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Heinz-Brandt-Schule im Bezirk Pankow.

© Kai-Uwe Heinrich TSP

Exklusiv

Berliner Platzmangel mit Folgen: Jetzt soll auch ein Pankower Schulhof geopfert werden

26.000 Schulplätze fehlen in Berlin. Modulbauten sollen in der Not helfen. Der beliebten Heinz-Brandt-Schule droht nun der Verlust eines Großteils ihres Hofes mitsamt Garten.

Nach dem Debakel um die drohende Bebauung des idyllischen Schulhofes der Oberseeschule im Berliner Bezirk Lichtenberg steht in Weißensee ein vergleichbares Szenario bevor. Diesmal trifft es die Heinz-Brandt-Schule, die einen großen Teil des Hofes mitsamt Schulgarten verlieren soll. Wieder geht es um die Errichtung eines Modularen Ergänzungsbaus (MEB), der dabei helfen soll, den Berliner Schulplatzmangel zu dämpfen.

Zwar droht in Pankows Bezirksamt – anders als in Lichtenberg – kein Bruch der Zählgemeinschaft aus Anlass der Schulhofbebauung. Aber für die Schule selbst steht vergleichbar viel auf dem Spiel. Denn sie hat ein fein austariertes, erfolgreiches Konzept, an dem die Freiflächen einen großen Anteil haben. Die Gesamtelternvertretung (GEV) und die ganze Schulgemeinschaft kämpfen daher vehement gegen den Modulbau.

Preisgekröntes Konzept

Vorweg: Die Heinz-Brandt-Schule gehört seit Jahren zu den beliebtesten Sekundarschulen der Stadt, ihre Qualität hat sich in vielen erfolgreichen Jahren herumgesprochen. Und das nicht nur in Berlin: Sie gewann 2011 den renommierten Deutschen Schulpreis, sozusagen der „Oscar“ unter allen Schulauszeichnungen.

Grundlage des Erfolgs ist ein durchdachtes Ganztags- und Fördermodell, das alle mitnimmt, und dabei viel Wert auf gelungene Inklusion legt. Damit das funktioniert, werden Schulhof und Schulgarten einbezogen. Sie sind an der Heinz-Brandt-Schule besonders wichtig, da die Sportaußenflächen zu weit entfernt liegen, um für die Inklusionskinder erreichbar zu sein.

Da die Heinz-Brandt-Schule in der Nähe keine Sportaußenflächen hat, bleibt den Inklusionskindern nur der Schulhof, um sich zu bewegen.

© Grafik: David Kißling/Foto: Google Maps

Damit die Schulgemeinschaft sich wohlfühlt, wenn sie in den Pausen oder in der längeren Mittagszeit aus dem Altbau strömt, gibt es nicht nur einen Hof mit ein paar Bäumen, sondern einen ganzen Schulgarten. Der hat 2018 den Zweiten und 2019 den Ersten Preis beim Wettbewerb der Lennéakademie gewonnen. Vor der Jury aus Fachleuten der Akademie und „Grün macht Schule“ konnte sich die Schule gegen 30 weitere Berliner Sekundarschulen durchsetzen. Das sei der „verdiente Lohn für die Bemühungen der letzten Jahre“, hieß es damals.

Der Schulgarten ist gefährdet

Elternvertreter David Kißling schätzt, dass etwa die Hälfte des Gartens unter dem MEB verschwinden würde. Das Schulamt, sagt Kißling, halte seine Schätzung für übertrieben. Aber dass der Garten – im Schatten des genormten Modulbaus – nicht nur einen Teil der Fläche, sondern auch seinen Charakter verliert, gilt als sicher. In diesem Herbst sollen die ersten Bäume fallen.

Warum aber wehrt sich die Schulgemeinschaft erst jetzt? Eltern berichten, die Schule habe eher zufällig erfahren, wie weit die Planungen vorangeschritten seien. Dass der Modulbau quasi als beschlossene Sache behandelt wurde, sei erst im Frühjahr ruchbar geworden. Bis dahin habe nicht viel mehr stattgefunden als ein Gespräch im Jahr September 2021 über „MEB-Einpassungsvarianten“ im Beisein des damaligen Bildungsstadtrats Thorsten Kühne (CDU).

Danach musste der parteiübergreifend anerkannte Kühne nach Marzahn-Hellersdorf wechseln, weil Pankows CDU-Kreischef Dirk Stettner eine andere Präferenz für den Posten hatte. Letztlich ging er an Dominique Krössin (Linke), die offenbar die „Einpassung“ des MEB weiter verfolgte. So fand der jetzige Bildungsstadtrat Jörn Pasternack (CDU) im April die Lage vor – und damit auch den Protest der Eltern, der sich jetzt Bahn bricht.

Die Suche nach Alternativen

Die Erfolgschancen stehen nicht gut, weil in Berlin 26.000 Schulplätze fehlen. In der Folge werden die Klassen immer voller – auch an der Heinz-Brandt-Schule, wo es nach Auskunft von Elternvertretern bereits 29 statt maximal 26 Kinder in den siebten Klassen gibt.

Entsprechend „ernüchternd“ fiel dann aus Elternsicht auch ein Ortstermin am Montagabend auf dem Schulhof aus. Als Vertreter des Senats machte Thorsten Kühne, der seit Mai Staatssekretär für Schulbau ist, deutlich, dass es „leider keine realistische Alternative“ für den Bau des MEB gebe, wie er dem Tagesspiegel nach dem Treffen sagte.

„Wir werden weiter protestieren“, kündigte Elternvertreter David Kißling an. Selbst wenn der MEB nicht zu verhindern sei, solle die Schule jetzt aber genug Zeit haben, um bei der Ausgestaltung mitzuwirken. Ein erstes Zugeständnis habe es gegeben, so Kißling: Für den Schulgarten solle es ein Ersatzgrundstück geben – allerdings an der stark befahrenen Roelckestraße gelegen.

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Modulare Ergänzungsbauten (MEBs) sind bereits gebaut oder in Planung.

Die MEBs sind an Berlins Schulen unterschiedlich willkommen. Mitunter werden sie als „Retter in der Not“ empfunden oder als Übergangslösung begrüßt, bis das eigentliche Schulhaus fertig ist – wie zuletzt an der noch nicht eröffneten Maria-Leo-Grundschule in Prenzlauer Berg.

Die genormten Schulen sind umstritten

Allerdings sind sie das Gegenteil der erwünschten Compartment-Schulen mit ihren Begegnungsräumen, denn MEBs bieten nichts als eine Ansammlung genormter Unterrichtsräume, die sich an Fluren aufreihen. Im Fall der Heinz-Brandt-Schule hofft die Schulgemeinschaft, auf die Raumaufteilung und technische Ausstattung noch etwas Einfluss nehmen zu können, um den Schaden, der durch die unerwünschte Vergrößerung der Schule entsteht, zu minimieren.

Die Grünen mit ihrer damaligen Bildungspolitikerin Stefanie Remlinger hatten zu Beginn der Schulbauoffensive im Jahr 2017 noch gehofft, die Aufstellung von geplanten über 100 MEBs vermeiden zu können und individuelle Schulen von Architekten entwerfen lassen zu können. Die SPD ging auf Abstand, um den Zeitaufwand für die Wettbewerbsplanungen zu sparen.

Inzwischen ist die Lage noch wesentlich angespannter als 2016/17. Allein 2022 kamen – vor allem durch den Ukrainekrieg – 11.000 weitere Schüler dazu, weshalb sich das Schulplatzdefizit nochmals vergrößert statt verkleinert hat.

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