaften überall eine zerrüttete Wirtschaft, zerstörte Umwelt und verfallende Städte waren – von den seelischen und geistigen Schäden gar nicht zu reden – wird dabei vergessen.“ Könnte das - auch namentliche - Erinnern an das Erbe des Kommunismus das ändern?

Aus Sicht von Kaminsky wäre eine Umbenennung der Stiftung wichtig. „Das wäre natürlich sinnvoll, liegt aber nicht in unserer Hand“, sagt die 61-Jährige Sprachwissenschaftlerin. „Dafür müsste der Bundestag, der uns gegründet hat, einen entsprechenden Beschluss fassen.“ Die Unterstützung des Ost-Beauftragten Carsten Schneider ist Kaminsky für das Führen dieser Debatte zumindest gewiss, auch wenn sie noch ganz am Anfang steht.

Die Stiftung mit dem Namen „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ feiert in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen. Sie wurde 1998 auf Empfehlung der beiden Enquête-Kommissionen „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ gegründet. Seit der Gründung förderte sie 4000 Projekte mit insgesamt 32 Millionen Euro – um die DDR-Geschichte besser zu begreifen und auch für Jüngere greifbar zu machen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false